07/11/2007
07/11/2007

150.000 Euro Steuergeld drohen mit dem Baukulturreport ohne konkrete Umsetzung in die Schublade zu wandern.

Bereits seit Oktober 2006 liegt der Erste Österreichische Baukulturreport (BKR) als 500 Seiten starke Expertise vor. Er legt erstmals in kompakter Form dar, welche Bedeutung die Querschnittsmaterie Baukultur in wirtschaftlicher, ökologischer und sozialer Hinsicht für die Österreichische Bevölkerung hat. Ein Großteil der Lebenskosten der Bevölkerung ist Baukulturabhängig, ob es sich um Mieten, Betriebskosten, oder die Schaffung von Wohnraum handelt. Rund 70% des gesamten österreichischen Anlagevermögens entfallen auf Bauten, die meisten ÖsterreicherInnen verbringen rund 90% ihrer Zeit in Gebäuden und praktisch das ganze Leben in gestalteter Umwelt.

Dennoch ist in Österreich im Gegensatz zu einigen anderen europäischen Staaten eine ressortübergreifende Architekturpolitik weder in den politischen Programmen, noch in den Entscheidungs- und Verwaltungsstrukturen verankert. Und auch bei der Bundesregierung scheint sich für Baukultur niemand zuständig zu fühlen.

Der Baukulturreport legt eine Vielzahl an Empfehlungen seitens namhafter Experten vor. Für deren konkrete Umsetzung sowie für die ressortübergreifende Koordination fehlt es derzeit aber an kompetenten Einrichtungen und am entsprechenden Budget. Ein Verlust an Lebensqualität und drastische Kostensteigerungen für die Öffentliche Hand aufgrund der explodierenden Kosten beispielsweise durch die anhaltende Zersiedlung (ca. 22 Hektar pro Tag werden in Österreich in Anspruch genommen), sowie für Ausbau und Erhaltung der Infrastruktur sind die Folge.

Trotz der unmittelbaren Auswirkungen auf die Bevölkerung fand der Baukulturreport keine nennenswerte Berücksichtigung im Regierungsprogramm. Es dauerte acht weitere Monate bis der Baukulturreport im Juli 2007 und nur nach massivem Drängen der AutorInnen durch Bundesministerin Schmied veröffentlicht wurde. Der Ko-Auftraggeber, das Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft, entsendete weder eine/n VertreterIn zur Pressekonferenz, noch wurden Mittel für den Druck und die Veröffentlichung des Baukulturreportes zur Verfügung gestellt.

Weitere vier Monate vergingen, ohne dass konkrete Umsetzungsmaßnahmen seitens der Regierung folgten. Auch auf eine der wesentlichen Forderung des Baukulturreports, die Einrichtung einer ressortübergreifenden Koordinationsstelle für Baukultur konnte man sich, nach ersten positiven Signalen, schließlich doch nicht einigen. Vom Bundeskanzler stehe eine diesbezügliche Entscheidung aus. Bis dato, also über ein Jahr nach Fertigstellung des Baukulturreportes, konnten die Mittel um die Ergebnisse des BKR der Bevölkerung sowie den politischen EntscheidungsträgerInnen in Bund, Ländern und Kommunen näher zu bringen noch immer nicht zugesagt werden.

Im Parlament wurde der Baukulturreport heute lediglich im Kulturausschuss behandelt. Weder für die notwendige Behandlung der Querschnittsmaterie Baukultur in weiteren Ausschüssen des Parlaments noch für eine eingehende Diskussion mit Regierungsmitgliedern anderer, wesentlicher Ressorts wie etwa Umwelt, Wirtschaft oder Verkehr sei nun ausreichend Zeit. Bereits diesen Donnerstag, also zwei Tage nach der ersten Vorstellung im Parlament, wird der Baukulturreport in der Plenarsitzung vom 08.11.2007 enderledigt.

"Es ist zu befürchten, dass - sollte es bei der Plenarsitzung am Donnerstag zu keinen konkreten weiterführenden Beschlüssen kommen - die im Baukulturreport empfohlenen Umsetzungsmaßnahmen auf der Strecke bleiben und somit die Baukultur in Österreich gleich mit "enderledigt" wird", so die SprecherInnen der Plattform Architekturpolitik und Baukultur. So kurzfristig könne man im Nationalrat mehrheitsfähige Entschließungsanträge mit entsprechend nachhaltigen Umsetzungsmaßnahmen wohl kaum einstimmige aus verhandeln.

Die Plattform für Architekturpolitik und Baukultur fordert die zuständigen PolitikerInnen deshalb auf, die wesentlichen drei Forderungen als Entschließungsanträge zu verabschieden:

1. Die Bundesregierung möge das Thema Baukultur in allen Ressorts seiner im Baukulturreport gezeigten Bedeutung entsprechend Rechnung tragen. Insbesondere betrifft das die Bereiche Wirtschaft, Bildung/Kultur, Umwelt und Verkehr, für die ressortübergreifend geeignete Ziele und Maßnahmen auf der Grundlage des Baukulturreport zu entwickeln und umzusetzen sind. Eine Koordinationsstelle für Baukultur ist im Bundeskanzleramt umgehend einzurichten. Deshalb fordere die Plattform Architekturpolitik die Einrichtung einer interministeriellen Koordinationsstelle für Architekturpolitik, sowie eines unabhängigen Beirates für Baukultur als Beratungsgremium der Regierung.

2. Beauftragung einer Kompaktversion (Kurzfassung für BürgermeisterInnen und Bevölkerung) sowie der österreichweiten Verbreitung des Baukulturreports.

3. Anfang 2008 müsste die Beauftragung des Zweiten Österreichischen Baukulturreports 2010 erfolgen.

KONTAKT:
DI Volker Dienst
Sprecher der Plattform Architekturpolitik und Baukultur
c/o Krugerstraße 17/2, 1010 Wien
volker.dienst@architekturpolitik.at
M 0676/33 79 224
T 01/513 08 95

Verfasser/in:
Plattform Architekturpolitik
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