01/04/2004
01/04/2004

Die Totalunternehmerausschreibung und ihre Auswirkung auf den Ziviltechnikerstand

Ein Totalunternehmer (TU) ist – richtig benannt und ausgeschrieben – ein Unternehmer, der ein Bauwerk selbst plant und errichtet. Zur Erfüllung eines TU-Auftrages ist es daher erforderlich, dass der Auftragnehmer die Befugnis sowohl für die Planung als auch die Errichtung von Bauwerken hat.

In Österreich ist im Bereich der öffentlichen Auftragsvergaben eine starke Tendenz in Richtung TU-Aufträge zu bemerken. Als prominentes – leider – Negativ-Beispiel gilt seit kurzem die Ausschreibung für das Fußballstadion Klagenfurt. Die dort gewählte TU-Ausschreibung widerspricht durch den kompletten Ausschluss einer Berufsgruppe sowohl europäischem als auch österreichischem Recht: Österreichischen Ziviltechnikern ist es nämlich (anders als zB Ziviltechnikern aus den Niederlanden) verwehrt, sich mit bauausführenden Gewerbetreibenden zusammenschließen. Dieses Gebot zur Trennung von Planung und Bauausführung gilt selbst dann, wenn bloß eine temporäre interdisziplinäre Partnerschaft in Form einer ARGE zur Erfüllung des TU-Auftrages angedacht ist. Beim Fußballstadion Klagenfurt ist dies deshalb besonderes pikant, weil der Auftraggeber die architektonische Qualität mit nahezu 50% gewichtet hat. Er hat damit die Architektur formal hervorgehoben, deren Träger aber in die Subunternehmerschaft gedrängt. Subunternehmern fehlt bekanntlich der direkte Kontakt zum Bauherrn oder umgekehrt, der Bauherr hat fortan im Baumeister seinen exklusiven Ansprechpartner auch für Architekturbelange.

Die öffentliche Hand verspricht sich durch die Vergabe von TU-Aufträgen vor allem Kostenstabilität durch die Abgabe verbindlicher Bauangebote bereits in einem frühen Verfahrensstadium. Dieses berechtigte Ziel kann aber auch durch andere Modelle erreicht werden, in denen der Ziviltechniker auf gleicher Augenhöhe mit der Baufirma arbeitet (zB Architekturwettbewerb mit vertiefter Kostenplausibilisierung und anschließender GU-Ausschreibung, Parallelausschreibung von Planung und Ausführung als „kombinierter Wettbewerb“ nach deutschem Vorbild). Auch die Einsparung zumindest einer Ausschreibung bei der TU-Vergabe ist dort kein Argument, wo Planungsaufträge gut vorbereitet und in der Abwicklung professionell vergeben werden.

Dass mit der Ausschreibung von TU-Aufträgen aber gewichtige Nachteile verbunden sind, wird von öffentlichen Auftraggebern vielfach ignoriert. Ein TU-Auftrag führt – ohne auf die als TU-Auftrag ausgeschriebene Vergabe des Münchener Fußballstadions eingehen zu müssen – grundsätzlich zu „Koordinationszuschlägen“, wie bereits die Generalunternehmerausschreibungen im reinen Baubereich zeigen. Dieser Kostennachteil im Vergleich zur gewerksweisen Vergabe lässt sich auch (bau)wissenschaftlich belegen. Darüber hinaus verliert die öffentliche Hand die unabhängige „Treuhandfunktion“, die ein Ziviltechniker nach dem Ziviltechnikergesetz (ZTG) wahrzunehmen hat. Dabei liegt das Anliegen des ZTG, die Ausübung des Ziviltechniker-Berufes von berufsfremden Einflüssen möglichst frei zu halten, weniger im Interesse der Ziviltechniker. Es liegt vielmehr im Interesse all jener, welche die Dienste der Ziviltechniker in Anspruch nehmen und eine unabhängige Berufsausübung erwarten. Gerade die Ausschreibung eines TU-Auftrages führt aber dazu, dass der Druck auf den zum Subunternehmer degradierten Ziviltechniker wächst, zB Kostenvorteile aus einer optimierten Planung nicht an den Bauherrn weiterzureichen. Die öffentliche Hand ist daher aufgerufen, ihre Beschaffungsmodelle nicht nur an kurz- sondern mittel- und langfristign Überlegungen auszurichten.

Ziviltechniker durch eine TU-Ausschreibung gängeln zu wollen, ist der falsche Weg. Wer Ziviltechniker- Honorare im öffentlichen Bereich auch heute noch für grundsätzlich überhöht hält, kennt entweder die Realität nicht oder stimmt ein in den undifferenzierten Liberalisierungskanon der EU-Wettbewerbsbehörde. Unabhängigkeit kostet – ihre Beseitigung noch mehr.
(Beitrag aus: Österreichische Bau.zeitung Nr. 13 / 26.03.2004)

Dr. Stephan Heid ist Rechtsanwalt und Vergaberechtsexperte in Wien

Verfasser/in:
Dr. Stephan Heid
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