25/07/2003
25/07/2003

Jour fixe zum Thema Wohnbau in der Kammer am 03.07.2003: v.l.: Dipl.Ing. Wolf Dietrich Schoeller, Dipl.Ing. Johann Tatzl, Dr. Siegfried Kristan, Anne Martischnig, Architekt Dipl. Ing. Werner Nussmüller, Brigitta Tauber

Dipl.Ing. Wolf Dietrich Schoeller

Dipl.Ing. Johann Tatzl, Dr. Siegfried Kristan

WOHNBAU IM DIALOG

Die Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten lud diesmal im Rahmen der "Jour fixe - Gespräche" Vertreter der Wohnbauförderung und der örtlichen Raumplanung.

Geladene Gäste der Gesprächsrunde am 03.07.2003:
Dr. Siegfried Kristan, Dipl.Ing. Johann Tatzl, beide Abteilung 15 Wohnbauförderung, Land Steiermark,
Dipl.Ing. Wolf Dietrich Schoeller, Fachabteilung 16B Örtliche Raumplanung, Land Steiermark.

Grund und Anlass ist die zurzeit höchst unzufriedenstellende Situation im Wohnbau auf der Suche nach Lösungsansätzen, die nur über eine breitangelegte und fundierte Auseinandersetzung zum Thema gefunden werden können. Architekten, vom Selbstverständnis ihres Berufsbildes einerseits kompetent für die qualitätvolle Planung, andererseits aber auch Mittler zwischen Entscheidungsträgern, Fachleuten (vom Klimatechniker bis zum Soziologen) bis zum Bewohner und seinen Bedürfnissen wurden als Berufsgruppe in den letzten Jahren zunehmend aus dem Prozess des Wohnungsbaus verdrängt.

Konkret:

- Abnahme von baukünstlerischen Wettbewerben:
Zum Stagnieren des Wohnungsmarktes und -bedarfes sowie zur Reduktion der Wohnbauförderungsmittel kam die sukzessive Abnahme von baukünstlerischen Wettbewerben, aus deren Ideenpool in den 80er Jahren bekannterweise eine breite Palette an hochwertigen Wohnbauten generiert werden konnte. Diese offenen Wettbewerbe wurden im Zuge der politischen Wende mit Michael Schmid als Wohnbaulandesrat abgelöst von Gutachterverfahren mit wenigen geladenen Teilnehmern. Auch wenn die Anzahl dieser Gutachterverfahren in dieser Zeit sehr hoch war (im Schnitt ca. 16 pro Jahr), konnte diese Art der Verfahren und der Planungsvergabe keine qualitative und inhaltliche Entwicklung des Wohnbaus sicherstellen.

- Aneignung öffentlicher Bauvorhaben durch Genossenschaften:
Mit einer Mischnutzung aus Wohnen und anderen öffentlichen Funktionen werden Wettbewerbe wie sie für öffentliche Bauvorhaben vorgesehen sind umgangen und Aufträge direkt an Genossenschaften vergeben. Ein Umstand, der einer fairen Vergabekultur, die eine Qualitätssicherung zu leisten imstande wäre, diametral entgegengesetzt ist.

- Problemfeld Gemeindehochbau:
Vor allem in diesem Bereich wäre es notwendig, eine bessere Projektvorbereitung sowie prozessbegleitende Maßnahmen zu initiieren, um wieder einen Qualitätslevel zu erreichen.

- Neue Anforderungen im Wohnbau aufgrund gesellschaftspolitischer Veränderungen:
Eine umfassende Auseinandersetzung mit dem Wohnbau unter Berücksichtigung der gegenwärtig stattfindenden gesellschaftlichen Veränderungen ist zu führen und zu bündeln, um tragfähige Modelle auszuarbeiten, die diesen neuen Ansprüchen und Bedürfnissen gerecht werden können.

Bereits mit Antritt von Gerhard Hirschmann als Wohnbaulandesrat wurde ein "Positionspapier der Architekten zum Wohnbau in der Steiermark" als Basis einer zu führenden Diskussion übergeben. (siehe weiterführender Link)

Probleme aus der Sicht der Wohnbauförderung:

- permanente Gesetzesänderungen und damit verbundene Verwaltungsaufwände
- prekäre finanztechnische Bedingtheiten durch Einsparungen und Kürzungen (Maastricht)
- eine Nichtverfügbarkeit über gebundene finanzielle Mittel sowie ein Unverhältnis zwischen operativem Budget und Neuverpflichtungen.
- Verzögerung der Erstellung einer Bedarfsanalyse für den Wohnbau durch das Fehlen der Ergebnisse der Haushaltszählung

Anregungen seitens der Architekten:

- Beteiligung der Architekten an der Kategorisierung:
Bei diesen Kategorisierungsrunden werden die Weichen gestellt, ob ein Wohnbauvorhaben eine Eigenplanung bzw. ein Direktauftrag sein kann, oder einem Gutachterverfahren bzw. einem offenen Wettbewerb unterzogen wird.

- Beteiligung der Architekten als ergänzende unabhängige Fachkompetenz am Wohnbautisch, ähnlich einem Juror bei einem Wettbewerb:
An diesem "Tisch" werden unter anderem Eigenplanungen und Direktvergaben beurteilt.

- den Wohnbau wieder zu einem öffentlichen Anliegen zu machen, sowohl in Form von öffentlich geführten Diskussionen als auch in Bezug auf eine bessere Vergabekultur.

Die Dialogbereitschaft und Kontaktaufnahme ist ein weiterer Schritt, den Wohnbau in der Steiermark wieder zum zentralen Anliegen nicht nur der Architektur zu machen.
Denn "Wohnen ist ganz sicherlich eines der wichtigsten Dinge über den Aufenthalt des Menschen in der Welt und seine Selbstdefinition in Raum und Zeit". (Alfons Dworsky)

Verfasser/in:
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