13/04/2022

Von Flächenfraß und Zersiedelung – Eine Stellungnahme zur StROG Novelle 2022

DI. Günther Bogensberger, Arch. Studium TU Graz, ist seit 2000 selbständig als Bauleiter bei Wohnbauprojekten in Graz/ Wien, verantwortet Sanierungen im Wohnbau, Bauaufnahmen in der Steiermark und ist seit 2001 Privat-Pilot und aktives Mitglied bei der Steirischen Motorflugunion. Er beschäftigt sich mit der Zersiedelung und Verschandelung seiner Heimat, indem er die baulichen Fehlentwicklungen im alpinen Raum mit Schwerpunkt Steiermark und Kärnten fotografisch dokumentiert und die touristische Landnahme durch rendite-orientierte Feriendörfer (Chalets, Ressorts), die zu Lasten einer rein natürlichen Nutzung geht, darstellt. 

13/04/2022

St. Georgen ob Murau, 2021

©: Günther Bogensberger

Die wesentlichen Punkte einer Aufstellung aus dem Jahre 2016, von Frau Univ. Prof. DI. Dr. Gerlind Weber – nachstehend angeführt und damals auf gat.st veröffentlicht – bleiben nicht nur unverändert, nein sie haben sich weiter zugespitzt! 

Die Entwicklung der Bodenpreise stellt zunehmend eine Gefahr für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft dar. In gleicher Weise nimmt der Rückgang der nutzbaren Agrarflächen für die sogenannte Versorgungssicherheit der Bevölkerung bedrohliche Ausmaße an. Geprägt ist diese Entwicklung trotz umfassender Rechtsvorschriften, wie der des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 2010, den jeweils gültigen Flächenwidmungsplänen und den örtlichen Entwicklungskonzepten der jeweiligen Gemeinden und Kommunen weiterhin von einem

• zunehmenden Flächenfraß
• einer Zersiedelung der Landschaft
• einer Inanspruchnahme wertvoller, ertragreicher Agrarlandschaften

Zusätzlich erhalten diese Entwicklungen durch die Erfahrung der vergangenen Wochen und Monate (Krieg in der Ukraine, Versorgungsengpässe auf Grund unterbrochener Lieferketten während der Pandemie, sowie der Verpflichtung zur Einhaltung der CO2 Neutralität bis zum Jahre 2050) eine weitere Dynamik hinsichtlich

• Versorgungssicherheit im Ernährungsbereich
• Großflächige Inanspruchnahme von Böden für Solarstrom, Windparks, Biomasseerzeugung
• Steigenden Wohnbedarf durch Flüchtlingsströme und Zuwanderung
• Zusätzliche Infrastruktureinrichtungen für Allgemeinheit, Verkehr, Energieversorgung

Laut Angabe von Frau Gerlind Weber, stammen 2021 von 3 konsumierten Kalorien nur mehr 2 aus eigenem Anbau, die dazu bereitgestellte Ackerfläche aus dem Jahre 1950 von 2400m² pro Person sank im Jahr 2020 auf nur mehr 1600m² pro Person.

Stellt man den vorhin genannten Trends auch mögliche Einbußen infolge zunehmender Unwetterereignisse wie
• Hagel,
• Überschwemmungen,
• Dürren,
• Brände

sowie Ernteausfälle infolge
• Frost,
• Schädlingsbefall

etc. in Rechnung, wird die Versorgungslage für die österreichische Bevölkerung immer schwieriger, die Versorgungssouveränität ist längst nicht mehr gegeben.

Geltende Raumordnungsgrundsätze des StROG 2010:

1. Die Qualität der natürlichen Lebensgrundlagen ist durch sparsame und sorgsame Verwendung der natürlichen Ressourcen wie Boden, Wasser und Luft zu erhalten und, soweit erforderlich, nachhaltig zu verbessern.
2. Die Nutzung von Grundflächen hat unter Beachtung eines sparsamen Flächenverbrauches, einer wirtschaftlichen Aufschließung sowie weitgehender Vermeidung gegenseitiger nachteiliger Beeinträchtigungen zu erfolgen. Die Zersiedelung der Landschaft ist zu vermeiden.
3. Die Ordnung benachbarter Räume sowie raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen aller Gebietskörperschaften sind aufeinander abzustimmen.

Die freiwillige Selbstverpflichtung zur Einhaltung dieser Raumordnungsgrundsätze hat nicht den gewünschten Erfolg gebracht, wie anhand vorliegender Beispiele vom Bauen in den alpinen Regionen in der Steiermark oder in Kärnten deutlich zu sehen ist.

Exemplarisch in der Steiermark 
Turrach, St. Georgen/Murau, Lachtal,Hohentauern, Schladming, Rohrmoos,  Bad Mitterndorf, etc. 

Exemplarisch in Kärnten
Klippitztörl, Hochrindl, Falkertsee, Nassfeld/Sonnleiten, Katschberg etc.

Zusammenfassend: Eine Verbesserung der Rechtsordnung infolge der Novelle zur StROG 2022 ist schwer erkennbar. Die Aussage vom Vertreter der Kammer für Ziviltechniker:innen Steiermark und Kärnten, Herrn Arch. DI. Schelischansky, „dass die Raumordnung immer mehr zu einem juristischen Problem geworden ist“ und der eigentliche Sinn einer verbindlichen und allgemein verständlichen Rechtsvorschrift zum Wohl der Allgemeinheit immer mehr aus dem Blickfeld gerät, hat sich leider auch im Zuge dieser Novellierung wieder bestätigt. Ein Rechtsvertreter meinte dazu unlängst in der ORF Dokumentation Viel verbautes Österreich aus dem Jahr 2021: „Es ist alles erlaubt, was nicht verboten ist – und nicht: Es ist alles verboten, was nicht erlaubt ist.“

„Die formal richtige Vorgehensweise gewinnt an Bedeutung, während das wirkliche Ziel dabei immer mehr aus dem Blickfeld gerät“, so Schelischansky. Wenn also eine Verschärfung der Rechtsvorschriften, eine zunehmend komplexe Rechtsmaterie nur mehr von Experten mit einschlägiger Berufserfahrung erkannt, ihre Grenzen und Lücken hauptsächlich von Juristen durchschaut und umgangen werden können, sind eindeutige Vorgaben wie Vorrangflächen für den Ackerbau und die Landwirtschaft oder Bauverbotszonen zum Erhalt von Naturräumen im öffentlichem Interesse – und deshalb von der überörtlichen Raumplanung festzulegen und dem Wirkungsbereich der örtlichen Raumplanung zu entziehen!

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Folgend – das heute nach wie vor aktuelle Statement von Frau Univ. Prof. DI. Dr.Gerlind Weber, 2016: GAT, Mi. 22/06/2016

Bodenfraß ohne Ende? Nein, danke!

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