20/05/2015

Das Architekturbüro Die Baupiloten BDA unter der Leitung von Susanne Hofmann hat ein Buch herausgegeben, das sich wissenschaftlich mit der Geschichte der Partizipation auseinandersetzt und die Methoden der Partizipation beschreibt, die das Büro bei seiner Zusamenarbeit mit NutzerInnen, PlanerInnen und Verwaltung regelmäßig anwendet.

20/05/2015
©: jovis Verlag

Susanne Hofmann, Inhaberin des Büros Die Baupiloten BDA hat auf Grundlage ihrer Dissertation ein Buch herausgegeben. Das Buch PARTIZIPATION MACHT ARCHITEKTUR gibt einen umfassenden Überblick über die Kommunikationswerkzeuge des Architekturbüros.

Der Grundstein ihrer Arbeitsweise wurde dabei während ihrer Tätigkeit als Leiterin des Studienreformprojekts Die Baupiloten von 2003-2014 entwickelt. Ihr Büro Die Baupiloten BDA arbeitet weiterhin mit den partizipativen Instrumenten des Entwurfs, die mit jedem Projekt verfeinert und weiterentwickelt werden. 
Susanne Hofmann und ihr Büro kommunizieren über das Abfragen gewünschter Atmosphären mit den zukünftigen Nutzern ihrer Architektur. Dafür entwickelten die Baupiloten Partizipationsformen, in der die Architekten ihre Kompetenz der Formfinder und Raumgestalter nicht abgeben. Die Nutzer wirken gleichzeitig am Entwurf mit, entdecken durch die Teilnahme an der Planung ihre eigenen Wünsche und identifizieren sich damit auch stärker mit dem Endprodukt der Planung. Gerade in Zeiten von austauschbaren Investorenarchitekturen heben sich diese Planungen dadurch von der Massenware ab, weil die eigentlichen Nutzer an der Gestaltung ihres gebauten Umfelds ursächlich teilhaben.
„Demokratische Gesellschaften, die im zunehmenden Maße aus emanzipierten Menschen bestehen, beanspruchen immer stärker die Teilhabe an der Gestaltung ihrer gebauten Umwelt“, meint Susanne Hofmann dazu.

Gemeinsame Realitäten erschaffen

Die Partizipationsmethoden der Baupiloten teilen klar die Kompetenzbereiche der Architekten und ihrer zukünftigen Nutzer auf. Die Nutzer sind dabei die Experten ihrer Lebensumwelt und deren Raumnutzung. Die Architekten übersetzen die gewünschten Atmosphären in die gebaute Realität
Letztendlich wissen die Nutzer, wie ihr Lebensumfeld gestaltet werden muss, damit tägliche Abläufe reibungslos funktionieren. Oftmals werden bei konventionellen Planungen jedoch die atmosphärischen Wünsche der Nutzer nicht abgefragt, bzw. alleine von den Architekten bestimmt. 
Dabei hat die Soziologin Daniela Rätzel bei Studien herausgefunden, dass der atmosphärische Gessamteindruck als erstes von den Benutzern beurteilt wird – und damit auch bestimmt, wie gut ein Gebäude bei seinen Benutzern ankommt. Nachdem die Benutzer die Stimmung eines Gebäudes auf sich wirken haben lassen, wenden sie sich dem Analysieren der Handlungszusammenhänge zu. Für ausgebildete Architekten ist der Zugang ein anderer – sie untersuchen vor allem erst die materielle und bauliche Beschaffenheit eines Gebäudes, um Handlungszusammenhänge zu erschließen.
Architektonische Qualitäten werden dadurch von Laien und Architekten anders definiert, was Verständigungsschwierigkeiten zwischen dem Nutzer und dem Planer erzeugt.

Werkzeugkiste der Partizipation

Diese Erkenntnis ist der Grundstein für eine Reihe von Partizipationsmethoden, die in den letzten Jahren von den Baupiloten entwickelt wurden.
Um eine gemeinsame Sprache mit den Nutzern zu entwickeln, veranstalten die Architekten Zusammenkünfte, in denen Collagen als Abbilder der Wunschatmosphären gestaltet werden (als "Methodenbaustein Atmosphären“ bezeichnet). Im Reden über diese Bilder entwickelt sich eine gemeinsame Sprache zwischen Architekten und Nutzern. Den Alltag der Nutzer erfahren die Architekten, indem sie deren Tage begleiten und protokollieren („Methodenbaustein Nutzeralltag“).
Nach dieser Grundlagenforschung arbeiten Nutzer und Architekten gemeinsam an dem Ziel, eine gemeinsame Fiktion, eine gemeinsame Geschichte zu erschaffen. Dieser Umweg über Atmosphären und Wunschwelten regt die Kreativität der Nutzer wie auch der Architekten an. Im Vornhinein gefasste Vorstellungen werden von beiden Seiten beim gemeinsamen Erzählen fallengelassen („Methodenbaustein Wunschforschung“). In gestalterischen Workshops zeigen die Architekten anhand von atmosphärischen Modellen und Collagen den Nutzern ihre Darstellung der Wunschwelten (Methodenbaustein Rückkoppelung“).
Für jeden dieser Entwicklungsschritte des Entwurfs haben die Baupiloten, je nach Nutzergruppe und Bauaufgabe, eine Reihe von Spielen entwickelt. In gemeinsamen kreativen Prozessen mit den Nutzern schaffen sie ein gemeinsames Ziel, eine gemeinsame Idee, der sie sich spielerisch nähern. Mit Kindern wurde gebastelt, Möbel gebaut, Filme gedreht. In Nachbarschaftsprojekten konnte durch das Kleben von Wunschwelten erstmals erreicht werden, das auch Menschen sich im Planungsprozess beteiligen, die sich sonst aus Angst, Scham und Sprachschwierigkeiten eher zurücknehmen. Planspiele mit den Nutzern machen deutlich, wo Handlungen unterschiedlicher Nutzergruppen in einer Planung stattfinden würden – und wo Synergien geschaffen werden könnten.

Identitätsstiftend

Die Methoden der Baupiloten bilden nicht nur die Grundlage eines Entwurfsprozesses, ihre Workshops regen auch die Gruppenbildung innerhalb der Nutzergruppen an. Nicht umsonst wurden sie besonders oft von Schulen, Kindergärten, oder sozialen Förderprogrammen beauftragt, auch an „sozialen Brennpunkten“. Der Prozess der Kommunikation zwischen den Architekten und den Nutzern kann auch sehr heterogene Nutzergruppen zusammenschweißen. Gleichzeitig schafft er eine tragfähige Vertrauensbasis den Architekten gegenüber.
Die gemeinsamen Wunschträume leben in den Bauten der Baupiloten weiter und entwickeln sich zu einem neuen, gemeinsamen Mythos. 

Das Buch kann somit als Leitfaden dienen für den Umgang mit heterogenen Planungsgruppen, in denen die Kommunikation zwischen Planenden, Auftraggebern, Nachbarn, etc. untereinander hergestellt oder verbessert werden muss. Es zeigt Handlungsstrategien auf, die den gegenseitigen Austausch und die Kommunikation zwischen Architekten und Auftraggeber stärken und durch klare Rollenverteilung zu gegenseitigem Vertrauen und Verständnis führen. Die integrative, gemeinschaftsfördernde Energie, die den Projekten innewohnt, ist dabei besonders hervorzuheben.

Susanne Hofmann: PARTIZIPATION MACHT ARCHITEKTUR.
Die Baupiloten – Methoden und Projekt

jovis Verlag Berlin, 2014
Broschiert: 256 Seiten
mit ca. 200 farb. und 25 s/w Abbildungen
ISBN-10: 3868593020
ISBN-13: 978-3868593020

Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
GAT+