11/05/2022

HEURIGEN NEU attrAKTIVIEREN

Die Umnutzung inaktiver, traditioneller Heurigen am Beispiel des Weinguts Schaflerhof in Traiskirchen

Diplomarbeit von Veronika Schafler, an der FH JOANNEUM Graz, erstellt unter der Betreuung von DI Tim Wakonig-Lüking und vom Leiter des Masterstudiums Architektur, Arch. DI Wolfgang Schmied, zur Veröffentlichung auf der GAT-Seite empfohlen.

Die Umnutzung des in Zukunft leerstehenden Weinguts Schaflerhof soll als beispielhaftes Projekt für ähnliche Konstellationen dienen, welche durch die gesellschaftspolitischen und kulturellen Veränderungen des letzten Jahrhunderts mehr und mehr zu Tage treten.

Die Arbeit steht auf der Themenbörse Abschlussarbeiten unter folgenden Link zum Download zur Verfügung:
www.themenboerse.at

11/05/2022

Innenhof Bestand

©: Veronika Schafler

Spa Bereich

©: Veronika Schafler

Beispiel einer Wohnung

©: Veronika Schafler

Urban Gardening am bestehenden Hallendach

©: Veronika Schafler

Innenhof neu

©: Veronika Schafler

Das Weingut Schaflerhof kann stolz auf eine lange Tradition zurückblicken, welche bis in das 19. Jahrhundert reicht. Mit Ing. Andreas Schafler endet jedoch der über fünf Generationen andauernde Familienbetrieb und die damit verbundene Weinproduktion. Kann die „Vision vom Schaflerhof“ anders weitergelebt werden?

Persönliche Betroffenheit

Seit ich denken kann, gab es in meinem familiären Weinbaubetrieb immer wieder Um- und Zubauten. Mein Vater hatte seit jeher großes Interesse an dem Thema „Bau“ und ständig neue Ideen zur Vergrößerung des Weinguts. Dies ist unter anderem ein Grund, warum ich mich dazu entschlossen habe, Architektur zu studieren. So erscheint es mir nur logisch, dass sich meine Abschlussarbeit mit dem Weingut Schaflerhof, meinem Elternhaus, beschäftigt, um „den Kreis zu schließen“. 

Denn was passiert, wenn die Eltern das Pensionsantrittsalter erreichen, die Nachfolger:innen den Familienbetrieb jedoch nicht übernehmen wollen? Wie können Traditionen und Werte trotzdem aufrechterhalten werden? Und kann die bestehende Immobilie anderswertig, zukunftsorientiert genutzt werden?

Die Umnutzung des in Zukunft leerstehenden Heurigen soll als beispielhaftes Projekt für ähnliche Konstellationen dienen, welche durch die gesellschaftspolitischen und kulturellen Veränderungen des letzten Jahrhunderts mehr und mehr zu Tage treten. Zugleich liefert es auch einen positiven Input auf die Themen des Bodenverbrauchs und der Zersiedelung, welche einen großen Stellenwert in Österreich haben und womit umgegangen werden muss.

Heurigenkultur in Kombination mit gemeinschaftlichen Wohnformen

Die Heurigenkultur hat einen großen Stellenwert in Österreich und ist sogar in das UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen worden. In den letzten Jahren wurde jedoch ein erheblicher Rückgang der Anzahl von kleinen Weinbaubetrieben festgestellt, da oft die Familientradition im klassischen Sinne nicht mehr weitergeführt wird. Daher kommt es zu einem vermehrten Leerstand von traditionellen, bestehenden Weingütern. Auf der anderen Seite beschäftigen sich Stadtplaner:innen, Politiker:innen und Vertreter:innen der Bauindustrie und Immobilienbranche seit Jahren mit dem Thema der Wohnungsknappheit sowie der großen Nachfrage nach Wohnraum. Wohnen befindet sich im Wandel, der Wunsch nach Gemeinschaft kehrt zurück und neue Wohnformen, wie zum Beispiel Co.Housing oder Cluster-Wohnungen, werden angestrebt. Das Ziel dieser Arbeit ist es, beide Themen miteinander zu kombinieren, die bestehenden Höfe neu zu aktivieren und damit zu attraktiveren.

Zuerst werden dabei im Theorieteil die Hintergründe des Weinbaus und der Heurigenkultur sowie der Hofhäuser und die Entwicklung neuer Wohnformen beleuchtet. Diese werden ausführlich ausgearbeitet, durch aussagekräftige Referenzbeispiele dargestellt und mit diversen Interviews komplettiert. Auf Recherchen und Analysen basierend wird ein Entwurf auf einem Grundstück in Österreich erarbeitet. Die Liegenschaft befindet sich im Zentrum des Weinlandes Thermenregion in Niederösterreich, welches besonders für seine Heurigenkultur bekannt ist. Das zu behandelnde Bestandsgebäude setzt sich aus zwei Langstreckhöfen zusammen, welche gemeinsam mit Zubauten einen vierkanthofähnlichen Charakter ausbilden.

Als Resultat werden die bestehenden Gastronomie- und Wohnflächen für ein gemeinschaftliches Wohnen diverser Altersgruppen herangezogen, der zentrale Innenhof dient als Begegnungszone und soll die Kommunikation fördern. Die Produktionshalle und Seminarräume werden zu einem neuen Co.Working Bereich umfunktioniert, in der jetzigen Garage wird eine vielseitige Werkstätte eingerichtet. Die Kellerflächen erhalten unter anderem eine landwirtschaftliche Nutzung, um verschiedene Gemüsesorten anzupflanzen. Das Dach der Produktionshalle wird zu einer Terrasse mit Urban-Gardening ausgestaltet. Auf dem bestehenden Kunden-Parkplatz wird teilweise ein Neubau errichtet, welcher durch öffentliche Einrichtungen nicht nur einen Mehrwehrt für die Gemeinde darstellt, sondern auch mit kleinen Wohneinheiten für ein Boarding-House ausgestattet wird. Ein zweiter kleiner Innenhof entsteht, bestückt mit diversen Obstbäumen und Kräuterbeeten, einem Grillbereich und integrierten Spielgeräten für Kinder. 

Übereinstimmende Visionen der Stadt Traiskirchen mit dem Projekt

2019 hat Andreas Babler, als erster Bürgermeister einer Stadt in Österreich, den „Climate Emergency“, also den Klimanotstand ausgerufen. Seitdem wurde das Thema der Nachhaltigkeit mit höchster Priorität eingestuft und 2021 wurde dafür im Rathaus eine eigene Abteilung für nachhaltige Raumordnung, Energie und Ökologie gegründet. So hat sich auch die Leiterin dieser - DI Elisa Wrchowszky, als Vertretung der Stadt – in einem geführten Interview, positiv für das Vorhaben geäußert.

Neben dem Klimaschutz ist auch das Bauen ein wichtiges Thema: 2018 wurde für drei Jahre eine Bausperre über Traiskirchen verhängt, einerseits um den Ortskern zu schützen, andererseits um Änderungen an Flächen- und Bebauungsplänen vornehmen zu können. Durch die Beschränkung von Wohneinheiten pro Grundstück wird der Versiegelung entgegengewirkt, kleinteilige vorhandene Strukturen für mehr Wohnqualität sollen gesichert werden und aufrecht erhalten bleiben. Eine städtebauliche Verdichtung ist an infrastrukturellen Schwerpunkten vorgesehen. (1)

(1) Vgl. „Stadtgemeinde Traiskirchen setzt Maßnahmen gegen Bauwut“, Stadtgemeinde Traiskirchen, 1. Februar 2020, https://www.traiskirchen.gv.at/suche/stadtgemeinde-traiskirchen-setzt-m….

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