19/02/2009

Themen und Termine der Artikelserie:

19.02.09: Leitartikel. Wohnbau:Alternative:Baugruppen

05.03.09
: Wohnbau für Frauen von Frauen

26.03.09: Gemeinsam wohnen in der Stadt, Neubauprojekte

16.04.09: Revitalisierungs- und Umnutzungsprojekte

07.05.09: Situation des Wohnbaus in Österreich.

20.05.09: Was spricht gegen selbst gestaltet?

28.05.09: Erfahrungsbericht einer Baugruppe in Vorarlberg.

04.06.09: Gemeinsam statt einsam

15.06.09: Soziologische Betrachtung des Wohnens als sozialer Ort

16.06.09: Partizipativer Wohnbau Steiermark und Kärnten

19/02/2009
©: W:A:B - Wohnbau:Alternative:Baugruppen

Projekt: "A52 - ten in one", Anklamerstr 52, Berlin-Prenzlauer Berg, Arch. roedig + schop, Berlin. ::::: Das fertige Haus der 10 Bauherrn in der Anklamerstraße, Foto: roedig + schop.

Projekt A52: Die Baugruppe bei der Planungsarbeit mit den Architekten.Foto: roedig +schop.

Projekt A52: In der Baugrube legen die Baugruppenarchitekten selbst Hand an, Foto: roedig +schop.

Projekt A52: Baugruppenworkshop im fast fertigen Gemeinschaftsraum im Dachgeschoss, Foto: roedig + schop

Projekt: "e3", 7-geschossiger Holzbau, Esmarchstraße 3, Berlin-Prenzlauer Berg,Arch: kaden-klingbeil, Berlin ::::: Ausschnitt Straßenansicht, offenes Treppenhaus, Stege zu den Geschossen mit teilweise halböffentlichen Freiräumen vor den Wohnungen, Foto: kaden-klingbeil

Projekt e3: Ausschnitt Straßenansicht, offenes Treppenhaus, Stege zu den Geschossen mit teilweise halböffentlichen Freiräumen vor den Wohnungen, Foto: kaden-klingbeil

Projekt e3: Beispiel eines Innenausbaus mit Holzfussboden und Holzdecke, Foto: kaden-klingbeil

Projekt "Sargfabrik" und "Miss Sargfabrik" von BKK-3 Architekten, Matznergasse und Missindorfstraße, Wien-Penzing, gemeinschaftlich geplant und gebaut für über 200 Bewohner ::::: Sargfabrik, Gemeinschaftshof, Foto: karin wallmüller

Miss Sargfabrik, Gemeinschaftshof, Foto: karin wallmüller

Das Modell Baugruppe

Auf dem Weg zu den eigenen vier Wänden liegt ein Modell im Trend, das insbesondere in Deutschland, aber auch in den Niederlanden, Dänemark und Österreich eine Renaissance erlebt: Das Bauen in Baugruppen. Ziel der neuen privaten Bauherrn sind vor allem die Stadtzentren. Sie bieten ihnen gewachsene Stadtbilder von hohem Identifikationswert, entsprechende Infrastrukturen, kulturelle und soziale Vielfalt, kurze Wege zu Arbeitsplätzen und einen Lebensstil, den sie gegenüber dem Wohnen auf der Grünen Wiese als attraktiver und vorteilhafter einschätzen.

Erfahrungsgemäß verwirklichen diese Gruppen ihren Lebensstil nicht nur in den eigenen vier Wänden. Sie engagieren sich überdurchschnittlich in ihrem Umfeld, bringen Kaufkraft und manchmal auch Arbeitsplätze in ihren Stadtteil. Ihr Beispiel des individuellen aber verdichteten, umweltbewussten und sozial engagierten Wohnens stellt einen Gewinn für jede Stadt dar.

Deshalb bemühen sich Städte, Baugruppen zu unterstützen. Sie tun das durch kontinuierliche Arbeit an der Qualität des öffentlichen Raumes im Rahmen von Stadterneuerungsprojekten, das Vermitteln und Reservieren innerstädtischer Grundstücke und Baulücken, die Bildung von Beratungs- und Vernetzungseinrichtungen sowie mit öffentlichen Veranstaltungen und Informationsmaterial für Baugruppen.

So hat beispielsweise Berlin im Dezember 2006 die Informationsbroschüre „Wohnen in der Berliner Innenstadt“ herausgebracht, die anhand von europäischen Beispielen verschiedene Möglichkeiten von privat organisierten Projekten aufzeigt. Enthalten sind auch ein Leitfaden für Baugruppen, Finanz- und Rechtsgrundlagen, sowie Vorlagen für Verträge vom Planungsgesellschafts- bis zum Eigentümervertrag. Für aktuelle und bedarfsgerechte Grundstücksinformationen steht das Baulückenmanagement Berlin als Rechercheinstrument für innerstädtisches Bauland im Internet zur Verfügung.

Dass der allgemeine Trend zurück in die Stadt voll im Gange ist, zeigen steigende Einwohnerzahlen in den innerstädtischen Bereichen. Laut Bericht der Stadtentwicklung Berlin hat die Innenstadt, insbesondere Prenzlauer Berg und Friedrichshain zwischen 2002 und 2006 einen Zuwachs von ca. 10.000 Personen erlebt . Es sind dies insbesondere Jungfamilien und „junge Alte“, die nach der Familienphase aus dem Umland zurückkehren sowie gut verdienende Singlehaushalte mittleren Alters. Was viele von ihnen mit den Baugruppen eint, ist der Wunsch des nachbarschaftlichen Wohnens mit größtmöglicher Individualität, überdurchschnittliches Bildungs- und Kulturbewusstsein sowie hoher ökoligischer Anspruch.

Baugruppen wollen ihre Wohnidee im urbanen Stil umsetzen, sei es in städtischen Wohnhäusern wie Stadtvillen und Reihenhäusern, in Etagenwohnungen oder in Form gestapelter Maisonettewohnungen. Wichtigste Merkmale dabei sind helle, flexibel nutzbare Räume, hoher Ausstattungsstandard und vor allem ausreichend große, geschützte Privatbereiche wie Gartenhöfe, Loggien, Dachterrassen oder Wintergärten. Aber auch Umnutzungen und Revitalisierungen von Bestandsbauten, die zu reizvollen räumlichen Lösungen führen können, kommen für sie infrage.

Angestrebt werden ungewöhnliche, innovative Lösungen, bei denen die Nutzer das „Heft in der Hand haben“. Das heißt, sie bestimmen vom Standort über die Planung und Ausführung bis zur Gemeinschaftsform, sei es in Eigentümergemeinschaft, als einzelne Eigentümer, als Verein oder als Genossenschaft alles selbst. Sie suchen und finden Gleichgesinnte, ihre späteren Nachbarn, schon im Vorfeld, einigen sich untereinander über die Aufteilung der Wohnungen im gemeinsamen Haus, bestimmen den Anteil gemeinschaftlicher Einrichtungen und deren Nutzung über die Jahre des Zusammenlebens. Eigentümergruppen schaffen teilweise im Rahmen des Projektes auch zusätzlich Wohnungen zur Vermietung. Nicht selten werden innerhalb der Gruppe soziale und ökonomische Unterschiede ausgeglichen.

Durch gemeinsames Bauen können aufgrund der eigenständigen Organisation erheblich Kosten gespart werden. Man baut zum Selbstkostenpreis ohne die Aufwendungen eines Bauträgers oder Investors wie Grundstückssicherung, Provisionen, Bewerbung, Vermarktung, Gewinn- und Risikozuschläge etc. mittragen zu müssen. Ökologisch und qualitativ hochwertig sind die Gebäude trotzdem, weil sich unternehmerisches Gruppendenken um geringen Energiebedarf und niedrige Folgekosten bemüht. Zudem fallen in der Planungs- und Bauphase Leistungen an, die je nach Zusammensetzung der Gruppe selbst erbracht werden können. Alles in allem lassen sich je nach Standort laut Angaben Berliner Baugruppenarchitekten bis zu 25 % der Kosten vergleichbarer Bauträgerprojekte einsparen.

Wie aber findet man Gleichgesinnte?
Baugruppen bilden sich immer am Grundstück. Nur wer sich mit der Lage des Grundstücks identifiziert und hier seinen zukünftigen Lebensmittelpunkt sieht, lässt sich auf den mitunter langwierigen und anstrengenden Gruppenprozess von der Bildung der Gruppe, über die Planung bis zur Realisierung ein und wird die unzähligen Sitzungen und Abstimmungsprozesse auch meistern.
Dass die Gruppenbildung in Städten leichter ist als im ländlichen Raum, liegt nicht nur an der größeren Einwohnerzahl, sondern viel mehr daran, dass alternative Wohnformen dort wenig verbreitet sind. Das schließt aber nicht aus, dass eine Gruppe, die sich über Internetplattformen oder privat gebildet hat, sich bei entsprechenden Rahmenbedingungen auch in kleinen Städten und Dörfern niederlassen kann. Dann hat diese Gruppe eine ähnlich positive, wenn nicht sogar eine noch größere Wirkung auf ihre Umgebung als in der Stadt.

Der Entstehungs- und Meinungsbildungsprozess ist aufwendig. Um die Interessen aller Baugruppenmitglieder zu wahren, ist eine professionelle Unterstützung durch Baubegleiter und Architekten zu empfehlen. Größere Städte in Deutschland bieten Baugruppen bereits institutionelle Hilfe an. Sie errichten Plattformen, in denen Interessierte einander finden und austauschen können oder bilden Agenturen zur kompetenten Begleitung in den einzelnen Bauphasen.

Die häufigste Form des Zusammenschlusses von bauwilligen Familien und Einzelpersonen ist die Baugruppe mit Architekt. Meist ist sie zum Zeitpunkt der Beauftragung eines Architekten als Berater und Planer noch nicht stabil und sucht erst nach erfolgreich abgewickelter Grundstückssuche und ersten Studien weitere Mitglieder. Verfügt der beauftragte Architekt selbst noch nicht über ausreichende Erfahrung mit der Steuerung und Beratung von Baugruppen, empfiehlt es sich, von Anfang an einen Baubetreuer beizuziehen. Vor allem bei größeren Baugruppen ist ein Baubetreuer oder Projektmanager als Moderator für die Gruppe und als Verbindungsglied zum Architekten oft unerlässlich. Gemeinsam wird dann das Projekt entwickelt, Finanzierungs- und Rechtshürden genommen bis hin zur Kostenüberwachung und pünktlichen Bezahlung aller Rechnungen.

Dass Planen, Bauen und Managen für Baugruppen keine leichte Sache für Architekten ist, zeigt, dass sich Netzwerke von Baugruppenarchitekten bilden wie z.B. in Berlin der Verein nbba, der sich regelmäßig zum Erfahrungsaustausch trifft und berät. Darüber hinaus bemühen sich die Architekten in Zusammenarbeit mit Politik und Verwaltung die Bedingungen für die Entstehung von Baugruppen zu verbessern. Vorbilder sind u.a. Städte wie Freiburg, Tübingen, Hamburg, Dresden, München und Berlin.

Dass aber gemeinsames Bauen für alle Beteiligten vom Einzelnen bis zur Gesellschaft ein lohnendes Unternehmen ist, soll in der Artikelserie anhand realisierter Projekte aufgezeigt werden.

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