03/07/2009
03/07/2009

Helmut und Johanna Kandl, Gedenkzeichen in Erinnerung an die Ermordeten und Toten in Aflenz bei Leibnitz, einem KZ-Außenlager Mauthausen. (c) colourspace M. Auer

Das Wächterhaus bei Nacht. (c) colourspace M. Auer

Johanna und Helmut Kandl vor ihrem Wettbewerbsentwurf. (c) Institut für Kunst im öffentlichen Raum

Situationsplan des ehemaligen KZ-Außenlagers (c) Institut für Kunst im öffentlichen Raum

Eröffnung des Gedenkzeichens, am 28. Juni 2009 bei strömendem Regen. (c) colourspace M.Auer

WÄCHTERHAUS - „Denkzeichen“ in Erinnerung an die Ermordeten und Toten in Aflenz bei Leibnitz, einem KZ-Außenlager von Mauthausen.

Wer den Wegweisern zum „Römersteinbruch“ folgend durch die Ortschaft Aflenz a.d. Sulm (Gemeinde Wagna) fährt, kommt an der Ruine eines kleinen Ziegelgebäudes vorbei. Seit kurzem wird dieser sonst ganz alltäglich erscheinende Bau durch den roten Schriftzug „WÄCHTERHAUS“ markiert, der am Abend aufleuchtet und die Aufmerksamkeit auf das Besondere dieses Ortes zieht. Der Rest des kleinen Gebäudes ist nämlich das, was vom Wachtpostenhaus eines der mehr als 40 Außenlager des KZ Mauthausen übrig geblieben ist. Sonst sind von diesem Ort des Terrors nur sehr wenige, unmittelbar sichtbare Relikte und Spuren erhalten, weshalb das Lager bis vor kurzem aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit nahezu verschwunden war.

In den letzten Kriegsjahren 1944/45 war die besonders kriegswichtige Produktion von Flugzeug- und Panzerantriebsteilen der Steyr-Daimler-Puch-AG von Graz-Thondorf nach Aflenz ausgelagert worden. Angesichts des Luftkrieges der Alliierten bot sich hier das bereits bestehende Stollensystem des Kalksteinbruchs als sicherer, unterirdischer Ort an. Im dazugehörenden Lager wurden insgesamt rund 900 Häftlinge, zum Großteil aus der Sowjetunion und Polen, untergebracht, die Zwangsarbeit im Stollenbau oder in der Produktion verrichten mussten. Viele von ihnen starben an Erschöpfung, wurden „auf der Flucht“ oder während des Todesmarschs im April 1945 zum KZ Ebensee ermordet.

Nun erinnert ein „Denkzeichen“ an die Ermordeten und Toten. Ein internationaler, geladener Wettbewerb, der vom Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark (Projektleitung: Birgit Kulterer) organisiert wurde, erbrachte eine Reihe von Entwürfen, die bereits im vergangenen Jahr im Künstlerhaus Graz präsentiert wurden. Als Siegerprojekt wurde jenes der in Wien lebenden Künstler Helmut und Johanna Kandl ausgewählt.

Ausgangspunkt der Ausschreibung war, dem Thema nicht mit dem repräsentativen Gestus des traditionellen Denkmaltypus oder dem Pathos des geschundenen Körpers zu begegnen. Vielmehr erschien besonders wichtig, dass das Gedenkzeichen nicht nur den Fokus auf das vergangene Unrecht setzt, sondern dass interaktiv weitergearbeitet werden, die Gegenwart Platz haben und sich für die Zukunft einbringen kann. Es gehört damit zu einer neuen Generation innerhalb der öffentlichen Gedenkkultur, für die Interaktion und Prozesshaftigkeit im Vordergrund stehen.

Der Entwurf von Helmut und Johanna Kandl deutet – mit Hilfe unterschiedlicher Medien – das ehemalige Haus des Wachtpostens in ein Wächterhaus um, das die Verfehlungen der Gegenwart aufzeigen und ein Symbol des „Wachsam sein“ werden soll. Die künstlerische Intervention in die historische Bausubstanz wurde dabei auf ein Minimum beschränkt. Nach der konservatorischen Sicherung des Gebäudes als dem materiellen Relikt des geschehenen Terrors wurde mit dem Schriftzug der Ort in seiner alten und neuen Funktion bezeichnet. Die Schrift verfremdet dabei durch ihre Nähe zu Werbeaufschriften den Ort und holt ihn gleichzeitig in einen alltäglichen Erfahrungskontext zurück. Wichtigstes Element war dem Künstlerduo aber der Screen in einem vor der Witterung geschützten Teil des Gebäudes, über den verschiedene Organisationen im Halbjahresrhythmus Informationen über aktuelle Beispiele für Rechtsextremismus und Rassismus einspielen werden. Schließlich wird noch der historische Kontext durch einen Raumtext und ein zur freien Entnahme stehendes Begleitbüchlein vermittelt.

Die feierliche Eröffnung des Gedenkzeichens wurde gerahmt von einem ökumenischen Gebet. Werner Fenz, der Leiter des Instituts für Kunst im öffentlichen Raum, wies in seinem Beitrag darauf hin, dass es bei dem Projekt nicht um eine Stigmatisierung des Ortes und seiner BewohnerInnen gehe, sondern um das Sichtbarmachen des Leides, aber auch der Bedeutungskomponente für die Kriegswirtschaft. Die Gemeinde Wagna, die auch den Grund angekauft hat, war von Anfang an eng in das Projekt involviert. Altbürgermeister Franz Trampusch war als Zeitzeuge Mitglied der Wettbewerbsjury.

WÄCHTERHAUS
Ein Projekt des Instituts für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark in der Landesmuseum Joanneum GmbH

Partner: Marktgemeinde Wagna
Konzeption und Realisierung: Helmut & Johanna Kandl
Projektteam: Birgit Kulterer (Leitung), Werner Fenz, Evelyn Kraus
Umraumgestaltung: Auböck + Kárász, Wien

Verfasser/in:
Antje Senarclens de Grancy, Bericht
Netzwerktreffen
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