01/04/2012
01/04/2012

21.03.2012, der Baukulturreport 2011 wurde von der plattform baukultur vorgestellt

Jedem Kuhdorf sein Gewerbegebiet, jedem Bürger sein Einfamilienhaus mit Garten– das gilt dem Gros hiesiger Bürgermeister immer noch als oberste Maxime der Ortsentwicklung. Und wie steht es um Alternativen? Nachrichten aus dem neuen Baukulturreport.

Raumplanung ist Politik“, lautete kürzlich die Conclusio eines Symposiums in St. Pölten zur Frage, warum planungspolitische Entscheidungen so oft und so krass fachlichen Empfehlungen widersprechen. Raumplanung werde hierzulande eben nicht als eigenständige Materie angesehen, so das ernüchternde Fazit erfahrener Planer aus Wissenschaft, Praxis und Verwaltung, sondern diene als Instrument zur Durchsetzung politischer Interessen. Wofür die österreichische Kulturlandschaft flächendeckend den Beweis antritt, in allen neun Bundesländern, in den meisten der 2357 Städte und Gemeinden – und das nicht nur dem visuellen Anschein nach.

Indikatoren wie der Verbrauch an Siedlungsfläche, der sich je nach Berechnung zwischen 17 und 24 Hektar – pro Tag! – und somit beim Zehnfachen des bundespolitischen Zielwerts bewegt, Maßzahlen wie der immer noch steigende Motorisierungsgrad von derzeit 512 PKW pro 1000 Einwohner – ein Spitzenwert innerhalb der EU – oder auch das ungebrochene Wachstum an Einzelhandelsflächen in Randlagen, das viele Orts- und Stadtzentren an den Rand des Aussterbens gebracht hat, belegen, dass den im Baukulturreport 2006 konstatierten, aber schon vor mehr als 20 Jahren als Fehlentwicklungen erkannten Tendenzen bis dato nichts oder viel zu wenig entgegengesetzt wurde, sprich: dass die Siedlungs- und Verkehrspolitik der vergangenen Jahrzehnte in hohem Maß verantwortungslos war und ist. Die Verantwortungslosigkeit beginnt bei der Bundespolitik, die die Raumordnung an die Länder delegiert, aber keine nennenswerte Koordinationsaufgaben übernimmt – geschweige denn verbindliche Entwicklungsziele definiert, wie das in allen ernst zu nehmenden Planungskulturen Europas der Fall ist. Gleichwohl bestimmt der Bund mit seiner Verkehrs- und Infrastrukturpolitik, mit seiner Umwelt- und Energiepolitik und nicht zuletzt mit seiner Wirtschafts- und Finanzpolitik faktisch wie kein anderer die räumliche Struktur Österreichs, freilich ohne seine sektoralen Politiken aufeinander abzustimmen oder gar an raumplanerische Ziele zu koppeln.

Die Verantwortungslosigkeit setzt sich auf Ebene der Bundesländer fort, wo mit wenigen Ausnahmen eine ganzheitliche Regionalplanung mit klaren Vorgaben für die Ortsplanung als ungebührlicher Eingriff in kommunalpolitische Agenden angesehen wird. Was nicht verwundert, sind die gesetzgebenden Organe der Raumordnung, namentlich die Landtage, doch nichts anderes als eine Vollversammlung der einflussreichsten Bürgermeister eines Landes, die naturgemäß wenig Interesse daran haben, der Kirchturmpolitik der Städte und Gemeinden einen Riegel vorzuschieben. Womit wir bei der Verantwortungslosigkeit auf kommunaler Ebene wären: Jedem Marktflecken sein Fachmarktzentrum, jedem Kuhdorf sein Gewerbegebiet und jedem Bürger sein Einfamilienhaus mit Garten – das gilt dem Gros der Bürgermeister immer noch als Maxime der Ortsentwicklung.........

.....Umso erstaunlicher sind die – im aktuellen Baukulturreport versammelten – zukunftsweisenden Ansätze quer durch Österreich, die nicht nur zeigen, wie es anders gehen könnte, sondern auch vor Augen führen, dass eine nachhaltige Entwicklung dem politischen Erfolg keinesfalls im Wege steht.....

Verfasser/in:
Reinhard Seiß, am 24.03.2012 im SPECTRUM der Presse
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