16/02/2007
16/02/2007

Michael Petrowitsch, Pavel Haus, IG Kultur Steiermark

These: Graz verstrickt sich in parteipolitisches Kleinklein und schleicht sich damit aus der kulturpolitischen Verantwortung.

Bei einem Round-Table der IG Kultur bekamen die Kultursprecher der Grazer Gemeinderatsparteien in Vorfreude auf den Jänner 08 die Möglichkeit, sich zu positionieren. Die utopisch anmutende Basisfrage des Abends lautete: Gibt es einen überparteilichen Grundkonsens, in welche Richtung sich Graz in den nächsten Jahrzehnten zu entwickeln habe, so etwas wie einen Masterplan? Um es vorwegzunehmen: Es gibt nix, und es gibt auch keine Ambitionen auf eine gemeinsame (sic!) Vorgangsweise. Die dargelegten Gründe sind altbekannt: Man habe sich 03 verschuldet, zahle noch immer diverse Hallen ab, der Bund fordere zu viel Geld und Kopfschütteln auslösend: man könne für 08ff keine Versprechungen machen, dies wäre unseriös. Schließlich brachte es die Kultursprecherin der F auf den Punkt: „Das Thema Kultur spielt in allen Parteien eine untergeordnete Rolle“.

Mit dem althergebrachten Kulturbegriff, und dies ist nun mal der allgemeinverständliche, ist kein Wahlkampf zu führen. Eher schon mit medialen Stellvertreterkriegen in Marginalstfragen: siehe die leidige Musicaldebatte. Derweilen handeln wir uns munter von einer Wahl zu nächsten. War etwa schon Stadtrat Rüschs Idee einer basisdemokratischen Befragung der Bezirke ein gut gemeinter 600.000- Gulden-Schuss, steht nunmehr die Stadterneuerungskampagne des Projektteams A, wo man noch eine geopolitische Neudefinition der Landeshauptstadt ersinnen wollte, vor dem Ende. Kein dynamischer Kulturbegriff a la Walter Benjamin, Graz im veränderten geopolitischen Kontext neu zu definieren. Das Konzept von Ex-Stadtrat Buchmann, mittels „basisdemokratischer Mittel“ die Szene lahm zu legen und gewerkschaftliche Initiativen zu blockieren, funktionierte eine Zeit lang gut. Die Konsequenz des Grazer Kulturbeirats, nicht mehr willfährig reagieren zu wollen, sondern aktiv zu agieren, also endlich angesichts der Grazer Misere zurückzutreten, kann einem Selbstheilungsprozess entsprechend, nur gut tun: Spät aber doch.

Wahrlich: Es gibt doch genügend Gelder, dem Vernehmen nach soll sich allein in der 03-Gesellschaft ein mindestens sechsstelliger Betrag befinden, im neuen Interregprogramm Matriosca sollen 20 Millionen liegen! Dass Stadtrat Miedl von den veranschlagten 100.000 Euro für das Musicalfestival, zumindest 50Prozent für die freie Szene bereitstellen muss, wäre ein 50-prozentiges Wiedergutmachen der Wegevaluierung (und wahltaktisch klug). Allerdings: Angesichts des parteipolitischen Grundkonsenses bei der Aufstockung von Großbeträgen ist dies Kleinkrämerei. In diesem Sinne und mit Rudi Dutschke: Geschichte ist machbar, hiermit sei ein parteiübergreifender kultureller Grundsatz bis 2018 eingefordert, der Graz und die Steiermark gesamtgesellschaftlich, stadterneuernd und mit breitem Kulturbegriff neu definiert. Dies muss in Wahlkampfzeiten möglich sein.

Michael Petrowitsch leitet das Kulturhaus Pavel Haus bei Radkersburg und ist Sprecher der IG Kultur Steiermark
Erstveröffentlichung in der Kl. Zeitung / Debatte, am 16.02.2007

Verfasser/in:
Michael Petrowitsch, Kommentar
Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
GAT+