03/06/2020

Die Stadt entsteht im Kopf – 02

Von der Eco City ... zur Sustainable City ... zur Transition-Town ...

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Ein Beitrag der AutorInnen:

beide tätig am RCE Graz-Styria – Regionales Zentrum für Nachhaltigkeit an der KF-Universität Graz

03/06/2020
©: Wikimedia Commons

Im ersten Beitrag der Trilogie Die Stadt entsteht im Kopf haben wir drei prominente städtische Leitbilder vorgestellt: die Gartenstadt, die funktionale Stadt und die Smart City. Dazu gesellen sich freilich noch weitere Leitbilder der Stadtentwicklung, die im städtebaulichen, beziehungsweise stadtgeographischen Diskurs weniger gut bekannt sind. Das politische und soziale, das wissenschaftliche und verwaltungstechnische Gefüge spielt eben nicht nur für die Entstehung und Ausformulierung, sondern auch für die Verbreitung von Leitbildern eine wichtige Rolle. In Teil 2 unserer Serie stellen wir exemplarisch die Leitbilder der Eco City, der Sustainable City und der Transition-Town-Bewegung vor. Sie vertreten Ansätze der Stadtgestaltung, die sich von der Smart City ebenso unterscheiden wie im Vergleich zueinander. Diese Ansätze befinden sich gegenwärtig in unterschiedlichen Stadien in ihrem Versuch, mögliche erstrebenswerte Ideale des Zusammenlebens umzusetzen.

Eco City
Mitte der 1970er Jahre entwickelte sich die Idee der Eco City. Ziel dieser Idee und ihrer Leitlinien war die ökologische Ausrichtung der Städte. Sie sollten (wieder) in ein Gleichgewicht mit der Natur gebracht werden. Richard Register ist einer der Väter und Mitbegründer der Stadtökologie und der Idee der Eco City, die in Berkeley/Kalifornien entstanden ist. Seine Publikation Building Cities for a Healthy Future aus dem Jahr 1973 definierte die Eco City als eine Stadt, die nach Prinzipien der Natur und im Einklang mit der Umwelt gebaut wird. Das heißt, die Bevölkerung sowie die produzierten und verwendeten Güter respektieren ökologische Grenzen. Register bezeichnete den italienischen Architekten Paolo Soleri als eine wichtige Inspirationsquelle für sein Denken. Soleri setzte seit 1970 in der Wüste von Arizona die Stadt Arcosanti um. Auf der Basis einer Stadtutopie entwickelte er diese Experimentalstadt für 5.000 EinwohnerInnen. Soleries Idee entsprang Frank Lloyd Wrights Theorie vom Bauen und Leben in der Natur, die Soleri durch die Mitarbeit in Wrights Büro kennengelernt hatte. Ursprünglich proklamierte die Eco City die Rückkehr zu einem Lebensstil "im Einklang mit der Natur“. Im Laufe der Zeit entwickelte sich der Begriff jedoch weiter und schloss Konstruktion, Produktion und Verbrauch in der Stadt dezidiert mit ein. Eine allgemein gültige Definition steht bis heute aus. Die Eco City verknüpft viele Aspekte miteinander, die seit den 1970er Jahren noch größere Bedeutung gewonnen haben. So betont die Idee der Eco City z.B. eine klimaneutrale und erneuerbare Energieversorgung; eine gute Stadtplanung; ein öffentliches Verkehrssystem; Ressourcenschonung; Wasser- und Abfallrecycling; begrünte Dächer; lokale städtische Landwirtschaft; angemessenen und erschwinglichen Wohnraum für alle sozioökonomischen und ethnischen Gruppen; verbesserte Beschäftigungsmöglichkeiten für benachteiligte Gruppen und einen ökologischen Lebensstil. Die Weltbank griff 2010 die Idee der Eco City auf und unterstrich in ihrer Interpretation dieses Konzepts, dass eine ökologisch nachhaltige Stadt nur dann als lebensfähig gelten könne, wenn sie auch eine wirtschaftlich lebendige Stadt sei. Diese Interpretation brachte die Eco City nahe an die sehr viel weiter verbreitete Sustainable City. Sie wird von vielen ExpertInnen als eine Weiterentwicklung der Eco City verstanden.

Sustainable City
Die Sustainable City, also die nachhaltige Stadt, soll im Idealfall eine nachhaltige Lebensweise in den vier Bereichen Ökologie, Ökonomie, Politik und Kultur schaffen. Das Ziel einer Sustainable City liegt darin, sich nachhaltig von der umgebenden natürlichen Umwelt zu ernähren und sich mit erneuerbaren Energiequellen zu versorgen. Im Mittelpunkt stehen ein möglichst geringer ökologischer Fußabdruck und die Minimierung jeglicher Umweltverschmutzung. Gebäude sind ein wesentlicher Gestaltungsfaktor einer Sustainable City, da sie viele Möglichkeiten für einen Wandel zu mehr Nachhaltigkeit bieten. Die nachhaltige Architektur einer Sustainable City umfasst alle Bauphasen einschließlich Planung, Bau und Umstrukturierung. Nachhaltige Standortinitiativen werden von LandschaftsarchitektInnen, DesignerInnen, IngenieurInnen, ArchitektInnen, EntwicklerInnen, politischen EntscheidungsträgerInnen und anderen Akteuren genutzt, um die Entwicklung und das Management einer Stadt mit innovativem und umweltfreundlichem Design in Einklang zu bringen. Wichtige Aspekte sind u.a. die autofreie Gestaltung und urbane Landwirtschaft. Des Weiteren legt die Idee der Sustainable City großes Augenmerk darauf, die BewohnerInnen aktiv einzubinden und setzt voraus, dass die Menschen, die in einer Stadt leben, sich dafür einsetzen den Verbrauch von Energie, Wasser und Lebensmitteln sowie Abfall und Luftverschmutzung zu reduzieren. All dies soll erreicht werden, indem Land effizient genutzt wird und Materialien, die in Gebrauch waren, kompostiert, recycelt und/oder Abfall in Energie umgewandelt werden. In Summe sollen diese Beiträge zu einer Verringerung der Auswirkungen der Stadt auf den Klimawandel führen. Städte wie Adelaide, Dubai, Vancouver und Berlin haben sich dem Gedanken der Sustainable City teilweise verschrieben.

Transition-Town
Unser jüngstes Beispiel für städtische Leitbilder und ihre Wirkmacht ist die Transition-Town-Bewegung. Die Idee der Transition Town ist weniger ein konkretes städtisches Leitbild mit klaren Vorstellungen dafür, wie die gebaute Umwelt gestaltet werden sollte. Sie ist mehr eine ganzheitliche Initiative hin zu einem besseren Leben und legt den Schwerpunkt auf Bottom-Up-Projekte, die in Zusammenarbeit mit der städtischen Verwaltung umgesetzt werden sollen. Die Transition-Idee entwickelte Rob Hopkins im Jahr 2005 aus einem Impuls heraus, den notwendigen ökosozialen Wandel selbst in die Hand zu nehmen. Inzwischen bringt die Initiative Menschen auf der ganzen Welt zusammen, die versuchen das menschliche Zusammenleben und sein Verhältnis zur Umwelt neu zu denken und neu zu gestalten. Mittlerweile zählen über 50 Länder zu dem Transition-Town-Netzwerk, in dessen Rahmen viele verschiedene Gruppen, Städte, Dörfer, Universitäten und Schulen an einer besseren Zukunft arbeiten. Das Herz der Transition-Bewegung ist die Gemeinschaft. Sie soll mit positiven und konkreten Projekten auf die großen Herausforderungen unserer Zeit antworten. Die Initiativen der Transition-Towns verstehen sich selbst als Experiment und soziale Bewegung. Alle können sich beteiligen. Projekte innerhalb der Bewegung sind so vielfältig wie die Menschen, die sie bilden. Von den acht Grundprinzipien einer Transition Town steckt wohl im Prinzip Nr. 8 die stärkste Verbindung zur Architektur. Es lautet: „Wir arbeiten mit positiven Visionen und Kreativität. Unser Ziel ist es nicht, gegen etwas zu sein. Wir nutzen kreative Methoden, um Zukunftsbilder zu entwickeln.“ Die Menschen einer Stadt oder eines Dorfs, ihre Kreativität und Kooperation stehen in der Transition-Town-Bewegung klar im Mittelpunkt. Etwas für sich selbst und die Gesellschaft verändern zu wollen ist der Antrieb der Projekte. Über Plattformen werden die einzelnen Projekte länderspezifisch gesammelt und vorgestellt. Der Lebensmittelmarkt Crystal Palace in London, Hochbeete im öffentlichen Raum in Brüssel und Fassadenkunst in Sao Paulo zählen zum Beispiel zu den Initiativen. In Österreich hat sich die Transition-Town-Initiative Friesach mit einer Reihe innovativer und wirkmächtiger Projekte hervorgetan.

Aus unserer Perspektive reichen diese Ansätze für sich genommen noch nicht weit genug um die ökonomischen, ökologischen und vor allem auch sozialen Herausforderungen der Städte in ihrem ganzen Umfang zu meistern. Es kann kaum eine Art Blaupause für die Stadt der Zukunft geben, denn jede Stadt hat ihre eigene, individuelle bauliche Struktur, Kultur, Tradition und Fantasie, und ihre spezifischen Widersprüche. Elemente verschiedener Ansätze lassen sich jedoch kombinieren und adaptieren. Die Stadt der Zukunft hat aus unserer Perspektive keinen besonderen Namen – die Städte der Zukunft heißen Adelaide, Buenos Aires, Brüssel, Shenzhen, Friesach, Graz, etc. Die Individualität der je eigenen Herausforderungen und Möglichkeiten macht eine Stadt aus. Diese Individualität durch Weiterentwicklung zu bewahren ist der Sinn eines städtischen Entwicklungsleitbilds. Anstatt "more of the same“ zu zelebrieren, sollte ein solches Leitbild "Ich bin was ich bin“ zum Ausdruck bringen.

In unserem nächsten und letzten Beitrag der Serie Die Stadt entsteht im Kopf werden wir eine Idee aus der Schweiz vorstellen. Sie reifte 34 Jahre lang von einer Utopie zu einem Projekt, das sich derzeit in Umsetzung befindet.  Aus unserer Sicht beinhaltet es einige wichtige Elemente der oben angesprochenen Ansätze und verbindet sie schlau miteinander.

Literatur
– M. de Jong et al. (2015): Sustainable-smarte-resilient-low carbon-eco-knowledge cities; making sense of a multitude of concepts promoting sustainable urbanization; in: Journal of Cleaner Production 109, S. 25-38.
– Register, Richard (1973): Ecocity Berkeley: Building Cities for a Healthier Future.

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