28/10/2011
28/10/2011

Am Podium (v.li.): Dr. Bernhard Wisleitner, DI Gerald Fuxjäger, Arch. DI Georg Pendl, Dr. Felix Ehrnhöfer.

Blick ins Publikum. Fotos: ZT Kammer für Stmk. und K

Am Montag, dem 17.10 lud auch die ZT-Kammer für Steiermark und Kärnten in Graz ihre Mitglieder zur (Strategie-)Informationsveranstaltung „Zukunft der Wohlfahrtseinrichtungen“ ein.
Am Podium informierten Arch. DI Georg Pendl (Präsident der bAIK), Dr. Felix Ehrnhöfer, (Generalsekretär der bAIK) und Dr. Bernhard Wisleitner (Geschäftsführer Wohlfahrtseinrichtungen) über den aktuellen Verhandlungsstand mit den zuständigen Ministerien, moderiert von Länderkammerpräsident DI Gerald Fuxjäger.

Im Kern geht es, neben der zukünftigen Unfinanzierbarkeit des derzeitigen Leistungsniveaus der Wohlfahrtseinrichtungen (WE), um zwei Ungerechtigkeiten gegenüber den anderen österreichischen Pensionssystemen: zum einen um den fehlenden Bundeszuschuss und zweitens um die verlorene Anwartschaft im staatlichen System.
Die WE, die gesetzliche Pensionsversicherung (inkl. Sterbekassenfonds, Hinterbliebenenpension und Berufsunfähigkeitspension) ist seit 1969 bundesgesetzlich, anstelle der staatlichen Systeme, geregelt und wird seit jeher ohne Bundeszuschüsse finanziert. Der Staat fördert im Schnitt alle pflichtversicherten Berufsgruppen mit 25 bis 30 %, die Beamten und Bauern sogar mit etwas mehr. Eine Tatsache, die auch EU-rechtlich nicht unrelevant ist.

Erworbene Versicherungszeiten im ASVG oder GSVG, z. B. Zeiten als Angestellter im Rahmen der Pflichtpraxis oder von Angestelltenjobs während der Studienzeit, verfallen, wenn nicht in diesen Pensionssystemen 15 Versicherungsjahre erreicht werden. Alle angesammelten Jahre darunter verfallen. Die Statistik zeigt, dass die Kammermitglieder dadurch relativ wenige versicherungswirksame Jahre erreichen, auch bedingt durch ihren späten Eintritt in die Kammer: Das durchschnittliche Pensionsantrittsalter liegt derzeit bei 68 Jahren mit ca. 30 Jahren Kammerzugehörigkeit. Durchschnittlich verlieren die Mitglieder acht Versicherungsjahre. Das Problem dieser verlorenen Anwartschaften wäre mit einem Übertritt bzw. einer Überführung der WE in das Freiberufler Sozialversicherungsgesetz (FSVG) lösbar.
Zudem stelle diese Ungleichbehandlung einen massiven Wettbewerbsnachteil dar, führte Gerald Fuxjäger aus, der bereits zu einem feststellbaren Manko an Neumitgliedern bzw. zur Abwanderung vom „Nachwuchs“ in andere naheliegende Berufszweige führe. „Wir haben keinen Nachwuchs. Die Ingenieure werden seit Jahren weniger. Der jüngste Raumplaner ist fünfzig. Die Architekten haben Nachwuchs. Bei den Architekten reicht die Berufsbezeichnung, um attraktiv genug zu sein und die Vermesser haben Nachwuchs, weil es die einzige Möglichkeit ist, Grundstücksteilungen durchzuführen.“ Die Kammer hat derzeit rund 7862 Mitglieder (Stand 01.01.2011), etwas mehr als die Hälfte davon sind bereits ArchitektInnen.
Die WE, in der rund 4380 ZiviltechnikerInnen mit aufrechter Befugnis einzahlen müssen, war zuletzt auch zentrales Thema im „Wahlkampf“ rund um die ArchitektInnenländerkammerwahl (Wien, NÖ, Burgenland) und die Delegiertenwahl für die Bundessektionen am 1. Juni 2010. Die Unabhängige Initiative Pensionsversicherung ZiviltechnikerInnen forcierte in der Folge das Thema mit einer Unterschriftenaktion (rund 1043 Unterschriften / GAT berichtete) und erneuerte ihre Forderungen nach einer Totalüberführung des Systems in einer E-Mail-Aussendung kurz vor der Informationsveranstaltung in Graz.

Dass sich im Pensionssystem etwas ändern muss, ist schon seit Längerem bekannt. In der Vergangenheit gab es auch zahlreiche Reformbestrebungen bzw. die Bestrebung nach Systemüberführung. Sie alle scheiterten an der internen Uneinigkeit und an der fehlenden Verhandlungsbereitschaft seitens der beiden zuständigen Bundesministerien für Soziales und Wirtschaft. Eine grundlegende Änderung der WE braucht aber den politischen „Goodwill“, da es sich bei der WE um eine Regelung auf bundesgesetzlicher Ebene handelt.

Als wesentliche und wichtige Tatsache stuft daher Gerald Fuxjäger die gegenwärtige Situation innerhalb der Kammer ein: „Seit dem letzten Winter, nach der Kammerwahl, ziehen nun alle Gremien an einem Strang. Wir sind rechtlich und gutachterlich gut aufgestellt und befinden uns jetzt in der politischen Phase. Ziel ist es, heuer eine gemeinsame politische Strategie zu finden.“ Hierzu wurde eine Steuerungsgruppe (*) installiert, mit dem Ziel, auch auf administrativer Ebene Lobbying zu betreiben.

„So weit waren wir noch nie!“, proklamierte Georg Pendl, „das Thema ist bei den zuständigen Ministern Rudolf Hundstorfer [BM für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz] und Reinhold Mitterlehner [BM für Wirtschaft, Familie und Jugend] bereits etabliert.“ Allerdings gibt es noch keine Zusagen oder Vereinbarungen.
Was es seit heuer gibt, ist ein versicherungsmathematisches Gutachten, dessen Parameter der Gutachter, die Heubeck AG (D), mit den Experten der Ministerien akkordiert hat und die Szenearien einer weitergeführten WE mit dem Versicherungsübertritt gegenüberstellt. Dieses, von beiden Seiten akzeptierte Gutachten ist nun Entscheidungsgrundlage für die Politik.

Des Weiteren wurden die Kammer und das Wirtschaftsministerium als Aufsichtsorgane vor Kurzem vom Rechnungshof geprüft. Am 14. Oktober gab es ein Abschlussgespräch mit Präsentation eines Vorberichtes, der die finanzielle Überlastung der WE bestätigte. Mit dem Abschlussbericht ist frühestens Ende des Jahres zu rechnen.

Die Argumente in der Sache sind gut, dafür spricht auch die politische Absicht zur Harmonisierung der Pensionssysteme in Österreich. Allerdings drängt die Zeit, denn die nächsten Bundeswahlen stehen mit 2013 an. Daher setzt Georg Pendl mit Anfang 2012 ein klares Zeitlimit, wo die Sachlage klar entschieden werden muss.

Es gibt im Grunde drei Szenarien: Die angestrebte Totalübernahme bzw. Überführung in das Freiberufler Sozialversicherungsgesetz (FSVG) mit Übergangssystem, eine Teilüberführung oder es bleibt eben alles beim Alten. Letzteres bedeutet auf jeden Fall, dass es kontinuierlich zu Leistungsabstrichen in der WE kommen muss, um diese zu erhalten. Dazu liegt bereits ein Maßnahmenkatalog vom WE-Kuratorium vor.
Gegenstand der Verhandlungen mit den Ministerien ist jedenfalls die Einbeziehung der ZiviltechnikerInnen in das FSVG. Das könnte im Detail bedeuten, dass die Beiträge ab Einbeziehung nur mehr an die SVA gezahlt werden und es keine Beitragspflicht in der WE mehr gibt. Die WE-Pensionen werden bis zum Vermögensabbau aus der WE finanziert, danach durch den Bundesbeitrag getragen. Laufende Pensionen sollen nicht betroffen sein. Der Sterbekassenfonds ist nicht Teil der Verhandlung und bleibt als Leistung der Kammer erhalten. Die kolportierte Altersgrenze liegt bei 50, darunter wird automatisch in das FSVG einbezogen, darüber soll es nach Wunsch der Kammer für alle ein Wahlrecht zwischen FSVG und WE geben.

Angestrebt wird die Totalübernahme, allerdings, fügt Pendl an, „nicht um jeden Preis. Sollte sich eine Totalübernahme massiv hinauszögern, ist eine Teilübernahme eine gute Option, bevor es gar keine Verbesserung geben wird.“

Der nächste Schritt wird noch heuer die Einbringung eines Entschließungsantrags (Resolutionsrecht) in den Nationalrat sein, natürlich in Abstimmung mit dem Sozial- und dem Wirtschaftsministerium. Diese Anträge können von Abgeordneten bzw. von Ausschüssen eingebracht werden. In Folge werden sie dem zuständigen Ausschuss zugewiesen und dort vorberaten. Der Entschließung kommt politische Bedeutung zu. Das impliziert allerdings keine rechtliche Verpflichtung zur Umsetzung. Es heißt aber, dass das Thema erstmalig im Parlament auf der zu behandelnden Agenda steht.

Felix Ehrnhöfer betonte die Wichtigkeit und Notwendigkeit, sich auch politisch aktiv einzubringen und fordert die ZiviltechnikerInnen dazu auf, die politischen Netzwerke für die Sache zu gegebener Zeit, bei Einbringung des Entschließungsantrages, entsprechend zu nutzen und geschlossen aufzutreten.

Zudem wird es in den nächsten Wochen eine Online-Umfrage unter allen Mitgliedern zu verschiedenen interessenspolitischen Fragen und zur WE geben. Die Kammer ruft daher zu einer regen Teilnahme und Unterstützung ihrer Bestrebungen durch ihre Mitglieder auf. Um eine weitgehende Transparenz nach außen für an der Sache interessierte Nichtmitglieder zu ermöglichen, hat die Kammer eine Seite auf Facebook eröffnet.

(*) Mitglieder der Steuerungsgruppe sind:
Georg Pendl (Präsident der bAIK), Rudolf KOLBE (Vizepräsident der bAIK und Kammerpräsident OÖ, Sbg.), Walter Stelzhammer (Kammerpräsident W, NÖ, Bgl.), Gerald Fuxjäger (Kammerpräsident Stmk., Ktn.), Alfred Brunnsteiner (T, V) sowie Joachim Kleiner (Vorsitzender des WE-Kammertagsausschusses), Andreas Neukirchen (Vorsitzender des WE-Kuratoriums), Wilhelm Neier (Stv.-Vorsitzender des WE-Kuratoriums), Felix Ehrnhöfer (Generalsekretär der bAIK), Hans Staudinger (Kammerdirektor W, NÖ, Bgl.), Bernhard Wisleitner, (Geschäftsführer Wohlfahrtseinrichtungen).

Verfasser/in:
Petra Kickenweitz, Bericht
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