03/10/2013

Architektur: Mettler Landschaftsarchitektur, Berlin. Keine große Gestik, sondern die kleinen Unterschiede waren ihre Planungsziele.

Wettbewerb: 2011 mit conceptlicht at Innsbruck
Eröffnung: 20. September 2013

Conceptlicht at Mils-Innsbruck
Conceptlicht at Mils-Innsbruck
Conceptlicht at Mils-Innsbruck
Conceptlicht at Mils-Innsbruck
03/10/2013

Neue breite Haltestellenbereiche mit erhöhter Sicherheit beim Ein- und Aussteigen. Die '2. Liga für Kunst und Kultur' nutzt sie beim Eröffnungsfest.

Architektur: Mettler Landschaftsarchitektur©: Lupi Spuma - Fine Photography OG

Die neuen breiten Gehsteige in der Annenstraße bieten Platz für die Menschen. Hier mit einer Malaktion der 'Blauen Galerie'.

©: Lupi Spuma - Fine Photography OG

Platz bei der Metahofgasse: Hier entstand einer der Platzbereiche. Beim Eröffnungsfest als Tanzbühne genutzt.

©: Lupi Spuma - Fine Photography OG

Platz bei der Einmündung der Dominikanergasse: Er wurde beim Eröffnungsfest durch eine Aktion des 'Büro der Nachbarschaften' belebt.

©: Lupi Spuma - Fine Photography OG

Der neu gestaltete Esperantoplatz

©: Wolfgang Freitag

Pflasterarbeiten in den Platzbereichen im Sommer 2013.

©: Lupi Spuma - Fine Photography OG

Betonplatten, das Material in den Platzbereichen.

©: Lupi Spuma - Fine Photography OG

Die Annenstraße bietet nach ihrem 7,3 Millionen teuren Neustart ein zwiespältiges Bild.

Vor Jahren wäre die Grazer Annenstraße keine zwei Atemzüge nach ihrer Neueröffnung mit der Wiener Mariahilferstraße in Beziehung gebracht worden. Schließlich wurde letztere ebenfalls erst kürzlich als Fußgängerzone neu aufgestellt. Heute macht man sich mit solchen Vergleichen aber lächerlich. Eine Aufzählung der Unterschiede kann mit Verweis auf ungezählte Berichte zum Thema entfallen. Bleibt zur Einordnung der Ergebnisse noch die Gegenüberstellung von Wettbewerbseinreichung und Ausführung. Hier liegen Traum und Wirklichkeit weit näher aneinander. Allerdings werden in Details doch ein paar Abweichungen klar.

Anders als einige Konkurrenten haben die Architekten des Berliner Büro Mettler Landschaftsarchitektur keine große Gestik avisiert, sondern setzten mit ihrem siegreichen Entwurf auf die kleinen Unterschiede: auf dezent geäußerte Vielsprachigkeit innerhalb eines – seiner Grundidee nach – modernen bzw. geradlinigen Ensembles. Vor allem sollte sich das in Grünkonzept und Bodenbelag ausdrücken: Eine Bepflanzung mit unterschiedlichen Baumarten behübscht im Plan die Plätze und verbessert die Orientierbarkeit. Ob dieses Grünkonzept einmal aufgehen wird, sollen Botaniker entscheiden. Die gepflanzten Bäumchen wirken in ihrer Zartheit noch zu uniform, um dem Laien eine abschließende Beurteilung abzuverlangen. Und ob sich aus der Bepflanzung auch räumliche Verbindungen ergeben werden, soll ebenfalls später noch einmal diskutiert werden. Zwischen Metahofplatz und -park ist das nicht unwahrscheinlich. Auch wenn sich der osmotische Druck zwischen den beiden Bereichen derzeit noch in Grenzen hält, ist er doch allemal größer als jener zwischen Volksgarten und Roseggerhaus, den die Architekten am Plan ebenfalls durch Laubgestöber angedeutet haben.

Der Bodenbelag setzt sich im Entwurf aus unterschiedlichen Oberflächen zusammen. Im Straßenverlauf dominiert Asphalt, klassischerweise unterbrochen von Gehsteigkanten. An den befahrbaren Bereichen der Plätze werden die Granitsteine als kleinteilige Pflasterung verbaut, an den Ruhezonen treten sie glatter, als Platten in unregelmäßiger, schiefwinkelig verfugter Rasterung in Erscheinung. Dem antwortet die Gestaltung der Möblierungselemente. Bei der Umsetzung fällt an mehreren Stellen das Ersetzen des geplanten Kleinsteinpflasters durch Asphalt auf: Am Esperantoplatz sollte ein Kopfsteinpflaster die Hans Ressel Gasse bis zur Arbeiterkammer hin bedecken. Dass es anders kam, lag laut Auskunft der Stadt nicht an Sparzwängen. Die Radfahrer (!) waren dagegen, wollten keine Rüttelpiste. Stattdessen schließt also Asphalt die „Ruhezone“ ein und vermittelt ihr so den Charakter einer möblierten Verkehrsinsel. Am Dominikanerplatz kann selbst von einer „Verkehrsinsel“ nicht mehr gesprochen werden. Hier hat man just den Anschluss der Dominikanergasse zur Kreuzung hin als Behindertenparkplatz ausgewiesen, womit der Individualverkehr die „Ruhezone“ Dominikanerplatz, genau zwischen den dort aufgestellten Bänken, kreuzen muss und also zur „Begegnungszone“ umdeutet.

Dass von den abgehängten Dächern, die in der Einreichung die Haltestellen entlang der Annenstraße begleiteten, keine Rede mehr ist (stattdessen sind Haltestellenhäuschen vorgesehen), wird – angesichts der unzähligen, fragwürdig gestalteten Geschäftsvordächer wohl niemanden in Verzweiflung stürzen. Eine wirkliche optische Aufwertung würde die Annenstraße ohnehin nur nach Entfernung aller werbetechnischen Ungeheuerlichkeiten erfahren (da nützt auch der neue Chick der paarweise abgehängten Leuchtkörper nichts). So etwas gelingt in Graz aber nicht einmal in der Altstadt, worauf Anselm Wagner wiederholt hingewiesen hat.

Asphalt deckt, wie geplant (!), die gesamte Annenstraße, die zwischen Bahnhofgürtel und Roseggerhaus für den KFZ-Verkehr nur noch stadteinwärts befahrbar ist. Den einzelnen Verkehrsteilnehmern sind eigene Bereiche abgesteckt. Niveauunterschiede und Markierungen zeigen an, wer wo zuhause ist. Die Gehsteige sind erheblich breiter als zuvor. Die Kurzparkplätze sind verschwunden, die Straße wirkt erheblich breiter. Die Verkehrsberuhigung funktioniert! Gerade dieser wohl größte Erfolg, den die Neugestaltung für sich verbuchen kann, fällt aber unweigerlich zurück auf den Eindruck, den der viele Asphalt erwecken muss. In der Ausführung wirkt er nun wie eine verkehrspolitische Angstneurose: „Wir können alles im Handumdrehen zurücknehmen, wie 1999“, will er sagen. Die „Trassenlage bietet von allen Varianten die größte Flexibilität für verschiedene Szenarien der Verkehrsorganisation des KFZ-Verkehrs für die Zukunft“, heißt das im Amtsdeutsch. So wird Verkehr zur Zwangsvorstellung!

Peter Laukhardt

Schade um die verpasste Gelegenheit. Warum hat man denn keine Bäume am breiten Gehsteig der Nordseite gepflanzt? Und: eine Pflasterung wie am Lendplatz hätte wohl ein freundliches Bild gebracht. So: eine Asphaltorgie.

Mo. 07/10/2013 4:57 Permalink
Nora Theiss

Das auffälligste an der Neugestaltung der Annenstraße - und da hinkt sie im Vergleich mit der Mariahilfestraße in Wien weit hinten nach - ist, dass schlichtweg die Bäume fehlen. Es formuliert sich augenblicklich die Frage, ob Fußgänger*innen oder Radfahrer*innen die Asphaltwüste lieben, oder ob vielleicht durch eine Baumallee entlang der langen Straße zwichen Südtirolerplatz und Hauptbahnhof Lebensraum geschaffen werden hätte können - für Flanierer wie Bewohner.
Zum Vergleich in Bildern:
http://www.wien.gv.at/verkehr-stadtentwicklung/mariahilfer-neu.html
http://annenviertel.at/annenstrase-neu/

Mi. 09/10/2013 8:51 Permalink
BK

Antwort auf von Nora Theiss

Dem kann ich nur zustimmen. Die Anpassungen die gemacht wurden kann man kritisieren, hinnehmen, gutheissen. Es ist eine Verbesserung. Aber all dieser Aufwand und die Kosten machen doch keinen Sinn ohne gewisse Behaglichkeiten, ergo Aufenthaltsqualitäten über die ganze Länge zu schaffen? Wo sind die Qualitäten die Stadt ausmachen? Wschl. hätten überhaupt nur die Bäume gereicht um die Strasse aufzuwerten? So sieht die Annenstrasse für einen Graz-Besucher auf den ersten Blick nicht viel anders aus als eben vor einigen Jahren... Und warum einen Belag wählen, der Index des Verkehrs ist? Warum keine Pflasterung, keine Platten, kein Leben zulassen?
Es wäre nicht schwer gewesen...
Schade. Schade.

Mi. 09/10/2013 8:05 Permalink
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