18/08/2009

Weil wir einen verantwortungsvollen Umgang mit den Ressourcen pflegen, den steigenden Energiekosten entgegenwirken und kommunale Budgets entlasten sollten, ist es das Gebot der Stunde, einen sorgsameren Umgang mit der Ressource Boden und dem Gebäudebestand zu pflegen.

Gepaart mit kreativen, innovativen Wohnkonzepten zur Verdichtung unserer Lebensräume kommt auf ArchitektInnen, Stadt- und RaumplanerInnen eine enorme Herausforderung zu.

Wie wollen – können – werden wir wohnen?

18/08/2009

Baugruppenhaus Marienburgerstraße, Berlin von heinhaus-architekten. Foto: Architekten

Die aktuelle österreichische Wohntrend-Studie "Umbruchstimmung beim Wohnen" von Andrea Baidinger/ Gallup Institit nimmt das auf, was in ganz Deutschland bereits im 2. Halbjahr 2007 unter dem Titel "Wie wollen - können - werden wir wohnen?" öffentlich abgehandelt wurde.

Menschen rücken wieder näher zusammen. Sie werden nicht mehr vornehmlich in Einfamilienhäusern, sondern in Wohnungen in den Städten leben. Kurze Wege zwischen Wohnen und Arbeiten, gute Ausbildungsmöglichkeiten, kulturelle Vielfalt usw. erleichtern nicht nur ihren Alltag, sondern erzeugen auch ein intensives Lebensgefühl. Gefragt sind aber nicht mehr 0/8/15 Wohnungen, sondern qualitativ hochwertiger Wohnraum mit attraktiven privaten Freiräumen in guten Lagen. Dann tauscht man den Garten im Grünen auch gern gegen eine Dachterrasse, eine große Loggia, einen Wohnbalkon in der Stadt ein. Urbane Plätze und Grünräume mit entsprechender Aufenthaltsqualität sind ohnedies common sense, wenn auch nicht immer und überall verwirklicht.

Eine der zukunftsträchtigsten Alternativen im Wohnbau gründet sich jedoch auf die Einbeziehung der Nutzer in den Planungsprozess. Im Idealfall finden sich diese schon im Vorfeld und organisieren sich zu einer Gruppe, die ihre Planer, Baubegleiter und Umsetzer selber findet. Wenn die späteren Bewohner ihr zukünftiges Lebensfeld mitgestalten können, entstehen Lösungen, die neue Qualitäten schaffen: Getragen von Bewohnern, die aufgrund des gemeinsamen Planungsprozesses ein hohes Maß an Identifikations- und Verantwortungsgefühl entwickeln, sich überdurchschnittlich sozial und kulturell in ihrem Umfeld engagieren und damit einen neuen Standard sozialer Nachhaltigkeit setzen. Jede Stadt, die solche Bürger anzieht und ihnen Raum zur Entfaltung gibt, kann nur profitieren - ideell, sozial, kulturell und ökonomisch.
Diese positiven Wirkungen, werden von deutschen Städten als Chance für die Entwicklung und Sanierung städtischer Viertel erkannt, weshalb sie diese Gruppen und Projekte entsprechend unterstützen und fördern. Nicht unbedingt mit Fördergeldern, sondern indem sie die Akteure (Grundstücks- bzw. Objektbesitzer mit Wohnungssuchenden und Architekten) vernetzen, sie über freie Grundstücke und laufende Projekte von Baugruppen informieren. Indem sie Beratungsagenturen einrichten und Leitfäden für Baugruppen verfassen.

In Hamburg machen Baugruppenprojekte aktuell 6 – 7% der gesamten realisierten Wohnbauleistung aus. Die Stadt hat eine Agentur zur Vergabe von Grundstücken an Baugruppen eingerichtet und 2008 die Vergabe städtischer Grundstücke von 15 auf 20% erhöht.

In Berlin-Mitte (innerhalb des S-Bahnringes) wurden in den letzten 5 bis 6 Jahren 15% der Wohnbauleistung durch Baugruppen erbracht. Wie der Berliner “Tagesspiegel” am 16. Mai 2009 berichtet, wurde vom Liegenschaftsfonds ein Bauplatz zum ersten Mal im Festpreis- und nicht im Bestbieterverfahren an eine Baugruppe verkauft. Ihr Nutzungskonzept beinhaltet neben der obligatorischen ökologischen Bauweise ein über das eigene Haus hinausgehende soziokulturelle Konzeption, womit die Gruppe den anderen 18 Baugruppen-Mitbewerbern überlegen war. Der absolute Spitzenreiter bei Baugruppenprojekten ist Tübingen mit mehr als 50% der gesamten realisierten Wohnbauleistung.

In Österreich bewegen sich die Zahlen bei Baugruppenprojekten seit 20 Jahren nicht besonders. Wien hat aktuell 5 Projekte, in ganz Österreich sind es 14. Der jüngste Ruf nach Baugruppenprojekten veranlasste die Wohnbauforschung Wien, eine Untersuchung zu beauftragen, an der aktuell Mag. Robert Temel gemeinsam mit Kollegin Lorbeck und dem Sozialforschungsinstitut Sora arbeitet. Es werden Wohnprojekte in ganz Europa untersucht, die (unabhängig von ihrer Rechtform) gemeinschaftlich orientiert, partizipativ und in Selbstverantwortung der zukünftigen Bewohner entstanden sind. Ziel der Studie ist, aufzuzeigen wie diese Modelle in Wien unterstützt werden können.

Wollen wir einen verantwortungsvollen Umgang mit den Ressourcen pflegen, den steigenden Energiekosten entgegenwirken und darüber hinaus noch die kommunalen Budgets entlasten, ist es unumgänglich, die städtischen Infrastrukturen optimal auszunutzen. Ein sorgsamer Umgang mit dem Bestand gepaart mit kreativen individuellen Wohnkonzepten zur Verdichtung der Lebensräume ist die Herausforderung für Politik und Planung der nächsten Zeit.

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