14/12/2007
14/12/2007

„Detour“ _ Das kleine (15 x 19 x 0,6 cm) Buch entführt in die oberitalienische Architektur der 1960 – 1970er Jahre. Der Umschlag vorne und innen zeigt den Schnitt durch eine Wohneinheit des Hotels in Ivrea mit privater Dachterrasse und Schiebedach. Auf der Rückseite der dazu gehörende Grundriss.

(1) Casa Rossa, das rote Haus in Udine, 1965-1966 von Gino Valle. Das gut erhaltene Beispiel steht für die Auseinandersetzung mit dem traditionellen Bauen, gleichzeitig aber auch für deren Verfremdung. Sämtliche Oberflächen sind gleich eingefärbt und ungewöhnliche Details wie Schlitze im vorgezogenen Dach wurden eingearbeitet.

(10) Geschäftshaus in Mira, 1969 von Iginio Cappai und Pietro Mainardis. Gelb - wie frisch gestrichen leuchtet das Haus, das seinen Besitzer noch immer mit Stolz erfüllt.

10 Bauwerke in 9 Orten besucht Martin Feiersinger, Architekt in Wien in den Jahren 2005 und 2006 um einen nuen Blick auf vertraute Werke der Nachkriegsmoderne zu richten. Vertraut in dem Sinne, dass er sie aus Monografien, Zeitschriften oder Vorträgen kannte. Aber was ist aus den Bauten geworden?

(5) Appartementhaus in Ivrea, 1969-1974 von Roberto Gabetti und Aimaro Isola. Das Haus ist von einer Seite ein Damm und von oben eine bogenförmige Promenade. Ein „Nichtgebäude“ laut Definition der Architekten.

(6) Hotel in Ivrea, 1967 –1975 von Iginio Cappai und Pietro Mainardis. Die Wohnmaschine, die für Mitarbeiter der Firma Olivetti errichtet und bald darauf in ein Hotel umgewandelt wurde, steht heute leer. Nur Kino und Schwimmbad im Sockelgeschoß sind in Betrieb.

"Detours", ein Buch im handlichen Format von Martin Feiersinger mit Blick auf exemplarische Beispiele der italienischen Nachkriegsarchitektur fokussiert auf Oberitalien.

Wer Ende der 1960er Jahre Architektur studierte, hatte sich selbstverständlich für Italiens Ingenieur- und Architekturschaffen zu interessieren, bildete sich doch gerade dort nach den Wiederaufbaujahren eine besonders eigenwillige und differenzierte Auseinandersetzung mit Architektur heraus. Wie bedeutend etwa Gino Valle, Vico Magistretti, Angelo Mangiarotti und andere Kollegen waren und wie ihre Bauten - bis heute gültige - Qualitätsstandards setzten, kann anhand der vorgeführten zehn Beispiele der 1960er und 1970er Jahre in Martin Feiersingers Buch mit dem Titel „Detour“ nachvollzogen werden.

Feiersinger näherte sich dem Thema in Schritten. Auf die Recherche in Fachzeitschriften und Monografien folgten der Besuch von Vorträgen und persönliche Reisen aus denen sich umfangreiches Material ansammelte, das auf eine Fortsetzung der Publikation wartet. Seine Art des Reisens abseits bekannter Routen ist den Individualisten der Architekturrezeption zueigen, die sich weniger der „klassischen“ Ikonen, sondern spezifischen Formulierungen des Bauens annehmen. Feiersinger eröffnet mit „Detour“ einen Blick auf die den italienischen Architekten zueigne Haltung, die sich in der Abkehr von der Moderne der Bauhausarchitektur zusammenfassen lässt. Dem akademischen Credo setzten die sie eine Vielfalt formalen und konstruktiven Ausdrucks gegenüber.

„Detour“ beginnt in Udine bei der (1) Casa Rossa von Gino Valle, mit der Position „ein Haus ist ein Haus“, und endet in Mira bei der (10) Casa Gialla der Architekten Cappai und Mainardis, mit der Position „ein Haus ist eine Maschine“. Die Beobachtung richtet sich dabei ebenso auf den gegenwärtigen Zustand wie auf das gewandelte Umfeld. Die Fotodokumentationen zeigen die Normalansichten, ohne spektakuläre Überhöhungen oder Verzerrungen und Blickpunkte, die in den Bildern aus der Entstehungszeit oftmals gemieden wurden.

Logischer Aufbau, ganz- und doppelseitige Fotos, Pläne, knappe Projektbeschreibungen in Deutsch und Englisch und eine detaillierte Bibliografie machen das kleine Buch zu einem sicheren Wegweiser zu den vergessenen Zeugen der italienischen Moderne.

MARTIN FEIERSINGER
Detours. 1960s Architecture: Italy
Ten Modern Buildings Revisited
2007, Schlebrügge Editor

Deutsch/Englisch, 64 Seiten
ISBN 978-3-85160-116-9
€ 15,00

BIOGRAFIE:
Martin Feiersinger, geboren 1961 in Brixlegg, Tirol, Ausbildung 1975-80 in der HTL für Hochbau, Innsbruck, 1981-86 an der Hochschule für angewandte Kunst, Meisterklasse Prof. Holzbauer, Wien (Mag.arch.), 1987-89 Postgraduate Studium an der Rice University, Houston (Master of Architecture) und Teaching Assistant an der Rice University, Houston. Praxis in Architekturbüros in Wien, Houston und Chicago. Seit 1989 eigenes Büro in Wien. Werkverzeichnis siehe nextroom-Datenbank.

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