23/01/2014

Das Interview mit dem GAT-Team wurde erstmals in der Fachzeitschrift
Architektur & Bau FORUM (Ausgabe 12/13) in der Rubrik "Architekturvermittlung"  veröffentlicht.

23/01/2014

Im Bild v. li.: Karin Wallmüller, Michaela Wambacher, Gerhard Mitterberger, Susanne Fritzer, Wolfgang Feyferlik

Anlässlich des 10-Jahres-Jubiläums der steirischen Architektur-Website „www.gat.st“ traf FORUM deren Initiatoren und Betreiber. Ein Gespräch über kulturelle Ansprüche, die Gewohnheit, etwas mehr als das Geforderte und Bezahlte zu leisten, über den Verzicht auf Profit in einer Sache, die einem am Herzen liegt, und was es heißt, einen Verein zu betreiben, der mit anderen steirischen Architekturinitiativen jedes Jahr aufs Neue um Fördergelder kämpfen muss.

Hanna Geisswinkler im Gespräch mit Susanne Fritzer, Wolfgang Feyferlik, Gerhard Mitterberger, Karin Wallmüller und Michaela Wambacher

Im Frühjahr vor 10 Jahren ging die GAT-Website online. Wie waren die Anfänge?

Wolfgang Feyferlik (W. F.): Es sollte eine Möglichkeit geschaffen werden, die regionale Architekturszene abzubilden. Charlotte Pöchhacker, die gemeinsam mit Alexander Kada eine entsprechende Website kreieren wollte, gab dazu den Anstoß. Parallel dazu bildete damals das Internetportal „koelnarchitektur.de“ den zündenden Funken für unseren Entschluss, ein ebensolches Projekt für die Steiermark zu initiieren.

Zu dieser Zeit war ein professioneller Internetauftritt noch keine Selbstverständlichkeit. Waren der Zeitpunkt und die Architekturszene reif für einen Onlineauftritt mit regionalem Bezug?

W. F.: Ja, durchaus. gat ist zu dem Zeitpunkt entstanden, als die steirische Architekturszene nach einem gemeinsamen „Pressesprecher“ aller Institutionen – Haus der Architektur (HDA), TU Graz, Architektenkammer usw. – gesucht hat.

Gerhard Mitterberger (G. M.): Diese Überlegung einer „Ein-Personen-Pressestelle“ war eigentlich das Dilemma. So viele Interessen in einer Person festzumachen, war nicht möglich. Insofern sahen wir das Internet als willkommenes Medium, um jedem Partner die Möglichkeit zu geben, sich gleichberechtigt einzubringen.

W. F.: Wir wollten den Architekturinstitutionen die technische Möglichkeit einer Inputeingabe in Form einer Website anbieten. Jeder Partner hatte einen eigenen Zugang, war also als eigenständige Redaktion angedacht und sollte News und Berichte selbstständig veröffentlichen können.

Susanne Fritzer (S. F.): So ergab die Suche nach einem physischen Pressesprecher zu guter Letzt einen im virtuellen Sinn.

Wurde die Möglichkeit eines redaktionellen Inputs damals von den Partnern angenommen?

W. F.: Sehr zögernd.

G. M.: Lesen will jeder, Inhalte zu liefern ist dann eine andere Geschichte. Die damals rein technische Redaktion ist heute zu einer inhaltlichen geworden. Wir haben neben den GAT-Redakteurinnen Michaela Wambacher und Karin Wallmüller auch einen fixen Pool von fünf bis zehn freien Redakteuren – was uns inhaltlich vielfältige Sichtweisen ermöglicht.

Verlangt eine solche Meinungsvielfalt seitens der Redakteure und Partner, die beliebig Inhalte einbringen können, nach einer Art Zensur?

W. F.: Damals wie heute existiert so etwas nicht. Wir kontrollieren lediglich die Regeln des Anstands. Auch das ist stets eine Gratwanderung – denn alle Äußerungen müssen ja nicht jedem gefallen.

Michaela Wambacher (M. W.): Aber mitunter publizieren wir durchaus kritische Äußerungen. Aus diesem Grund ist schon mal ein Partner ausgestiegen. Das muss man eben in Kauf nehmen.

G. M.: Auch was unsere freien Redakteure anbelangt, haben wir nur wenige Vorgaben. Manche halten ihre Artikel eher neutral, andere legen Wert darauf, ihre persönliche Meinung einfließen zu lassen. Allein die journalistische Textgattung gibt letztlich die Richtung vor.

Wie steht es mit inhaltlichen Grenzen zum Thema oder zum Begriff Architektur?

G .M.: Der Architekturbegriff ist ein sehr weit gestreuter. Wir wollen nicht nur über die gebaute Umwelt sprechen, sondern auch über deren Randerscheinungen. Aber man kann es hierbei nicht jedem Recht machen. Dem einen sind wir zu breit aufgestellt, dem anderen zu wenig weit gestreut.

S. F.: Ursprünglich hieß die Website „GAT – Internetplattform für Architektur und Lebensraum“. Der Begriff „Lebensraum“ umfasst bereits per se – auch wenn negativ konnotiert – am treffendsten das ganze Rundherum, das wir nicht außen vor lassen möchten.

Schafft die regionale Beschränkung auf die Steiermark nicht eine zu starke Abgrenzung zu international relevanten Themen?

W. F.: Nein, durchaus nicht. Fehlt einem Thema zwar der regionale Bezug, nicht aber die Relevanz für die Steiermark, wird es bearbeitet und veröffentlicht. Hier schließt sich wiederum der inhaltliche Kreis.

M. W.: Auch überregionale Themen fließen auf diese Weise ein. Es war immer mitgedacht, dass GAT eines Tages österreichweit informiert und dem User somit ein Informationsnetzwerk zur heimischen Architekturszene zur Verfügung steht.

Woran ist das Projekt gescheitert?

Karin Wallmüller (K. W.): Es ist wie mit den Bauordnungen: Jedes Bundesland arbeitet für sich, das ist absurd! Sogar in einem großen Land wie Deutschland funktioniert es, Architekturmeldungen quer durch die Republik in einer Plattform, dem Baunetz, zusammenzufassen.

W. F.: Es gibt schon vitales Interesse in einzelnen Architekturhäusern, zum Beispiel von Arno Ritter, Leiter des aut (Architektur und Tirol) in Innsbruck. Insgesamt fehlt aber leider die Diskussionsbereitschaft.

In gewisser Weise versäumen die anderen Bundesländer dadurch ihre zeitgemäße Architekturdokumentation …

G. M.: Genau darin, nämlich in der Dokumentation aktueller, baukultureller Geschehnisse und ihrer Aufbereitung auf einer gemeinsamen Kommunikationsebene, sehe ich den größten Mehrwert von GAT. Das Portal hat die steirische Architekturgeschichte der vergangenen zehn Jahre dokumentiert, das ist ein enormer Gewinn für das heimische Architekturgeschehen. Hinzu kommt der Vorteil permanenter Verfügbarkeit. Informationen können jederzeit einfließen und abgerufen werden.

M. W.: Die Plattform wird deshalb auch intensiv als Recherchewerkzeug genutzt. Auf der Web-Suche nach steirischen Themen mit Architekturbezug landet man früher oder später immer auf GAT.

Apropos nextroom. Aus dieser Kooperation ist 2005 der Virtuelle Architekturführer (VAF) mit jüngst realisierten, für die steirische Baukultur relevanten Bauwerken hervorgegangen. Welche Intentionen stecken hinter diesem Projekt?

G. M.: Der VAF war von Anfang an als Modul von GAT gedacht. Weil die Steiermark neben Kärnten zu diesem Zeitpunkt das einzige Bundesland war, das seine Projekte nicht in nextroom eingepflegt hat, und auch das HDA diese Aufgabe nicht übernehmen wollte, haben wir diese Aufgabe übernommen.

W. F.: Doch anders als nextroom, das damals noch mit einer reinen textorientierten Suche gearbeitet hat, wollten wir die User von Anfang an bildorientiert an Gebäude heranführen. Darüber hinaus betreiben wir mit einem Teil des VAF-Budgets auch Geschichtsaufarbeitung, indem nicht nur aktuell fertiggestellte, sondern auch ältere Bauten, wie zum Beispiel jene der Grazer Schule, dokumentiert werden.

Wie steht es generell mit Fördergeldern in Zeiten des Sparens?

M. W.: Das Ansuchen um Förderungen ist ein mühseliges Verfahren. Jedes Jahr aufs Neue. Was man etwa dem Land Steiermark, genauer gesagt der Kulturabteilung, aber zugutehalten muss, ist die Zusage einer Basisförderung – und das trotz Sparmaßnahmen.

W. F.: Architektur in der Steiermark lebt auch im Bereich der Vermittlung von Vielseitigkeit, und neben GAT gibt es noch andere Architekturinstitutionen, die ganz so wie wir ohne finanzielle Beihilfe nicht bestehen könnten. Den ohnehin schon kleinen Etat auf so viele aufzuteilen, ist sicher nicht leicht.

Hat sich bei all diesem Aufwand jemals die Frage gestellt aufzuhören?

G. M.: Im Rahmen des Relaunches im Jahr 2011 haben wir uns sehr wohl gefragt, ob die optische und programmiertechnische Neubearbeitung von GAT überhaupt Sinn macht. Das Ergebnis einer User- und Partnerumfrage war deutlich: GAT ist wichtig, die Nachfrage ist auf jeden Fall da.

S. F.: Vor allem die Unabhängigkeit des Portals wurde von allen positiv gesehen.

M. W.: Auch die Zugriffszahlen sprechen für sich. Bis zum Relaunch hatten wir immerhin 100.000 User. Es gibt eine fixe tägliche Leserschaft mit rund 700 bis 900 Zugriffen pro Tag. Das ist schon beachtlich.

Wenn es nicht der Profit ist, was ist dann die Hauptmotivation?

G. M.: Wenn man als Architekt und generell kulturelle Ansprüche hat, ist man es gewohnt, mehr als das Geforderte und Bezahlte zu machen. Bei einer solchen Einstellung engagiert man sich für solche Dinge, weil diese sinnvoll sind und etwas bewirken. Auch unsere freien Autoren können kaum wirtschaftlich arbeiten. Es geht hier rein um den kulturellen Anspruch.

Wie sieht die Zukunft der steirischen Architekturplattform aus, sind neue Projekte geplant?

G. M.: Das ist in erster Linie eine Überlebensfrage – neue Ideen gibt es immer wieder. Finanziell gesehen aber sind wir froh, den Alltagsbetrieb bewältigen zu können.
[Anm. der Redaktion: Mittlerweile haben die Bauabteilung des Landes Steiermark, die TU-Graz, Fakultät für Architektur, sowie das ZT-Forum ihre Partnerverträge aufgekündigt.]

W. F.: Es ist vor allem schade, dass uns als Gruppe die Zeit fehlt, die österreichweite Vernetzung voranzutreiben. Architekturberichterstattung (etwa in Form eines aktuellen Nachrichtendienstes) ist ein wesentlicher Teil der Baukulturvermittlung. Deshalb habe ich die Vision, dass sich einzelne Architekturhäuser doch in ein solches Netzwerk einklinken und damit einen Schneeballeffekt auslösen, noch nicht aufgegeben.

S. F.: Wir freuen uns darüber, dass sich GAT von einem offenen Internetportal auch in Richtung eines Online-Fachmagazins entwickelt hat. Diese Entwicklung kann ruhig weitergehen.

GAT (GRAZ ARCHITEKTUR TÄGLICH)
Initiator und Betreiber: „Verein zur Förderung steirischer Architektur im Internet“, ­basierend auf einer Initiative der ehemaligen Plattform „Architektur in der Steiermark“ ist GAT seit 2003 online.

GRÜNDUNGSMITGLIEDER:

Wolfgang Feyferlik (Architekturstudium TU Graz; seit 1983 eigenes Architekturbüros in Form einer losen Architektengemeinschaft; seit 1994 Zusammenarbeit mit Susanne Fritzer; ­Lehraufträge an der TU Innsbruck und TU Graz)

Susanne Fritzer (Architekturstudium TU Graz, Städelschule Frankfurt/Main; seit 1994 ­Zusammenarbeit mit Wolfgang Feyferlik; Lehraufträge an der TU Wien, RWTH Aachen, TU Innsbruck und TU Graz)

Gerhard Mitterberger (Architekturstudium TU Graz; 1986 Auslandsstipendium bei Sverre Fehn, Oslo; seit 1989 eigenes Büro in Graz und Lienz; 1997 – 2000 Lehrauftrag an der TU Graz, Institut für Gebäudelehre)

REDAKTION GAT:

Karin Wallmüller (Architekturstudium TU Graz; seit 1988 Architekturbüro; Schwerpunkt Ortsraum, Baugruppen; ab 2007 diverse Redaktionsbeiträge; seit 2012 freie Mitarbeiterin der Redaktion GAT inkl. Betreuung Virtueller Architekturführer Steiermark)

Michaela Wambacher (Architekturstudium TU Graz; 2001 – 2004 Redaktion Zuschnitt (Assistenz); seit 2004 Redaktion GAT)

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