02/07/2008
02/07/2008

Arch. DI Ulrike Bogensberger lebt und arbeitet als Architektin in Graz(architekturbüro b + p, Graz) und war von Juni 2006 bis Juni 2008 Vorsitzende der Sektion Architekten der Kammer der ArchitektInnen und IngenierskonsulentInnen für Stmk. / K.

Architektin Ulrike Bogensberger hat mit 09.06.2008 ihren Rücktritt als Vorsitzende der Sektion Architekten der Kammer für Architekten und Ingenieurkonsulenten für Steiermark und Kärnten vollzogen. In den zwei Jahren ihres Sektionsvorsitzes hat sie sich viel Zeit genommen. Zeit für Probleme der KollegInnen, für Anliegen der Kammer intern und extern. Bei ihren öffentlichen Auftritten erwies sie sich als Kämpferin für die Kultur und die Qualität des Bauens im Land.

GAT hat die Architektin Bogensberger zum Interview gebeten.
Das Interview führte Karin Wallmüller, Architektin.

GAT: Aus welchem Anlass und aus welchen Beweggründen hast Du Dich eigentlich für die Kammer engagiert?

U.B.: Vor sechs Jahren beteiligte ich mich an der „Revolte“ der einkommensschwächeren Architekturbüros gegenüber der Verpflichtung, den genau so hohen Beitrag zur Haftpflichtversicherung zu leisten wie gut verdienende Büros. Seitdem zahlen wir bekanntlich in zwei Stufen, in der unteren nach individuellem Umsatz, in der oberen nach Umsatzobergrenzen. Mein kämpferisches Eintreten für die Sache hat die Einladung zur Mitarbeit in der Sektion der Architekten als Wettbewerbs-Referentin und als Kuratorin der Wohlfahrtseinrichtung nach sich gezogen.

GAT: Das hast Du dann bis zu den Kammerwahlen 2006 erfüllt. Was hat Dich bewogen, mit einer eigenen Liste bei der Wahl zu kandidieren?

U.B.: Die Inhalte und die Chance, als Frau in der Kammer etwas zu bewegen. Nachdem die Wahl dann mit Mandatsgleichstand der beiden Listen ausgegangen ist, haben wir uns auf je zwei Jahre Sektionsvorsitz geeinigt. Inhaltlich ziehen wir am gleichen Strang, wie z.B. beim Wettbewerbswesen als Qualitätssicherung der Planung, bei einer qualifizierten Projektentwicklung im Vorfeld der Planung und einer guten Ausschreibung bzw. Projektsteuerung der Ausführung. Was uns trennt ist, dass meine Liste eher sachlich orientiert, die Architektur in den Vordergrund der Vermittlung stellt, die andere Liste den Architekten/die Architektin als Person.

GAT: Wer wird der neue Vorsitzende sein?

U.B.: Das wird erst im Sektionsvorstand der ArchitektInnen durch eine Wahl bestimmt werden.

GAT: Welche Anliegen konntest Du einbringen?

U.B.: Ich hatte zwei wesentliche Säulen, die mir wichtig waren. Erstens die Funktion der Ombudsfrau für KollegInnen in Konfliktsituationen, Schiedsgerichten, Honorarstreitigkeiten etc. Da habe ich mich persönlich sehr engagiert, Wir hatten wegen der immer häufiger vorkommenden Fälle bereits überlegt, ob nicht die Zeit für einen Honorar-Rechtsschutz gekommen ist. Denken wir nur daran, dass über 50% der Wohnbau-Genossenschaftsverträge mit der Einreichung enden, die ArchitektInnen aber für alle möglichen Preisüberschreitungen und sogar wegen ihres eigenen Honorars für zu teuren Wohnbau verantwortlich gemacht werden. Und das obwohl unsere Nachlässe nie dem künftigen Wohnungswerber zu gute kommen.

GAT: Und die andere Säule?

U.B.: Ist Baukultur. Der Umgang mit baukulturellem Erbe, die Sicherung von Qualität durch Architekturwettbewerbe und durch – wie am Beispiel Graz – die ASVK, die bald mit einem Altstadtanwalt verstärkt werden wird. Speziell Graz hat eine Reihe von Instrumenten zur Verfügung, mit denen sie Qualität sichern kann. Meine Aufgabe war, diese immer wieder einzufordern. Also: Masterplan Weltkulturerbe, Wettbewerbe, Projekttisch, Stadtforum, Bebauungsplanung, Stadtentwicklungsplanung usw. Aber nicht nur Baukultur in der Stadt, sondern auch in den Regionen: Da gibt es das Bekenntnis des Landtages zur Baukultur in der Steiermark (seit 2004), zur Etablierung regionaler Gestaltungsbeiräte, die Verpflichtung zur Abhaltung von Wettbewerben, den Vergabeleitfaden für Gemeindhochbau usf. Im Zusammenhang mit der Schi-WM in Schladming 2013 wird interessant werden, wie man hier Qualität erzeugen kann und nachhaltig sichern wird..

GAT: Wenn Du also zusammenfasst: Wie stellst Du Dir die Qualitätssicherung in der Architektur vor?

U.B.: Sie basiert auf einer fundiert durchgeführten Projektentwicklung, einer Vergabekultur über Architekturwettbewerbe und einer Umsetzungskultur mit strikter Trennung von Planung und Ausführung.

GAT: Hast Du dabei von politischer Seite Verständnis und Unterstützung erfahren?

U.B.: Ja. In der Stadtbaudirektion haben wir da durchaus Resonanz. Wenn z.B. ein Wettbewerb von uns nicht unterstützt wird, dann ist auch die Stadtbaudirektion nicht Teil der Jury . Das heißt für den Projektwerber, dass er es in der baurechtlichen Umsetzung nicht so leicht haben wird. Im Land hat der neue Baudirektor (DI Andreas Tropper, Anm. d. Red.) relativ rasch den baukulturellen Anspruch angemeldet und in der Stabstelle der Landesbaudirektion Günter Koberg als Ansprechpartner in diesen Fragen installiert. Für uns ein großer Gewinn, nicht nur weil er auch Architekt ist. In Zukunft wird die Landesbaudirektion erstmals ein Budget haben, um baukulturelle Arbeit zu bedienen. Da können wir uns dann vielleicht dem Thema Vergabekultur öffentlicher Auftraggeber widmen.

GAT: Woran scheitert die Vergabe?

U.B.: An den Umgehungskonstruktionen zum Vergabegesetz und an der fehlenden Kontrollinstanz beim Einsatz öffentlicher Gelder. Selbst wenn ein Wettbewerb abgehalten wurde, ist der weitere Ablauf nicht gesichert - das heißt, dass Steuermittel eventuell sogar eingesetzt werden, um ganz etwas Anderes, von einem anderen Teilnehmer und nicht den Entwurf des Wettbewerbgewinners zu bauen. Da erwarte ich mir durch Andreas Tropper via Koberg für uns ArchitektInnen schon eine bessere Situation.

GAT: Wird die Kammer an ihn herantreten?

U.B.: Die Kammer – wer oder was ist das? Sie besteht aus Mitgliedern, von denen einige etwas zu ihrem Thema erklären und sich dafür einsetzen. Ehrenamtlich. Mit Leidenschaft. Aber natürlich werden wir auch künftig das Gespräch suchen.

GAT: Was wünscht Du Dir sonst von der Zukunft?

U.B.: Wie schon erwähnt, dass in Schladming etwas gelingt, was die Steiermark architektonisch bereichert, dass wir im Bereich Landwirtschaft und Tourismus einen Fuß in die Tür stellen können, wo wir ja viel zu wenig gefordert werden und dass das projekt_A endlich die politische Patronaz erhält, die es verdient.

GAT: Warum sind ArchitektInnen im privaten Wohnbau so wenig gefragt?

U.B.: Es scheint wohl so zu sein, dass Menschen so etwas wie eine Genetik haben, die sie glauben macht, dass jeder von sich aus Bauen kann wie der Vogel sein Nest. Was wir ArchitektInnen offensichtlich nicht genügend vermitteln ist, dass es zum Bauen etwas mehr braucht: Eine gute Ausbildung, Erfahrung, Kreativität, viel mehr als Technik, die wir ohnedies beherrschen. Privater Wohnbau ist eine der sensibelsten Aufgaben, bei der man dem Bauherrn sehr nahe kommt. Nicht viele Bauherren sind dazu bereit, Defizite festzustellen, sich mit ihnen auseinanderzusetzen, um sie verbessern zu können. Da braucht es schon eine starke Vertrauensbasis zwischen Bauherren und ArchitektInnen.

GAT: Dazu kommt, dass der Bauherr, wenn er ein Haus von ArchitektInnenenhand hat, dieses auch gegenüber seiner Umwelt vertreten muss. Da mag es für Bauherrn schon leichter sein, sich der tradierten Stilmittel, mögen sie auch noch so weit hergeholt sein, zu bedienen.

U.B.: Genau. Wollen wir als ArchitektInnen etwas für die Zukunft tun, hilft uns das Schielen auf die toskanische Villa nicht. Also ist es unsere Verantwortung, den Bauherrn den Blick in die Zukunft zu öffnen.

GAT: Zum Schluss das Thema Frauen: Tut frau sich mit Frauen in der Politik leichter?

U.B.: Sehr wohl. Mit den neuen Stadträtinnen hatte ich gute Gespräche, die für die Zukunft einiges erhoffen lassen, speziell was die kleineren Büros anbelangt.

GAT: Wir könnten sicher noch endlos weiter reden, müssen aber Schluss machen. Danke für das Gespräch.

Verfasser/in:
Karin Wallmüller, Gespräch
Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
GAT+