11/02/2020

Wolkenschaufler_31

Unsere Liebe Frau von Paris

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11/02/2020

Notre-Dame de Paris am 15. April 2019. Bild siehe Link > commons.wikimedia.org

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Bamberger Daten wie die Punktwolkenansicht gehen derzeit maßgeblich in ein 3D-Modell der Kathedrale von Paris ein. Bild: Stephan Albrecht/Universität Bamberg – Link > uni-bamberg.de

©: Universität Bamberg

Ausschnitt des Südportals am Querhaus der 'Notre Dame' als CAD-Umzeichnung. Bild: Angel Menargues/ Ruth Tenschert/ Universität Bamberg – Link > uni-bamberg.de

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Unsere Liebe Frau von Paris

Nach dem am 15. April 2019 ausgelösten Brand der Kathedrale Notre-Dame de Paris kündigte Präsident Emmanuel Macron noch in derselben Nacht den Wiederaufbau binnen fünf Jahren an. Quasi modo, „fast so“ – könnte man nun nach aufgelegtem Zynismus die Frage formulieren – fast so, wie es welchem Zustand des Baus entsprechen könnte? Ein Problem, dem es sich generell bei jeder Art von Restaurierung historischer Objekte zu stellen gilt.
Macron fand auch bald den medienwirksamen Termin ante quem („vor dem“, um hier noch schnell den Jargon der Geschichtswissenschaften zu bemühen) die Rekonstruktion fertiggestellt sein soll, nämlich bis zu den Olympischen Sommerspielen 2024 in Paris.

Durch den Brand zerstört wurden vor allem der Dachstuhl des Haupt- und Querschiffes, genannt „der Wald“, der aus etwa 1300 Eichenbalken bestand, ebenso der im 19. Jahrhundert vom Architekten Viollet-le-Duc errichtete markante Dachreiter über der Vierung. Die 250 Tonnen schwere Bleieindeckung des Daches war geschmolzen und ist teilweise verdampft, Teile des Kreuzrippengewölbes in der Vierung und im Langhaus stürzten ein. Eine erste Schätzung der Kosten für einen Wiederaufbau beliefen sich auf 400 bis 600 Millionen Euro, während schon zwei Tage nach dem Brand Spenden in Höhe einer Milliarde Euro in Aussicht gestellt worden waren. Ebenso wurden inzwischen von verschiedenen Stellen Eichen für einen neuen Dachstuhl angeboten, allerdings werden auch Überlegungen zu einer Stahlkonstruktion angestellt. Derzeit ist man noch mit Sicherungsarbeiten zugange, mit dem Baubeginn wird es in diesem Jahr wohl nichts mehr werden.

3D-Daten für den Wiederaufbau
Die „Horrorvorstellung“, sagt Stephan Albrecht in einem Filmbeitrag des Bayerischen Rundfunks (21. Jännner 2020), wäre Präsident Macrons Hoffnung, die Kathedrale Notre Dame möge nach Wiederaufbau und Restaurierung „schöner sein als je zuvor“. Damit nämlich hätte man alle Spuren der Vergangenheit verloren. Stephan Albrecht ist Professor für Mittelalterliche Kunstgeschichte an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Im Rahmen des Forschungsprojekts Portale als Ort der Transformation sind Wissenschafter seit 20 Jahren auch mit der Kathedrale Notre Dame befasst, und hier insbesondere mit dem nun vom Brand betroffenen Querhaus. Wie zuvor schon die Portale des Wiener Stephansdoms, des Kölner und des Bamberger Doms oder der Kathedrale von Laon, untersuchten die Forscher in den Jahren 2015 bis 2018 Notre Dames Querhaus und legten mittels Laserscannern eine auf Mikrometer genaue Datensammlung an, aus denen exakte 3D-Modelle errechnet wurden. Damit besteht, in Form der Vermessungsdaten, eine Dokumentation des Zustandes vor dem Brand, wie sie bisher nicht verfügbar war. Würden die weitgehend erhaltenen Fassaden der Kathedrale nun erneut vermessen und mit den Bamberger Daten verglichen, führt Albrecht aus, „erkennt man sehr deutlich, wo es Verformungen gab“.
Inzwischen haben die Uni Bamberg, die französische Forschungsorganisation Centre national de la recherche scientifique (CNRS) und das französische Kulturministerium einen Vertrag zur Beteiligung der Bamberger Kunstgeschichte an der Initiative Chantier Notre-Dame abgeschlossen. In diesem interdisziplinären Verband sollen Expertinnen und Experten wissenschaftliche Grundlagen für den Wiederaufbau erarbeiten. Stephan Albrecht stellt hierfür neben den 3D Aufnahmen auch Farbanalysen des Nord- und Südportals zur Verfügung, die Aufschluss über die Bemalungen zu verschiedenen Zeiten geben.

Der wohl auch den Amtszeiten geschuldeten Eile Macrons, die Kathedrale bis 2024 wieder herzustellen, hält Stephan Albrecht einen Vergleich entgegen. Bei der Rekonstruktion des Bauwerks müsse man in zeitlichen Dimensionen denken, die jenen der Grabtuchkapelle des Turiner Doms entsprechen. Nach einem Brand im Jahr 1997 wurde sie erst 2018 wieder eröffnet. Der ebenfalls an der Uni Bamberg beschäftigte Dendrochronologe Thomas Eißing empfiehlt etwa, den Dachstuhl nur in Teilen, entsprechend dem Status vor dem Brand, wieder herzustellen, womit eine Dokumentation der Bau- und Handwerksgeschichte gegeben wäre. Dafür müssten Reste der Holzkonstruktion gesammelt und analysiert werden, Vergleiche mit erhaltenen Plänen Viollet-le-Ducs angestellt und weitere Scans und Modelle ausgewertet werden. Der größere Teil wäre infolge mit einer neuen Dachkonstruktion zu überbauen.

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