30/07/2018

Eine Landpartie

zur GerambRosen-Landpartie 06 nach Bad Gleichenberg

Gernot Reisenhofer berichtet für den Architektursommer 2018

30/07/2018

Mädcheninternat Bad Gleichenberg

Architektur: barkosky wahrer architekten©: barkosky wahrer architekten

Landesberufsschule Bad Gleichenberg

©: Gernot Reisenhofer / Architektursommer 2018

Fachhochschule Bad Gleichenberg

©: Verein BauKultur Steiermark

Therme Bad Gleichenberg

©: Gernot Reisenhofer / Architektursommer 2018

Bad Gleichenberg besitzt aufgrund seiner Geschichte und historischen Entwicklung als Kurort mit seiner Blütezeit in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einerseits sowie als stetig wachsendes Ausbildungszentrum für touristische Berufe andererseits eine Sonderstellung in Hinblick auf die regionale Baukultur. Die Entscheidung der Baubezirksleitung Südoststeiermark, ihre Landpartie als fußläufige Exkursion durch diesen speziellen Ort zu führen, ist daher evident; auch weil sich hier vieles in den letzten Jahren verändert und mitunter zum Positiven gewendet hat.
Die GerambRosen-Landpartien sind neben den GerambRosen-Zeitreisen die zweite Veranstaltungsreihe des Vereins für Baukultur im Architektursommer. Im Gegensatz zu den Grazer-Zeitreisen, die mit ihrem Programm vor allem das Interesse des Fachpublikums auf sich zogen, soll bei den insgesamt neun Exkursionen zu vergangenen GerambRosen-Preisträgern in den Regionen ein breiteres Publikum angesprochen werden. Ganz im Sinne der Vermittlung von Baukultur stehen hier beispielgebende Architekturen der jeweiligen Regionen im Zentrum des Interesses.
Umso erfreulicher daher, dass sich beim vereinbarten Treffpunkt an diesem Freitagnachmittag bereits eine ganze Schar Personen mit unterschiedlichsten Interessen und Erwartungen versammelt hat. Den ersten Programmschwerpunkt bilden Bauten, die im Umfeld des Ausbildungsclusters für touristische Berufe entstanden sind. So stehen wir zuerst unter dem Vordach des Mädchen-Internats der Landesberufsschule von Barkowski Wahrer Architekten – einem Kölner Büro –, das 2007 fertiggestellt wurde. Neben den einleitenden Worten von Dietger Wissounig, der als Beirat im Verein für Baukultur die Exkursion begleitet, verblüfft ein imposanter Auftritt eines ukrainischen Kinder- und Männerchors (Stichwort: Sommernutzung), der dort spontan die anzutreffende imposante Akustik unter Beweis stellt.
Drinnen im Internatsgebäude steht der Bezug zur Landschaft im Zentrum des Entwurfs. Ein Spezifikum, das allen weiteren Gebäuden dieser Exkursion gemein ist. Durch die exzeptionellen Lagen aller Gebäude rückt die Definition bzw. die Ausformulierung des Randes im Übergang zum Landschaftraum bzw. zum Kurpark ins Zentrum der Entwurfsaufgaben. Hier im Mädcheninternat mit den umlaufenden raumhohen Verglasungen ist der Bezug von innen und außen am stärksten ausgeprägt. Nahezu überall steht der Blick ins Freie im Vordergrund. Das Grün der Umgebung ist somit stets wahrnehmbar und wird auch im Inneren zum bestimmenden Gestaltungselement.
Direkt an das Mädcheninternat schließt die Landesberufsschule, geplant von Markus Pernthaler an, die seit 2001 in Betrieb ist. Ein 17 Jahre alter Bau, dessen Zustand uns zunächst staunen lässt. Hier kann man eindrucksvoll nachvollziehen, dass eine gute Materialwahl so manch höhere Anfangsinvestitionen (z.B. das sehr harte Akazienholz für Türen, Einbauten und teilweise als Bodenbelag) mehr als rechtfertigt. Beeindruckend ist hier aber auch der Umgang mit der Topografie wie auch die gekonnte Gliederung der Baumassen im Zusammenspiel mit dem bestehenden Schulgebäude (vormals Hotel Mailand), die dieses große Volumen gekonnt in die Maßstäblichkeit der umliegenden Gründerzeitvillen einbettet. Klassentrakt und Altbestand definieren dabei einen großzügigen Platz, unter dem fast aus der Wahrnehmung verschwindend ein riesiges Sockelgeschoss liegt, das Turnsäle und Lehrküchen beinhaltet. Zusätzliche, den Platz definierende Volumina sorgen darunter als Oberlichter für die notwendige natürliche Belichtung und für erstaunliche Aufenthaltsqualität.
Solch qualitätsstiftende Bildungsbauten sind wichtig – nicht nur für den Ort und die Region –, auch deshalb, weil der Bildungsbau und die Vermittlung von Baukultur an junge Menschen als eines der zentralen Kernthemen gesehen wird – wie im bereits 2011 erschienenen zweiten Baukulturreport zu lesen ist.
Nach dem anschließenden Besuch des Fachhochschulgebäudes (2007) von Alfred Bramberger, einem weiteren Bildungsbau, führt der letzte Programmpunkt durch den historischen, 1837 angelegten Kurpark zum Neubau des Kurhauses. Dieser Neubau der Therme stärkt vor allem das eigentliche Zentrum des Ortes – den Kurpark –, indem es diesen in seine Architektur integriert. So ist es nicht verwunderlich, dass speziell das Zusammenspiel von Gebäude und Park mit einer GerambRose ausgezeichnet wurde, wie das damalige Jurymitglied Dietger Wissounig erläutert.
Die Entscheidung für diesen Neubau ist damals sicherlich nicht leichtgefallen. Verglichen mit den weiteren Thermen in der Region kann hier jedoch eine Atmosphäre und Aufenthaltsqualität entwickelt werden, die man in anderen Heilbädern schmerzlich vermisst!
Ein Umstand, der wiederum entscheidend zur Entwicklung des Ortes beigetragen hat, wie Bürgermeisterin Christine Siegel im Gespräch im Anschluss erläutert. War nach Erzählungen von Markus Pernthaler zu Beginn seiner Bautätigkeit hier vor Ort das Zentrum wie ausgestorben, kehrt nun wieder ein Hauch des mondänen Lebens zurück.
So verwundert es nicht, dass manche der anwesenden ArchitektInnen mit einer Nacht hier vor Ort liebäugeln – denn der Rückweg nach Graz führt unweigerlich über die Landstraßen vorbei an den Fachmarktzentren, den Einfamilienhauskuriositäten, den Landdiscotheken.

Terminempfehlungen

Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
GAT+