05/06/2020

Wieder Sehen

CAMERA AUSTRIA
Ausstellung
Isa Rosenberger …das weite Land, woher sie kommt
bis 30. August 2020
10:00 – 17:00 Uhr

Martin Behr / Martin Osterrider
TRIESTER Band 15

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05/06/2020

Installationsansicht, Camera Austria, 2020. Foto: Markus Krottendorfer

©: CAMERA AUSTRIA

Isa Rosenberger, Loulou Omer tanzt auf der Bühne der VHS Ottakring, 2019. Foto: Reinhard Mayr

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Installationsansicht, Camera Austria, 2020. Foto: Markus Krottendorfer

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Installationsansicht, Camera Austria, 2020. Foto: Markus Krottendorfer

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Porträt Gertrud Kraus, Foto aus Fotoalbum Zipora Omer geb. Lerman

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Martin Behr / Martin Osterrider TRIESTER 15 Edition Camera Austria 2020

©: CAMERA AUSTRIA

Martin Behr / Martin Osterrider TRIESTER 15 Edition Camera Austria 2020

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Nach knapp drei Monaten Zwangspause meldet sich Camera Austria als erste Institution im Kunsthaus Graz zurück. Seit Anfang Juni kann die aktuelle Ausstellung von Isa Rosenberger …das weite Land, woher sie kommt, die ursprünglich am 13.März seine Eröffnung gehabt hätte, besucht werden.

Der Ausdruckstanz war ein Phänomen des frühen 20. Jahrhunderts. Sein Hoch erlebte diese Kunstform in der Zwischenkriegszeit. Es war eine Domäne des Weiblichen. Eine der frühen Ikonen war Martha Graham (1894 – 1991), die 1926 ihre School of Contemporary Dance in Manhattan gründete. „Dance is the hidden language of the soul“, postulierte die bis knapp vor ihrem Tod arbeitende Choreografin.
Ihr deutsches Gegenstück hieß Mary Wigman (1886 – 1973), die bereits 1920 in Dresden ihre New German Dance School eröffnete und maßgeblich für die Entwicklung des Ausdruckstanzes in Europa wurde. Über eine ihrer erfolgreichen Schülerinnen, Gret Palucca, schrieb Wassily Kandinsky in einem Aufsatz: „Palucca verdichtet den Raum, sie gliedert ihn: der Raum dehnt sich, sinkt und schwebt – fluktuierend in allen Richtungen.“
Auch Österreich blieb von diesem expressiven Bewegungsablauf nicht unberührt. Margarete Wallmann (1901 od. 1904 – 1992) wurde bei Wigman ausgebildet, tanzte und inszenierte mehrfach bei den Salzburger Festspielen. Nach dem Anschluss 1938 musste die Jüdin emigrieren und arbeitete in Buenos Aires, einem Schwerpunkt für exilierte Tänzerinnen und Tänzer, weiter. Die Wigman Schülerin Hanna Berger (1910 -1962) aus Wien war in den USA und Berlin erfolgreich. Später beteiligte sich die bekennende Kommunistin aktiv in Wien am Widerstand. In Wien ragten besonders zwei Tänzerinnen heraus. Gertrud Bodenwieser (1890 – 1959) war für ihren hochpolitischen Tanzstil bekannt, der sich offen gegen den Nationalsozialismus stellte. Sie kehrte aus ihrer australischen Emigration nicht mehr nach Österreich zurück. Ebenfalls in ihrem Exil in Tel Aviv blieb Gertrud Kraus (1901 -1977), die in Israel die Modern Dance Kultur mitbegründete. Vor 1938 war das Volksheim Ottakring für Kraus ein maßgeblicher Ort ihrer Tanzperformances. Mitten im traditionellen Arbeiterviertel fanden in der Zwischenkriegszeit hochkarätige Bildungs- veranstaltungen und progressive Kunstaufführungen statt. Die Architekten Loos und Hoffmann, der Erfinder der Isotypie Otto Neurath oder die Schriftsteller Musil und Amery hielten Vorträge. Als Volkshochschule Ottakring existiert dieser Platz nach wie vor.
In der aktuellen Ausstellung der Camera Austria zieht die österreichische Fotografin Isa Rosenberger rund um die ebenfalls noch vorhandene Bühne Erinnerungschleifen für die in Österreich in Vergessenheit geratene Gertrud Kraus. Herzstück ist das 1934 aufgeführte Tanzstück Die Stadt wartet. Vorlage war ein Märchen von Maxim Gorki. Es erzählt von einem Jungen und seines erstmaligen Besuchs einer Großstadt. In einem inneren Monolog durchwandert ein Mensch sein Seelenleben, Ängste und Freude, Verhaltenheit und Neugier eng beieinander. Es ist ein Aufbruch in eine Zeit der Ungewissheit. Von der Gertrud Kraus Performance gibt es kein Bildmaterial. Rosenberger lässt die Tänzerin und Dichterin Loulou Omer, die in Tel Aviv geboren wurde und nun in Wien lebt und deren Mutter Zipora Lerman einst Schülerin von Gertrud Kraus war, diesen Weg auf der Ursprungbühne zurücktanzen. Die Fotografien des Tanzes sind der Rahmen für einen Bilderessay über Kunst und Emigration, der sich in Videos, historischem Material und aktuellen Workshops mit migrantischen Jugendlichen weiter verdichtet.
Am Dienstag 7. Juli um 18 Uhr wird im Rahmen eines Gesprächs mit der Künstlerin das gleichnamige Künstlerbuch zur Ausstellung präsentiert.

Bereits erhältlich ist eine andere Neuerscheinung. Freunde der Vorstadt wird es freuen. TRIESTER Band 15 ist da. Im Gegensatz zu den bisher erschienen dreizehn Fotobänden (Band 10 ist ausschließlich mit Text befüllt), zeigen diesmal die beiden Triester-Siedlungs-Ureinwohner Martin Behr und Martin Osterider nicht Bilder von aktuellen Spaziergängen durch ihr ehemaliges Habitat. Diesmal darf „Sentimentalität“ der heimliche Titel des wie immer ohne Beschreibung auskommenden Bücherls sein. Bilder aus den jeweiligen Privatarchiven feiern das verblassende Bonus-Bild des VWs der Familienfotografie, der Instamatic-Kamera. Mit der Rückblende in die 70er und 80er und spektakulären Bildern eines Federballspiels, von Off-Road Dreiradlerfahren bar jeder Schutzausrüstung oder von Kinderarbeit ohne Gewerkschaftsproteste weitet sich der Blick auf dieses Grätzl um eine historische Dimension. Zwischen den Amateurbildern blitzen immer wieder Aufnahmen des legendären Grazer Pressefotografen Egon Lohr, der heuer 100 Jahre alt geworden wäre, auf. Fortsetzung folgt, garantiert.

Martin Behr / Martin Osterrider
TRIESTER Band 15
Hrsg. von Reinhard Braun.
Edition Camera Austria, Graz 2020
32 Seiten, 14x21 cm
20 SW- und 32 Farbabbildungen.

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