26/08/2008
26/08/2008

Nadja Brachvogel, Rudi Widerhofer

Monica Reyes, Martin Horn

C. C. Weinberger, Anita Gramser

Rudi Widerhofer. Fotos: © Klammer/dramagraz

"ÜBERGEWICHT, unwichtig: UNFORM"
Werner Schwabs europäisches Abendmahl in der Inszenierung von dramagraz.

Einige Jahre lebte der in Graz geborene Dramatiker Werner Schwab (1958-1994) in der Gemeinde Kohlberg im Bezirk Feldbach, bevor er zum Erfolgsautor der deutschsprachigen Theaterszene der 1990er Jahre avancierte. Vier Stücke hat Werner Schwab als „Fäkaliendramen“ zusammengefasst, darunter ÜBERGEWICHT, unwichtig: UNFORM. Ein europäisches Abendmahl mit dem er 1991 (Uraufführung im Schauspielhaus Wien) seinen Durchbruch erlebte.

Die Figuren von Werner Schwab, „vor allem jene der frühen Dramen, sind allesamt Randexistenzen“, schreibt Regisseur Ernst M. Binder, in seiner 34-seitigen Material- und Essaysammlung, die aktuelle Stückinszenierung von dramagraz begleitend. Wenn Schwab sich in seinem Theatertext noch an spezifisch österreichische Provinzphänomene heranarbeitete, so werden in der Inszenierung von Ernst M. Binder die österreichischen Verhältnisse zum trefflich überzeichneten Mikrokosmos, in dem sich europäische Proportionen widerspiegeln: „Europa ist das andere“, hält Binder fest, und das Andere (im geografischen und psychischen Inneren), müsste man den Umkehrschluss führen, kann nicht europäisch sein. Eine „Dekonstruktion des abendländischen Bewusstseins“, liest Binder aus dem Text und legt seine Inszenierung dementsprechend an.

Im Gastzimmer einer Wirtschaft treffen gescheiterte Existenzen aufeinander. Keiner kommt mit sich selbst zurande. Der Semiintellektuelle Jürgen (Martin Horn) versucht in etlichen Suaden sich selbst und die anderen noch zu bluffen – aber bald ist ein erstes Opfer gefunden, an dem die eigene Unzulänglichkeit kompensiert wird. Fotzi (Monica Reyes) „benimmt sich idiotisch, um sich abzugrenzen“ (Schwab) und hat damit zunächst scheinbar Erfolg, während das spießige Ehepaar Hasi (Nadja Brachvogel) und vor allem Schweindi (Rudi Widerhofer) sich mit den Charakterschwächen von Karli (C. C. Weinberger) und Herta (Anita Gramser) beschäftigen. Beklemmend und grandios ist Widerhofers Spiel, der mit immensem Körpereinsatz geifernd und schreiend Heimat und Brot verteidigt. Einig ist man sich allein gegenüber dem bisher unbeteiligten Liebespaar (Margot Binder und Werner Halbeldl) – das Geschmuse wird wohl auch dem Publikum langsam zu viel –, gegen dieses geht man nun gemeinsam vor. Die beiden werden kurzerhand geschlachtet und im Bild des christlichen Abendmahls vor EU-Fahne gefressen. Das Kommende ahnend und auf Drohendes verweisend spielt Fotzi, in ihren Kühlschrank zurückgezogen, bis dahin immer wieder zwei Handpuppen: einen Tod und einen Teufel – zugleich tragisch wie komisch.

Es spielen: Martin Horn, Rudi Widerhofer, Nadja Brachvogel, Monica Reyes, Anita Gramser, C. C. Weinberger, Ingrid Höller, Werner Halbedl, Margot Binder.

Regie. Ernst M. Binder, Dramaturgie: Alexandra Rollett, Musik: Rainer Binder-Krieglstein, Bühne: Carlos Schiffmann, Kostüme: Katharina Scheicher, Licht: Geari Schreilechner, Regieassistenz: Maik Priebe, Ausstattungsassistenz: Elisabeth Schleicher, Technische Leitung: Geari Schreilechner, Produktionsleitung: Andrea Speetgens, Bühnenmeister: Andreas Platzer, Bühnenaufbau: Thomas Mörschbacher, Richard Rollett.
Eine Koproduktion von dramagraz, regionale08 und steirische kulturinitiative in Zusammenarbeit mit dem Stadtmuseum Graz.

Weitere Vorstellungen: täglich bis einschließlich 30. August im Innenhof des Grazer Stadtmuseums und am 3. September, im Rahmen der regionale 08, in der Mehrzweckhalle Frutten-Gießelsdorf, Beginn jeweils um 20.30 Uhr.

Verfasser/in:
Wenzel Mracek, Empfehlung
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