28/05/2015

ISG SYMPOSIUM 2015

Im Fokus des Symposiums am 22. Mai 2015 standen die Fragen, wo und vor allem wie die traditionelle europäische Stadt weitergebaut werden soll.

28/05/2015

ISG SYMPOSIUM 2015 in Graz, Begrüßung der Vortragenden durch Bürgermeister Mag. Siegfried Nagl.

©: Sigrid Verhovsek

ISG SYMPOSIUM 2015 in Graz, Organisatoren und Vortragende

©: Sigrid Verhovsek

Hof des Franziskanerklosters in Graz

©: Sigrid Verhovsek

Auditorium im Refektorium des Grazer Franziskanerklosters

©: Sigrid Verhovsek

Auditorium im Refektorium des Grazer Franziskanerklosters

©: Sigrid Verhovsek

6. Internationales Symposium des ISG: Die Stadt weiterbauen – Zukunft Altstadt.

©: ISG - Internationales Städteforum Graz

Durchaus passend zur altgriechischen Tradition eines Symposiums fand die diesjährige Diskussionstagung des Internationalen Städteforums am 22. Mai 2015 im ehemaligen Refektorium des Grazer Franziskanerklosters statt.

Im Mittelpunkt stand die Frage, wo und vor allem wie die traditionelle europäische Stadt weitergebaut werden soll, ob Strategien wie die Verdichtung des historischen Stadtkerns, traditionelle Stadterweiterung oder neue urbane Zentren in den mittlerweile unübersehbaren peripheren Zwischenstädten des urban sprawl helfen können, den Bedarf nach leistbarem Wohnraum zu erfüllen, ohne die letzten unbebauten Freiflächen und Grüngürtel zu opfern.


"Die Krankheit unserer heutigen Städte und Siedlungen ist das traurige Resultat unseres Versagens, menschliche Grundbedürfnisse über wirtschaftliche und industrielle Forderungen zu stellen."

Walter Gropius

Nach einer kurzen Begrüßung durch ISG-Vizepräsident Arch. DI Hansjörg Luser folgten als Einleitung kurze Impulsreferate:
DI Mag. Dr. Bruno Maldoner vom Bundeskanzleramt erinnert daran, dass die Frage der „Entvölkerung der Stadtkerne“ bereits 1912 vom Wiener Stadtplaner Eugen Fassbender thematisiert worden war, und somit trotz der derzeitigen Dringlichkeit keine „neue“ oder unerwartete Anforderung darstellt.
Landesrat Johann Seitinger vom Land Steiermark wünscht sich für Erhaltung und Entwicklung von Stadt und Land eine stärkere (selbstbewusster agierende?) Raumordnung. 
Arch. Mag. Tomaž Kancler, Vizepräsident des ISG, hebt den Aspekt des Individuellen in der urbanen Entwicklung hervor: Stadt ist nicht nur das Ergebnis ihrer Geschichte, sondern auch ihrer Geschichten.


"Nichts in der Geschichte des Lebens ist beständiger als der Wandel."

Charles Darwin

Mag. Siegfried Nagl, Grazer Bürgermeister und zugleich Präsident des ISG, hält zusammen mit Stadtbaudirektor Werle ein Referat zum Thema Lebendige Baukultur: „Graz wächst“ trotz begrenzter Baulandreserven. Um einen Ausgleich zwischen Westen und Osten der Stadt zu generieren, und um die Altstadt und das Weltkulturerbe zu bewahren, setzt man auf Bipolarität, auf die Entwicklung einer modernen Stadt westlich der Mur, wo an neuen Zentren wie dem Reininghaus-Areal oder der Smart City Graz Mitte gearbeitet wird.

Die Frage nach der Raumproduktion stellt auch Univ. Prof.in Elke Pahl-Weber von der TU Berlin. Sich verändernde soziale Verhaltensweisen müssen erkannt, akzeptiert und beantwortet werden, statt nur (bauliche) Fassaden zu konservieren. Eine Stadt muss ihre Menschen in den Prozess der Produktion der Räume einbeziehen, dass gelingt aber nur, solang die Stadt lebendig bleibt, solange sie genutzt wird. Sich auf die Herstellung von „m2Wohnfläche“ zu konzentrieren, wäre kontraproduktiv, Stadt ist öffentlicher Raum, und „wenn ihre Straßen langweilig sind, ist auch die Stadt langweilig…“

Bauen am Welterbe, der Bericht von DIin Eva Hody, Abteilungsleiterin des Bundesdenkmalamtes Salzburg, zeigt einen spannenden Interessenskonflikt auf: Das BDA nimmt in der doch sehr musealen, „fertiggebauten“ Stadt Salzburg anscheinend oftmals eine Art Vermittlerposition zwischen Bauherren und Vertretern des Weltkulturerbes ein. Stadt als eine Art gemeinsamer Kompromiss also, wie DIin Hody anhand spannender Beispiele wie den Sternarkaden, dem Turm am Mönchsberg, dem 1. Sperrbogen der Festung oder auch Großprojekten wie dem Salzburger Bahnhof erklärt.

Wenn Gemeinden ihre Zentren verlieren, verlieren sie zugleich jenen Ort, an dem sie sich darstellen, mithin ihre Identität. Dieses Wissen ist für Univ. Prof. Dr.-Ing. Vittorio M. Lampugnani (ETH Zürich) grundlegend, um über Strategien einer zeitgenössischen Stadterweiterung nachzudenken. Verstreuten Siedlungen stellt er als Gegenbeispiel Quartiere und Viertel mit einem definierten Zentrum entgegen. Hohe Dichte und verschiedenartige Nutzungen ermöglichen kurze Wege. Ziel der Masterplanung des Richti-Quartiers in Wallisellen war es demnach, die „Gebäude dazu zu bringen, miteinander zu reden“, Lampugnagi greift dafür auf das traditionelle Konzept der Blockrandbebauung zurück.

Konträr zu großangelegter Stadtplanung meint Ass. Prof. Arch. Dr. Domen Zupančič  von der Universität Ljubljana, dass viele kleine Interventionen vielleicht am ehesten die Baulücken im urbanen Raum von Ljubljana schließen könnten, die durch den Umbruch des politischen Systems und die europäische Finanzkrise entstanden sind. Diese ungenutzten Bauflächen stellen nicht nur ökonomisch einen großen Wert da, werden aber entweder als Parkplatz oder gar nicht genutzt, sondern durch Bauzäune von der Stadt abgeschirmt. Kleine Projekte wie „U Garden 4 U“, ein Sportpark für Parqur, Water Pond Fish Farm, Sub Culture Site, oder Piranesi Vedute, Konzerte oder Refugee Camps: diese kleinen, sensiblen “In between“- Konzepte können die Stadtlandschaft und das urbane Leben vielleicht entscheidender prägen als eine von finanzkräftigen Investoren gemanagte Megasiedlung.

Weiterbauen im Ortskern von Fließ bedeutet anscheinend Neubauen, so seltsam das bei einer schrumpfenden Gemeinde mit viel Leerstand zunächst klingen mag. Architektin DIin Daniela Kröss berichtet von den strukturellen Problemen des Tiroler Ortes, der in mehreren Weilern über ein großes Gemeindegebiet verstreut liegt, und über die Versuche, die Bürger mittels Partizipationsaktionen in den Planungsprozess einzubinden.

In Entwickeln und Bewahren erzählt Bürgermeister a.D. Kurt Deutschmann von jenen Projekten, die 2013 bei einer Exkursion des ISG in der Bezirkshauptstadt Feldbach besichtigt und bewundert wurden: der Neubau des Kulturhauses von Pittino & Ortner, die kleine feine Altstadtpassage, die Neugestaltung des Hauptplatzes von DI Christian Andexer, die Sanierung der Villa Hold und des Feldbacher Tabors und die außergewöhnlich schön gestaltete Flusslandschaft der Raab. Auch hier ziehen sich kleinere und größere behutsame Interventionen wie ein roter Faden durch die Stadt.

Auch bei der am nächsten Tag stattfindenden Exkursion besuchte man „weitergebaute“ Dörfer, ein besonders schönes Beispiel bot St. Nikolai im Sausal, wo Arch. DI Mitterberger den Ortskern "geschlossen und abgerundet hat".

Natürlich bleiben angesichts der verschiedenen Positionen und Anregungen auch nach diesem Symposium die anfangs gestellten Fragen offen. Das ist gut.


„Dans la vie, il n'y a pas des solutions. Il n'y a que des forces en marche: il faut les créer et les solutions suivent.“


(Es gibt keine Lösungen im Leben. Es gibt Kräfte in Bewegung: die muss man schaffen; die Lösungen folgen nach.)
Antoine de Saint-Exupéry

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