31/05/2007
31/05/2007

Kommentar anlässlich des offenen Briefes von Architekt Roger Riewe zum Ergebis des geladenen Wettbewerbs für ein neues Hauptquartier der Styria Medien AG in Graz.

„Wahrscheinlich ist ja alles ganz in Ordnung“, denke ich mir nach der Lektüre der Kleinen Zeitung vom 21. 5. 2007 und versuche mich an den Wortlaut des Gemeinderatsstückes zu erinnern, das wir vor nicht allzu langer Zeit unter der Bezeichnung „Grazer Modell“ einstimmig beschlossen haben.

Von der Qualität sichernden Wirkung der Wettbewerbe war viel zu lesen in diesem Papier, das eigentlich aus der Debatte um die Einführung eines Gestaltungsbeirates hervorgegangen war. „Was, wenn nicht Wettbewerb, kann Investoren dazu bewegen, hohe baukünstlerische Anforderungen zuzulassen“, hatte der zuständige Stadtrat sinngemäß immer betont, wenn es darum ging, eine Reihe von Beispielen nicht Schule machen zu lassen, an denen vermutlich noch Generationen von GrazerInnen kopfschüttelnd vorbei gehen werden, wenn man sich nicht (wie andernorts hin und wieder praktiziert) dazu entschließt, die Dinge einfach nach einer gewissen Nutzungszeit zu sprengen um städtebaulich und/oder baukünstlerisch Besserem Platz zu machen. Andere zweifelten schon damals am von der Investorenseite gegebenen Versprechen, verpflichtend Wettbewerbe auszuloben und deren Ergebnisse zu respektieren und forderten vergebens den Gestaltungsbeirat als kompetent-wachsame Autorität.

„Ich bin mir gar nicht sicher, ob die Styria mit ihrer Vorgangsweise die Bestimmungen des „Grazer Modells“ verletzt hat“, sagt derselbe Stadtrat während der letzten Gemeinderatssitzung, als er von mir auf die Art der Entscheidungsfindung im Fall des Styria-Medien-AG-Hauptquartiers angesprochen wird und ich kann Gerhard Rüsch nicht widersprechen: Ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass im Grazer Modell nichts steht, was diese Vorgangsweise verbieten könnte.

Stell dir vor, wir haben ein „Grazer Modell“ und keiner merkt´s.

Drei, vier, große, für die Stadtgestalt eminent wichtige Flächen wurden in den letzten Jahren beplant und teilweise auch bebaut. Das PVA-Gebäude am Beginn der Eggenberger Allee gehört genauso dazu, wie die diversen Liegenschaften auf und bei der Messe.

Bei Ersterem wurde das Ergebnis eines in letzter Minute durchgekämpften städtebaulichen Gutachterverfahrens insofern erfüllt, als es die im Bebauungsplan gezogenen Baugrenzlinien und Höhenbegrenzungen einhält. Das Ergebnis ist vielleicht nicht „würdig und recht“ aber zumindest wirtschaftlich und rechtens. Die eigentliche Aussage des Siegerentwurfes bleibt der Nachwelt vorenthalten.

Auf der Messe wurde gerade eben ein heiß umstrittener Bebauungsplan beschlossen und somit einem bislang fast einzigartigen Prozedere eine Absage erteilt, als nach erfolglosem ersten Wettbewerb ein allgemein ungeliebtes Projekt wiederbelebt werden sollte. Auch hier wollte nach erfolgreichem zweiten Anlauf niemand an die Durchführung eines Investorenwettbewerbs oder an eine zweite Wettbewerbsstufe denken.

Und umgekehrt ist es nun offenbar im finalen Match um den Sportklubplatz gelaufen. Kein öffentlicher städtebaulicher Wettbewerb als Grundlage für den Bebauungsplan, dann ein zumindest einer breiten Öffentlichkeit vorenthaltenes geladenes internationales Verfahren, das auch ein Siegerprojekt auswies und nun (Überraschung!) eine überarbeitete „vorwettbewerbliche“ Variante, die zur Umsetzung kommt.
Pech für diejenigen, die nur am Spielfeld gewonnen haben. Nur böse denkende Menschen werden das als schweres Foul bewerten und sich fragen, ob da nicht der Ober-Schiedsrichter im entscheidenden Moment weggeschaut hat oder ob er das Ergebnis einfach nicht (wahr)haben wollte. Nicht nur im Sport haben Entscheidungen, die am grünen Tisch fallen, einen schalen Nachgeschmack. Eine öffentliche Präsentation und Dokumentation der Wettbewerbsprojekte wäre das Mindeste, was man sich vom Bauherrn erwarten darf und für den Medienplatzhirschen eigentlich eine Pflichtübung.

Eine Diskussion über die Wettbewerbskultur von Investoren und Architekten, aber auch über den Wert des „Grazer Modells“ steht dringend an.

Mag. Hermann Candussi ist Gemeinderat der Grazer Grünen.

Verfasser/in:
Hermann Candussi, freie Meinung
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