03/02/2014

Im Fokus:
ENEGIE BAU KULTUR

Die Bedeutung des Werks von Konrad Frey für energieeffizientes Planen und Bauen heute.

03/02/2014

Abb. 1: Konrad Frey, Collage zum Manifest „Aufruf an alle Grazer“ (1966) für die Neugestaltung der Grazer Rathausfassade.

Architektur: Konrad Frey©: Konrad Frey

Abb. 2: Konrad Frey, Entwurf „Drive-in Flughafen Berlin-Tegel“ (1966)

©: Konrad Frey

Abb. 3: Konrad Frey, „Kuhwickel“ oder „cow-cicle“ (1967)

©: Konrad Frey

Abb. 4: Studien der „Sundomes“ (1970–1971)

©: BPR/Konrad Frey + Florian Beigel

Abb. 5: Konrad Frey, Haus Fischer am Grundlsee (1972–1978), erster Prototyp eines Sonnenhauses in Österreich.

©: Konrad Frey

Abb. 6: Konrad Frey: „Solardusche für Älpler“ (1980) auf der Strositz-Alm in der Nähe von Aflenz.

©: Konrad Frey

Abb. 7: Konrad Frey, Haus Zankel in Prévessin in der Nähe von Genf (1976–1985)

©: Konrad Frey

Abb. 8: Konrad Frey, Kindergartens Pachern in Hart bei Graz (1997)

©: Konrad Frey

Abb. 9: „Energieberatung Steiermark", Konrad Freys Bus für Beratungsgespräche

©: Konrad Frey
©: Redaktion GAT GrazArchitekturTäglich

Die Entwürfe von Konrad Frey (* 1934) setzen sich kritisch mit der funktionalistischen Architekturauffassung der Moderne und ihrer Rhetorik der haustechnisch ‚kontrollierten Umgebung’ (controlled environment) auseinander – wie Reyner Banham diese Haltung charakterisierte und der er die Idee einer neuen, ,wohltemperierten Umgebung’ (responsive, well-tempered environment) gegenüberstellte. Bereits während und kurz nach seinem Architekturstudium an der TU Graz (1960 bis 1967) war Frey ein zentraler Protagonist der ‚Grazer Schule’, die ab Mitte der 1960er Jahre an der Architekturfakultät der TU Graz eine junge Avantgarde in Österreich präsentierte. Doch auch seine Zusammenarbeit mit Arup Associates in London, mit Florian Beigel im gemeinsamen Büro „B, P & R“ („Bauen, Planung & Ressourcen“), mit dem CERN Physiker Karl Zankel und Freys Studien am Institut für Umweltforschung in Graz (dem heutigen Joanneum Research) hatten eine entscheidende Wirkung auf sein architektonisches Denken. Seine intellektuelle Position und internationale Bedeutung als Theoretiker und Architekt ist daher vor allem von seiner experimentellen Energieforschung geprägt, die einen Zeitraum von mehr als vier Jahrzehnten und rund 80 Projekte und Realisierungen umspannt.

Architektur als Megastructure, Techno-Suit und Sundome

Die frühen, meist utopischen Konzepte Freys, die in erster Linie ‚Papierarchitektur’ blieben und eine hauptsächlich grafische Wirkung erzeugen, nutzen innovative Technologien für neue soziale Agenden und zeigen den Einfluss von Architekten wie beispielsweise Archigram, Yona Friedman, Buckminster Fuller und den japanischen Metabolisten. In seiner Collage mit begleitendem Manifest „Aufruf an alle Grazer“ (1966) für die Neugestaltung der Grazer Rathausfassade interpretierte Frey Architektur als monumentale Landschaft adaptiver, provisorischer Räume, die er einem hardware/software Denken folgend mit vielfältigen mobilen service-Komponenten ausstattete, die je nach den aktuellen Bedürfnissen der Benutzer neu gestaltet werden können (Abb. 1). Auch sein Entwurf „Drive-in Flughafen Berlin-Tegel“ (1966) zeigt die radikalen Implikationen des Fortschritts, die zwar technologisch und ökologisch naiv die Ausbruchsstimmung der jungen Architektengeneration widerspiegeln (Abb. 2): Von Kybernetik und Automatisierungstechnologie gesteuert, funktioniert die kit-of-parts Architektur der beiden Ebenen wie eine offene Matrix, in der die infill-Elemente und vertikalen Fördermodule wie Computerschaltkreise gestaltet werden. Ein weiteres Projekt dieser Zeit ist der in Anlehnung an Archigrams Cushicle entstandene „Kuhwickel“ oder „cow-cicle“ (1967), der statt eines gebauten Kuhstalls einen mobilen techno-suit vorschlägt, um für eine dezentrale optimisierte Klimatisierung der Tiere zu sorgen (Abb. 3).
Seit den frühen 1970er Jahren experimentierte Frey auch mit nachhaltig energieeffizienten Strukturen und entwickelte vielfältige Entwürfe für Überdachungen, Gewächshäuser, Membrane und andere klimaaktive Gebäudehüllen. Es werden verschiedene Grade einer wohltemperierten Umgebung durch die Verwendung technischer Hilfsmittel erreicht, die wie funktionale Instrumente an den Körpers angepasst werden und so das individuelle Aktionsspektrum erweitern. Ein Beispiel dafür sind Freys Studien der „Sundomes“ (1970–1971), die aus einem Baukastensystem mit doppelt gekrümmten Schalenelementen mit wärmeisolierenden Sandwichplatten bestehen und unterschiedliche Raumkonfigurationen für spezifische Wohnformen ermöglichen (Abb. 4). In diesen frühen Entwürfen denkt Frey die firmitas der Architektur neu und entwickelt eine Form von Nicht-Architektur (non-architecture), die mit minimalen Interventionen eine maximale Flexibilität in der Nutzung ermöglicht.

Prototypische Sonnenhäuser

Am Institut für Umweltforschung in Graz widmete sich Frey ab 1974 der systematischen Erforschung alternativer Energiequellen, vor allem in der Solararchitektur, und experimentierte mit selbst entworfenen Sonnenkollektoren und innovativen Systemen zur Solarenergiespeicherung. Als erster Prototyp eines Sonnenhauses in Österreich gilt sein Haus Fischer am Grundlsee (1972–1978), bei dem die Kollektoren einen integralen Bestandteil der Wandkonstruktion der Südfassade sind und in Zusammenwirken mit der Speichermasse die Grundlage der Luftheizung bilden (Abb. 5). Die Optimierung der äußeren Form stellt einen Hauptfaktor des Energiezirkulation dar und wurde durch einen komplexen, auf Berechnungen und Versuchen basierenden Prozess entwickelt, während heute Planer von energieeffizienten Gebäuden auf eine Vielzahl von Simulationsmethoden zurückgreifen können, um die thermische Leistung der verschiedenen Räume zu bewerten. Wesentlich für Freys interdisziplinäre Untersuchungen dieser terra nova war jedoch auch der ständige Informationsaustausch mit Wissenschaftlern, Architekten, Handwerker und den Nutzern selbst, die durch die effiziente Steuerung der Solaranlagen eine wichtige Rolle inne hatten.
Nach dem gleichen konstruktiven Ansatz einer funktionalen Hülle mit integrierten Speicherelementen entwarf Frey die „Solardusche für Älpler“ (1980) auf der Strositz-Alm in der Nähe von Aflenz (Abb. 6). Dieser Entwurf besteht aus einer spiralförmigen Wand aus Rinden und einem einfachen Industrieheizkörper, der als Sonnenkollektor funktioniert, um so eine Dusche mit heißem Wasser auf rund 1200 Meter über dem Meeresspiegel zu bauen – da Sonnenenergie und Quellwasser die einzig verfügbaren Ressourcen waren. Dieses kleine Meisterwerk kann auch als ein typisches folly, oder ironischer Kommentar über die Grenzen des technologischen Fortschritts, interpretiert werden. Mit dem Haus Zankel in Prévessin in der Nähe von Genf (1976–1985) konnte Frey ein Solarhaus mit dem wohl aufwendigsten Energiekonzept verwirklichen (Abb. 7). In Zusammenarbeit mit Karl Zankel entwickelte er ein experimentelles System, bei dem die gesamte Südfassade des Gebäudes als Sonnenkollektor funktioniert. Diese selbst gebauten Solarelemente bestehen aus mehreren Lagen Tedlar-Folie, die zwischen maßgeschneiderte Aluminiumfolien fixiert sind. Neben dem aktiven Solarenergiekonzept dient auch die gesamte Raumorganisation mit der dreigeschossigen Halle, die mit transparenten Kunststoffbahnen überspannt ist, als passive thermische Zone. So integrierte Frey auch in diesem Entwurf die technischen Anlagen der Solarheizung sowohl formal als auch funktional in die Geometrie des Gebäudes. Doch da beim Haus Zankel ebenso wie beim Haus Fischer die technische Bedienung und Kontrolle der einzelnen Solarkomponenten durch die Nutzer wesentlich für die Funktionsweise waren, wurden schließlich die Solaranlagen beider Sonnenhäuser durch mangelhafte Wartung und technische Mängel außer Betrieb gesetzt.
Als weiteres, doch voll funktionstüchtiges Solarhaus bezieht der Entwurf des Kindergartens Pachern in Hart bei Graz (1997) auch die natürlich Topographie mit in das Energiekonzept ein (Abb. 8). Das Haus öffnet sich für die passive Solarenergienutzung buchstäblich in Richtung des südlich abfallenden Hanges, während die Nordseite halb eingegraben als Dachgarten und Spielwiese für die Kinder geplant wurde.

Frey veröffentlichte die Ergebnisse seiner empirischen Grundlagenforschung im Handbuch für Energieberater (1976), das eine umfassende Darstellung von Parametern und Diagrammen für eine energiewirtschaftliche Berechnung beinhaltet. Auf der Basis dieses Datenpools gründete er im Jahr 1976 die „Energieberatung Steiermark“ und führte mit einem mobilen Bus für Beratungsgespräche die erste systematische Feldstudie über Energieeffizienz durch (Abb. 9). Freys Ansatz kontrastierte mit der etablierten Praxis dieser Zeit, da er die Kategorien der ökologischen Leistungen nicht nur auf den Energieverbrauch des Lebenszyklus des Gebäudes selbst sondern auch auf die ‚graue Energie’ des gesamten Produktionsprozesses bezog. Diese Herangehensweise zeigt auch die wichtige Wirkung seiner bottom-up-Strategie, sodass vor allem der Informationsaustausch zwischen Forschern und einzelnen Nutzern den Ausgangspunkt einer nachhaltigen Energiewirtschaft bildet.

Freys Lebenswerk zeigt eine erstaunliche Kontinuität und Originalität seines Entwurfswissens in Bezug auf die bereits von der klassischen Moderne aufgeworfenen Fragen einer ‚wohltemperierten Umgebung’, die in Freys Architektur jedoch trotz komplexer Interaktion zwischen neuen Technologien und räumlichen Konzepten immer den Menschen und seine sich verändernden Umweltbedingungen in den Mittelpunkt stellt.

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