22/05/2020

GELUNGEN | NICHT GELUNGEN

Warum diese Artikelserie?

.

.

22/05/2020

Sujet Kolumne 'gelungen | nicht gelungen' von Bernhard Hafner, 2020

©: Bernhard Hafner

Die Artikelserie gelungen | nicht gelungen befasst sich mit künstlerischen Objekten – Architekturen oder Skulpturen in öffentlichem Raum – als gelungen. Als nicht gelungen mit Reaktionen öffentlicher Institutionen, die eng mit der Existenz dieser Objekte zusammenhängen.
     Als ersten Beitrag der Serie habe ich das Projekt Haus Cortolezis als gelungen und das Zuschütten des linken Mühlgangs als nicht gelungenen Eingriff von Politik und Stadtplanung gewählt. Der zweite Beitrag ist die Straßenbahnhaltestelle Mandellstraße der Linie 3 als gelungen und ihre Entfernung und Entsorgung durch die Holding Graz als nicht gelungenen Eingriff in die Gestalt der Stadt. Da es sich dabei nicht um ein Bauwerk, sondern um eine Skulptur handelte, wird es ein Sonder- statt Regelfall bleiben.
     Ein Ende der Existenz im öffentlichen Bewusstsein solcher Objekte, seien es Architekturen oder Skulpturen in öffentlichem Raum, gehört eigentlich nicht zu ihrem üblichen Lebenszyklus, haben doch gelungene künstlerische Werke in unserer Gesellschaft einen hohen Wert. Eine vom Künstler nicht geplante Zerstörung erwarten weder der Planer noch wir als Mitglieder der Gesellschaft und Eigentümer des öffentlichen Raumes, in dem sich diese Werke befinden. Es obliegt der Gesellschaft, vertreten durch ihre Behörden, solche Objekte zu schützen und sich ihrer nicht einfach zu entledigen, als sei es das Recht des Täters. Architekturen bedürfen eines hohen finanziellen Einsatzes, sie amortisieren sich in längerer Zeit und werfen erst danach solange einen „Gewinn“ ab, wie sie existieren. Ein Gewinn sind gelungene Architekturen für die Gesellschaft allemal. Deshalb ist ihre Zerstörung nicht vorgesehen. Sie eignen sich für gelungen | nicht gelungen nicht durch Gelingen und Zerstörung, sondern durch Gelingen der Architektur und Respektlosigkeit vor der Arbeit des Architekten gepaart mit Versagen der Städteplanung oder Verwaltung. Dazu gehören Maßnahmen, die die Architektur in Entwurf und Errichtungskosten betreffen. So, wie es in den ersten Beiträgen zum Haus Cortolezis und dem Zuschütten des linken Mühlgangs geschehen ist.
     Bei einem skulpturalen Objekt künstlerischen Anspruchs aber geht es nicht um Architektur im üblichen Sinn, sondern um eine bauliche Intervention auf öffentlichen Grund, die etwa in einer öffentlich-privaten Partnerschaft von Glas- und Metallbau, Stadtplanungsamt und Politik in Entwurf, Ausführung und Finanzierung entstanden ist. Das war bei der Straßenbahnhaltestelle Mandellstraße der Fall.
     Skulpturen, wie Haltestellen für Busse oder Straßenbahnen, entstehen im Vergleich zu Architekturen mit vergleichsweise geringem Planungsaufwand und geringeren Errichtungskosten. Sie können einen Ertrag abwerfen, wenn sie, erstens, von der Öffentlichkeit initiiert sind, etwa von Bürgermeister und Rat einer Gemeinde und, wenn sie von Bürger unterstützt, durch Gelingen internationale Aufmerksamkeit gewinnen und zur Touristenattraktion werden. Das war beispielsweise beim Projekt Bus:Stop Krumbach im Bregenzerwald der Fall. Sie können einen Ertrag abwerfen, wenn sie, zweitens, zugleich Werbeträger sind. Sie werfen Erträge indirekt ab, sozusagen mit der Botschaft: „Ich schenke Ihnen Kunst. Würdigt mein Engagement für etwas Außergewöhnliches, das ich vor meinem Geschäft in Eigenleistung auf öffentlichem Grund errichtet habe. Ich bin nicht nur Geschäftsmann, ich bin kultiviert, lasse mich Kunst etwas kosten“. Dies gelingt meist nur kurzfristig, da Werbung nach immer neuen Bildern verlangt und die Werbebranche gefräßig ist. Gelungen und als Kunstwerke anerkannt, überleben solche Objekte in Kunstsammlungen, Museen, in Skulpturenparks oder in städtischen Gärten als in öffentlichem Auftrag errichtete Denkmale. Das allerdings auch nur, wenn es in der Politik und bei Amtsträgern eine Wertschätzung für schöpferische Leistungen jenseits von Lippenbekenntnissen gibt. Wenn nicht, werden sie entsorgt und landen auf einem Lagerplatz oder auf der Müllhalde.
     Architektur und künstlerisches Geschehen muss einen Widerhall im privaten Teil einer Gesellschaft haben. Wenn er ausbleibt, muss er sich formieren. Wenn sich, wie in Gegenwart und jüngerer Vergangenheit, kein Widerhall zeigt, muss sich auch ein Einzelner dazu aufgefordert fühlen, verantwortungs- oder kulturlosem Treiben nicht tatenlos zuzusehen. Wir leben derzeit ja in Graz oder in der Steiermark nicht in einem goldenen Zeitalter von Innovation, Anerkennung wertvoller Leistungen in Architektur, Städte- oder Landesplanung oder von Respekt für andere als übliche Meinungen.
     In der Gesellschaft maßen sich Personen in gehobenen Positionen an, von Bürgern und Bürgerinnen befristet gegebene Macht als persönliches Instrument von Einfluss auf Gestaltungsprozesse zu verwenden, die in ihrer Tragweite über den eigentlichen Wirkungsbereich von Positionsträgern hinausgehen. Man darf dabei nicht an Personen mit mangelndem, bis zur Ausübung von Willkür gehendem Kulturverständnis stoßen, denn dann ist Unterstützung nicht zu erwarten. Es gibt sie noch, die, die dem Petersprinzip genügen, wonach sich in Spitzenpositionen hierarchisch organisierter Einrichtungen vielfach Personen befinden, die ihre Ebene der Inkompetenz erreicht haben. Man muss aber und kann erwarten, Personen mit Aufgeschlossenheit zu treffen. Dann kann gelungen | nicht gelungen erfolgreich aufzeigen, was gelungen ist und was nicht, was gelingen kann, und was nicht.
     Man könnte einwenden, dass gelungen | nicht gelungen ein Thema für verantwortungsbewussten Kulturjournalismus sei, ist es aber nicht. Wann war die Zeit, als man vom Journalismus als der vierten Macht im Staate sprach? Wann war die Zeit, als es in Graz drei konkurrierende Tageszeitungen gab? War es dieselbe, wie die, in der nur eine davon übrig blieb?
     Mein Publikum, so ich eines haben werde, ist eingeladen, an diesem Unterfangen teilzunehmen: mir geeignete Fälle kundzutun oder im Einvernehmen mit GAT und mir selbst einen Beitrag zu schreiben. Meine eigene Tätigkeit sehe ich als befristet an. Ich möchte mich nur Themen widmen, die ich für wirklich wichtig halte. Vorläufig denke ich an sieben Serien mit 14 Artikeln.
     Nun, da Sie wissen, worum es geht, sollen Sie auch wissen, worum es nicht geht. Dies ist die Serie nicht: Architektur- oder Kunstkritik. Die Beurteilung, ob etwas gelungen ist oder nicht, liegt allein bei mir und ist in meinem Verständnis von Architektur oder Kunst begründet. Rechenschaft darüber werde ich nicht abgeben.
     Ich habe mich aus der öffentlichen Diskussion mehr als ein Jahrzehnt herausgehalten. Der Zustand, der herrscht, ist mir nun zu viel geworden. Deswegen ersuche ich um Hilfe und Mitarbeit, auch wenn es dafür kein Budget gibt. Dafür gibt es mehrere Möglichkeiten: Mitarbeit an der Aufarbeitung von gescannten analogen Dokumenten (Zeichnungen). Dies ist nicht meine Stärke. Alleine eine gute Woche habe ich etwa für die Aufarbeitung von Zeichnungen für meinen Artikel über das Haus Cortolezis gearbeitet, die mir Eugen Gross zur Verfügung gestellt hatte. Dann Bildmaterial. Ich selbst habe nur analoges Material, und von den beabsichtigten Projekten wenig bis nichts. Sie können helfen, etwa mit Aufnahmen des Studentenheims Hafnerriegel der Werkgruppe vor und nach dem Umbau. Oder Fotos vom Karmeliterplatz (oder Schloßberg) aus zu Stadtpark und Pfauengarten vor und nach dessen Bebauung.
     Halten Sie Kontakt, wenn Ihnen an der Serie als einer zeitgeschichtlichen Dokumentation etwas liegt.

Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
GAT+