12/02/2014

Archäologische Vitrine
Ausstellungspavillon, Aachen

Bauvolumen: 155 qm
 
Bauherr:
Stadt Aachen, Gebäudemanagement
unterstützt von DSA, Daten- und Systemtechnik GmbH 

Architektur:
kadawittfeldarchitektur
Wettbewerb: 1. Preis 2009 

Realisierung: 2012-2013 
Projektleitung: Benjamin Beckers, Jonas Kröber 
Projektpartner: Dirk Zweering

In der GAT-Reihe architektur> werden Bauwerke innerhalb und außerhalb Österreichs veröffentlicht, die an der Schnittstelle von Architektur und Kunst einzuordnen sind. Bei der Kuratierung werden Projekte von AkteurInnen bzw. ProtagonistInnen mit Bezug zur Steiermark bevorzugt.

12/02/2014

Die 'Archäologische Vitrine' Elisengarten, Aachen

Architektur: kadawittfeldarchitektur ©: Jörg Hempel

Mitten in der Stadt, in Sichtweite zum Aachener Dom liegt die 'Archäologische Vitrine'

©: Jens Kirchner

Der Weg, der die Ausgrabungsstelle tangiert, verläuft durch den Baukörper hindurch

©: Jörg Hempel

Durchwegung der 'Archäologische Vitrine'

©: Jörg Hempel

Die 'Archäologische Vitrine' Elisengarten, Aachen

©: Jens Kirchner

Die 'Archäologische Vitrine' Elisengarten, Aachen

©: Jens Kirchner

Lageplan

©: kadawittfeldarchitektur

Grundriss

©: kadawittfeldarchitektur

Schnitte

©: kadawittfeldarchitektur

Ein kontemplativer Ort inmitten städtischer Betriebsamkeit

In Sichtweite zum Aachener Dom liegt eine der beliebtesten innerstädtischen Grünflächen, der Elisengarten. Bei umfangreichen archäologischen Grabungen wurde hier Erstaunliches entdeckt: Funde aus der Jungsteinzeit (4700 v.Chr.) bis zum Hoch- und Spätmittelalter (ca. 910-1500) sind Zeugnis für alle wesentlichen Perioden der Aachener Siedlungsgeschichte seit der Zeit um Christi Geburt bis heute. Um diesen Fund für die Öffentlichkeit zu sichern und erlebbar zu machen, sollte ein 60m² großer Bereich, in dem sich die Ausgrabungen in einer Tiefe von mehr als zwei Metern ausschnitthaft überlagern, mit einer schützenden Hülle überdacht werden. Die architektonische Konzeption des prämierten Entwurfes der ‚Archäologischen Vitrine‘ greift die Besonderheit der Fundstelle – die Überlagerung verschiedener Siedlungsstrukturen aus mehreren Epochen –  in der Gestaltung der mehrschichtigen Pavillonhülle auf.

Schichten und Zwischenraum
In bewusster Abgrenzung von den im städtischen Kontext üblichen gläsernen Vitrinen umhüllt eine offene Edelstahlkonstruktion den notwendigen gläsernen Raumabschluss. Es entsteht eine spannungsreiche Zwischenzone, die offen zur umgebenden Gartenanlage zum Verweilen und zur Auseinandersetzung mit der Stadtgeschichte einlädt - ein kontemplativer Ort inmitten der städtischen Betriebsamkeit. Die äußere Hülle besteht aus zwei hintereinander liegenden Schichten filigraner Flachstahllamellen, die sich diagonal überlagern. Die eigentliche Vitrine bildet als gläserne Einhausung die zweite Schicht. Sie ermöglicht unterschiedliche Blickwinkel auf die Ausgrabungsstelle, reguliert die natürliche Belüftung und schützt die Ausgrabungen. Gleichzeitig dient sie als Informationsträger: eine umlaufende Zeitleiste, ein Lageplan sowie kompakte, übersichtliche Illustrationen zu den gefundenen Strukturen und Artefakten (aufgedruckt auf eine leicht durchscheinende Folie) informieren den Besucher, ohne den Blick auf die Fundstelle zu verstellen.

Die ellipsoide Form der Archäologischen Vitrine fügt sich formal in die Formensprache der Gartengestaltung ein. Die angemessene Maßstäblichkeit und zurückhaltende Erscheinung – einem Pavillon oder Stadtmöbel gleich - wird der Lage im Park gerecht. Der Weg, der die Ausgrabungsstelle tangiert, verläuft durch den Baukörper hindurch und lädt den Spaziergänger ein, von seiner Route durch den Park abzuschweifen, um mit einem Rundgang durch die Vitrine ‚en passant‘ die archäologischen Funde zu erkunden. Die Maschenweite und Dimensionierung der Edelstahlprofile gewährt ein großes Maß an Transparenz und Durchlässigkeit und bietet spannungsreiche Blickbeziehungen zwischen den archäologischen Funden und dem umgebenden Park.


Identifikation
Die Archäologische Vitrine zeigt sehr deutlich, welche große Bedeutung ein kleiner Eingriff für die Identifikation der Bürger mit ihrer Stadt entwickeln kann. Die Besucherströme im Grabungszelt, zahlreiche Schaulustige während der Bauarbeiten und die Besucherzahlen seit der Fertigstellung dokumentieren das große Interesse der Bevölkerung an der Geschichte ihrer Stadt. Eine besondere Form des Kultursponsorings zeigt das bürgerschaftliche Engagement eines Aachener Unternehmers, das den Bau der Archäologischen Vitrine finanziell großzügig unterstützt und dadurch überhaupt ermöglicht hat. Als die Stadt Aachen ihren Anteil an dem größtenteils vom Land finanzierten Projekt nicht aufbringen konnte, hat die Firma DSA mit ihrer Spende den städtischen Anteil an der Finanzierung übernommen und zusätzlich die Medienplanung finanziert.

Archäologisches Fenster
Die Fundstelle ist eine archäologische Perle im historischen Kerngebiet der Stadt. Um alle Ausgrabungsergebnisse dauerhaft sichtbar zu machen, gibt es eine ganze Reihe von ‚Archäologischen Fenstern‘ im Stadtgebiet. Die Archäologische Vitrine macht die historischen Wurzeln Aachens als gezielte bauliche Intervention im städtischen Raum sichtbar und ist aufgrund des wettergeschützten Zwischenraums zum beliebten Ausgangspunkt für Stadtführungen geworden. Darüber hinaus ist sie eine Station der ‚Route Charlemagne‘, die auf den Spuren Karls des Großen zu den historisch bedeutenden Orten der Stadt führt.

Konstruktion und Material
Eine große konstruktive Herausforderung lag darin, die Lasten ohne Beeinträchtigung der Ausgrabungsstelle abzutragen. Die Stahlkonstruktion wird über 32 Bohrpfähle (GEWI-Mikropfahl) gegründet. Ein Bodenrost aus HEB-Trägern liegt auf diesen Bohrpfählen auf. Die auf dem Rost aufliegende Trapezblechschale wurde ausbetoniert und anschließend mit Gussasphalt versehen. Die Außenhülle des Pavillons ist nicht nur das wesentliche, gestaltprägende Element des Entwurfs, sie ist auch die statisch wirksame Struktur für den stützenfreien Pavillon. Sie ist aus lasergeschnittenen Flachstahllamellen aus Duplex-Stahl gefertigt. Mit einem Querschnitt von 50x15mm sind diese diagonal miteinander verschränkt und in den Knotenpunkten miteinander verschweißt. Die Dachkonstruktion besteht aus einem Stahlrost, der unterseitig mit einem Stahlgitterrost versehen ist. Die auf dem Rost aufliegende Trapezblechschale ist mit einer Dachhaut aus rollnahtgeschweißtem Edelstahlblech verkleidet, das mit null Grad Gefälle ausgeführt werden konnte. Drei Dachfenster mit lichtleitenden Lamellen innerhalb der Horizontalverglasung sorgen tagsüber für eine gute Ausleuchtung der Fundstelle. In den Abend- und Nachtstunden erhellen sternenhimmelartig angeordnete LED-Downlights dezent den Innenraum und beleuchten die Fundstelle. Alle sichtbaren Teile der Stahlkonstruktion sind aus Edelstahl gefertigt.

Montage
Insgesamt wurden bei der Archäologischen Vitrine 12,3 Tonnen Stahl (Werkstoff S 235), 8,5 t Edelstahl (Werkstoff V4a 1.4571 und Duplex-Stahl 1.4462) und 150m² VSG-Glas verbaut. Aufgrund der komplexen Anforderungen durch die verschiedenen Werkstoffe wurde die komplette Konstruktion in der Werkstatt vorgefertigt und dort aufgebaut. Die anschließend in vier Segmente geschnittene Konstruktion wurde per Schwertransport an die Baustelle geliefert und dort montiert. Um die Ausgrabungen bei der Montage nicht zu gefährden, wurde für die mit Sand überdeckte Fundstelle ein temporäres Flächengerüst erstellt. 

Terminempfehlungen

Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
GAT+