18/01/2017

Baukulturvermittlung in Österreich – aut

Fünf Interviews von Martin Brischnik, Architekt in Graz, zur Baukulturvermittlung in Österreich. Die Aufzeichnungen sind im Zeitraum August bis Dezember 2016 mit VertreterInnen österreichischer Architekturhäuser entstanden.

Interview mit Arno Ritter, aut.architektur und tirol, Innsbruck

Am kommenden Mittwoch folgt das Interview mit dem afo - architekturforum Oberösterreich, Linz

18/01/2017

Hausnummer 180, eine künstlerisch architektonische Installation im öffentlichen Raum von Studierenden der TU Graz, Architekturtage 2012

©: Alexander Krischner

Interview mit Arno Ritter, aut.architektur und tirol, Innsbruck



Martin Brischnik: Wie ist die Rolle des aut in der Baukulturvermittlung? Welche Visionen hast Du für die Zukunft der Baukulturvermittlung?

Arno Ritter: "Wenn die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen auch Zwerge lange Schatten.” (Karl Kraus)
Von Anfang an war die Motivation des aut der Widerspruch gegen den bewusstlosen Zeitgeist, gegen Ideologien der Eindeutigkeit, gegen das Argument des „So war es und so ist es“ und auch gegen die damals vorherrschende öffentliche wie politische Nicht-Wahrnehmung von Architektur. Langsam entwickelte sich aus dieser emotionalen Nährflüssigkeit eine Biografie des Ausstellens und Vorstellens, des Agitierens und Argumentierens. Ganz wichtig war dabei immer der konstruktive Dialog und die Wahl der Sprache, denn von Beginn an ging es uns eigentlich um Vermittlung und Kommunikation, um den Austausch von Meinungen, um Disputation, sei es in unserem Programm, in den internen Diskussionen und öffentlichen Veranstaltungen oder im Dialog mit der Politik.
Ein wesentlicher Bestandteil des Gencodes vom aut ist seine soziale Netzwerkfunktion und der breit aufgestellte Vermittlungsanspruch, der dazu führte, dass zwar Architektur immer im inhaltlichen Fokus stand, aber auch Kunst und Design, die Philosophie und die Theorie, die Landschaft und die Ingenieurbaukunst, der Film und die Fotografie, die Grafik und das Buch sowie die ästhetische Bildung von Kindern und Jugendlichen fixer Bestandteil der Tätigkeit vom aut wurden. Letztlich ging es – bewusst oder unbewusst – sowohl um den steten Aufbau einer niveauvollen Diskussion über Gestaltungsfragen als auch um die Forderung nach einer qualitätsorientierten Baukultur.

Eine nachhaltige Konsequenz unserer Biografie als Kommunikationsplattform und „Wärmstube“ für ArchitektInnen ergab sich, als sich 1998 eine Gruppe von ArchitektInnen im damaligen Architekturforum Tirol formierte, um bei der anstehenden Wahl der Tiroler Kammer der ArchitektInnen und IngenieurkonsulentInnen als neue Liste anzutreten. Das Wahlergebnis war eindeutig und führte dazu, dass Vertreter des Architekturforum Tirol entscheidende Positionen innerhalb der Kammerstruktur übernahmen. Ab diesem Moment war gemeinsam mit der Kammer und der ZV ein öffentlicher Auftritt möglich, der eine Stimme und drei Unterschriften hatte. Aus dieser kollektiven Kraft entstand auch eine offene und produktive Gesprächskultur mit VertreterInnen der Stadt Innsbruck und des Landes Tirol, aber auch mit den Medien, die wesentlich für die Sensibilisierung der Öffentlichkeit und für die Wahrnehmung von architektonischen Themen sind. Denn ohne die kontinuierliche und breitenwirksame Berichterstattung im Rundfunk und in den Printmedien und ohne den emphatisch gespannten Dialog mit den politisch Verantwortlichen, hätten wir mit unserem Programm und unserer kritischen Haltung keinen produktiven Widerhall gefunden.

Auf die Frage "Wie könnte ein visionäres Ziel der Baukulturvermittlung aussehen?" kann ich nur antworten: Das Ziel ist dann erreicht, wenn die Sonne der Baukultur so hoch steht, der qualitative Anspruch danach gesellschaftlich so breit aufgestellt ist und die Sprache über Architektur so differenziert geworden ist, dass wir das aut aus Mangel an Vermittlungsfunktion schließen können.

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