06/08/2019

Jeden ersten Dienstag im Monat veröffentlicht GAT in der Kolumne Aber Hallo! Anmerkungen von Karin Tschavgova zu aktuellen Themen von Architektur und gebauter Umwelt.

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06/08/2019
©: Karin Tschavgova

Das Zauberwort Intermodalität, wahrgemacht an der Buslinie 60

Ich muss gestehen, dass ich es nicht kannte: Intermodalität war mir bis vor kurzem kein Begriff, aber das, was es bedeutet – die Verknüpfung unterschiedlicher Verkehrsmittel, – ist mir schon lange ein persönliches, ganz eigennütziges Anliegen. Zu behaupten, dass ich in Graz am Berg wohne, wäre übertrieben, aber meine Anfahrt nach Hause in Richtung Lustbühel enthält ein langes Steilstück, das ich mit dem Fahrrad nicht (mehr) bewältige. Nun bin ich aber eine Radfahrerin aus Passion und bevorzuge überall dort in der Stadt meinen Drahtesel, wo ich es gut schaffe – und das trotz Jahreskarte für Bus und Bim.
Mein Stadtrad hat seinen Parkplatz bei der Endstation des Busses, der mich bergwärts bringt. Bis vor ungefähr einem Jahr war das meist ein geschützter Platz, einer von wenigen Fahrradabstellplätzen, die überdacht waren. Nun, meine Garage musste eines Tages weichen, weil Herr Auer am Schillerplatz eine Ladetätigkeitszone benötigte. Das konnte ich natürlich nachvollziehen und freute mich über die Wiederbelebung des alten Schillerhofs, der in Studienzeiten mit der legendären Erika als Pächterin nachts eines meiner Stammlokale war.
Was ich nicht so toll fand, oder, ehrlich gesagt, ziemlich beschissen, das war, dass „meine“ Radgarage ganz verschwand. Doch, es hätte Ausweichstellen gegeben am Parkrand und anderswo in der Nähe, aber das stand offensichtlich gar nicht zur Diskussion, denn sie war einfach demontiert worden und anderswo abgestellt oder verschrottet. Koordination zwischen dem Straßenamt und dem Grazer Radbeauftragten (ja, den gibt es) gleich Null, das genaue Wissen über den Verbleib derselben ebenso. Die einzige konkrete Antwort aus vielen Telefonaten: „Gehn’s, die war eh so schiach, immer voll von Laub am Boden.“ Bitte? Geht’s noch? Das Ding musste keinen Schönheits- oder Sauberkeitswettbewerb gewinnen, nur Schutz bieten für Fahrräder von Menschen, die sie nicht täglich auf den Berg schleppen können und morgens, am Weg zur Arbeit, trockenen Sattels aufsteigen und losfahren wollen.
Nun gut, das Entfernen schien nicht rückgängig zu machen, und die Folgen für das Stehenlassen im Regen waren bald zu sehen. Mein Dynamo war relativ bald nach dem jährlichen Frühjahrsservice zu erneuern, die Erklärung dafür: Ihr Fahrrad steht offensichtlich im Freien, im Regen.
Gelebte Intermodalität schien mir die Rettung, denn schon vor langer Zeit hatte ich die ehemalige Vizebürgermeisterin darauf angesprochen, sich dafür bei der Holding Graz auszusprechen, dass man Fahrräder auf „meiner“ Linie mitnehmen darf. Der konkrete, detaillierte Vorschlag meinerseits damals war das Resultat langjähriger Erfahrung als Busbenützerin der Linie 60. Es gibt 2 bis 3 Mal tagsüber einen fast vollbesetzten Bus – morgens und mittags, wenn die Schüler und Schülerinnen den Bus brauchen, außer in den Sommerferien, und abends nach Büroschluss (eher selten). Ansonsten bin ich immer wieder abends und spätabends nach Theater- oder Kinobesuch sogar der einzige Passagier, ganz so, als säße ich im bestellten Taxi.
Warum also nicht dann, wenn keine Stoßzeiten sind, erlauben, dass man das Fahrrad ganz einfach in den Bus hebt. Mein Vorschlag zur gütlichen Einigung war: kein Fahrrad in den Bus, wenn ein Kinderwagen den Platz braucht, und die genannten zeitlichen Einschränkungen der Mitnahme. Die kolportierte Reaktion der Holding Graz damals: Das geht nicht, weil einige Haltestellen in der Schräge sind (welche bitte?) und die Befestigung und Abnahme der Fahrräder außen an einem Träger zu gefährlich ist.
Nun, Freunde von der Holding Graz: Wohl noch nie in Kopenhagen gewesen oder in Wien in der U-Bahn, wenn ein Fahrradfahrer im Waggon mitkam? Und, Herr Stadtrat Riegler, an Sie als derjenige, der die Räder außen am Bus befestigt sehen will, eine Frage: Sind Sie schon einmal mit dem Bus der Linie 60 gefahren, außerhalb von Stoßzeiten? Über die Anzahl der Fahrgäste auf der Linie 60 scheint es auch keine Statistik zu geben, die zeigte, dass es nicht notwendig wäre, teure Zusatzeinrichtungen an die Busse zu montieren, um Fahrräder befördern zu können.
Was es brauchte, wäre vor allem Mut, einen Testlauf mit klaren Regeln für die Mitnahme im Bus durchzusetzen und darauf zu vertrauen, dass auf dieser Strecke Menschen diese Möglichkeit nützen würden, die selbstverantwortlich durchs Leben gehen und diese Chance nicht wieder verlieren wollen durch ein Verhalten, das nicht kompatibel ist mit diesem Serviceangebot der Grazer Linien.
Ja, mir ist bewusst, dass es rechtliche Fragen zu klären gilt und dass es auf den „Goodwill“ jedes Einzelnen ankommt und dass die Chauffeure vielleicht Angst haben, als Streitschlichter eintreten zu müssen und dass es vielleicht einmal in hundert Jahren vorkommen wird, dass zeitgleich zu viele Radfahrer ihr Gefährt sicher in einem Bus festzurren wollen und ….
Aber, Leute, versuchen wir es doch einfach einmal für eine bestimmte Zeit! Anderenfalls fürchte ich, dass ich bis zum Sankt Nimmerleinstag warten werde, um mein Rad mit trockenem Dynamo morgens in Betrieb nehmen und ohne nassen Hintern dort ankommen zu können, wo ich hinmuss. Endlos Zeit und Geduld fehlen mir. (Soll ich drohen mit meinem Auto?)
Wer nicht wagt, der nicht gewinnt oder: Frisch gewagt ist halb gewonnen. Let’s do it!

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