05/01/2015

gat.st veröffentlicht in der Serie young theory theoretische Diplomarbeiten und Dissertationen, die im Zusammenhang mit Architektur, Städtebau und Umwelt stehen.

neues|entwerfen von Toni Levak ist 2014 als Diplomarbeit an der TU Graz entstanden. Die Arbeit wurde von Ass.Prof. Mag.art. Dr.phil. Daniel Gethmann, Institut für Architekturtheorie, Kunst- und Kulturwissenschaften betreut.

05/01/2015

Projektanalyse: Nelsons Studien im Vergleich zur Theorie

©: Toni Levak

Diagramanalyse: Nelsons Studien im Vergleich zur Theorie

©: Toni Levak

Analysediagramm: Arbeitsschema zu Nelsons Verfahren

©: Toni Levak

Relationsdiagramm: Dialektik und Paul Nelson

©: Toni Levak

Matrix: Entwicklungsphasen von Paul Nelson

©: Toni Levak

Der Output bestimmt den Alltag, doch die bauorientierte Architekturpraxis findet kaum Platz für Diskussionen über ihr eigenes Handeln oder für eine aktuelle Auseinandersetzung mit der Arbeit des Entwerfens im eigentlichen Sinn. Dialektik, Entwurfsprozess, Entwurfstheorie, heuristische Verfahren, dialektische Verfahren, dialektische Stufen, Brainstorming, Ordnungsprinzipien treten als Verfahren in den Hintergrund, wenn wir ökonomisch und normgerecht den Ansprüchen der Auftraggeber Folge leisten möchten. 

Die Diplomarbeit bietet einen Einblick, wie im Spannungsfeld von bauorientierter Praxis und dem Wunsch nach künstlerischem Schaffen Werkzeuge entwickelt werden, um im Bereich des Machbaren auf die Probe gestellt zu werden. Von der Entwurfstheorie des 1895 in Chicago geborenen amerikanisch-französischen Architekten Paul Nelson ausgehend behandelt die Arbeit die Rolle von heuristischen Verfahren in der Konzeption von Entwurfsschritten. Laut Nelson gliedert sich das architektonische Entwerfen in drei dialektische Stufen: 1. The non-architectural analysis; 2. The translation of this analysis into architectural program; 3. The architectural synthesis. Nelson integriert somit architektonische als auch nicht-architektonische Faktoren in seinen Entwurfsprozess und entwickelt ein dialektisches Verfahren, um aus den Differenzen einzelner Faktoren einen Entwurf zu generieren.
Es geht darum aufzuzeigen, inwieweit sich komplexe Sachverhalte ordnen beziehungsweise gruppieren lassen und wie diese in weiterer Folge eine Gestalt annehmen können – einerseits auf dem Papier in Form eines Diagrammes und andererseits in der Ausführung von bestimmten Schritten am Rechner oder auf der Baustelle. Welche Synthese kann sich aus diesem Spannungsfeld von ausführbarer Realität und Individuum ergeben?

Der heterogene Aufbau der Diplomarbeit stellt Auszüge aus der Biografie des Architekten und grafische Abhandlungen seines architektonischen Lebenswerks gegenüber. Aus beiden entwickelt die Arbeit Nelsons Begriff des Forschens im Entwurf im Kontext der Moderne. Über eine schlaglichtartige Abhandlung unterschiedlicher Schlüsselerlebnisse im Leben von Paul Nelson und seinem konfliktorientierten methodischen Vorgehen stellt die Diplomarbeit das Potenzial heuristischer Verfahren sowie die Relevanz des „Brainstorming“ im Entwurfsprozess zur Diskussion. Das Ziel dieser Abhandlung ist es, das Werk von Nelson, seine Motivation und das seinem Verfahren immanente Ordnungsprinzip zu untersuchen. 
Das Entwerfen hat eine innere Logik und es gilt diese zu beschreiben. Einerseits, um die Möglichkeit zu haben, Schnittstellen zu anderen Disziplinen herzustellen sowie neue Felder zu beschreiben, die auf den Spuren der wissenschaftlichen Verfahren und im Design legitimiert werden können, und andererseits, um den Formalismus zu durchbrechen. 

Das Potenzial liegt darin, Konzepte unabhängig von stilistischen Strömungen und Moden zu entwickeln und Architektur faktisch als etwas Generelles zu begreifen. Es geht um Arbeitsoptimierung und um den Versuch der „Raumprogrammierung“, die anhand menschlicher Maßstäbe und weniger auf Grund formaler Aspekte einer Architekturschule entworfen wird. Es gilt durch analytische Schritte künstlerische Elemente zu vereinen, einzelne Arbeitsschritte klar zu definieren und Strategien zu entwickeln, die das Lehren sowie auch die Kommunikation des Inhaltes auf strukturierte Art ermöglichen. Kenneth Frampton schreibt über Paul Nelson:

„ […] by separating the elements and reducing the complexity of their articulation, he is better able to control their combinations. Each element acquires a conceptual autonomy, and this results [!] in a basic vocabulary that allows him to deal with complex eventualities.“ (1) 

Man braucht Daten und Fakten, die in weiterer Folge über die eigenen Arbeitsfelder hinaus Vergleiche entstehen lassen können. Nur eine stetige Wandlung des eigenen Zugangs zur Gegebenheit ermöglicht eine der Situation angepasste Transformation. Dadurch verfolgt man eine Art dynamische Informationsgenerierung, die zyklisch neue Varianten der Anforderungen wie Bedürfnisse oder Wünsche erzeugt und zugleich auch Archive des bereits Gedachten anlegt. Es manifestiert sich dann eine Art „Spurenlesen“, die sogleich durch das Überwachen und Ordnen der eigenen Arbeitsschritte des Entwurfes eine messbare Objektivität gewährleistet und die Entwerfer veranlasst, sich dem „modus operandi“ zu fügen. 

„You have to start always from what you must do and not from what you do, […] that always allows [you] to return to what you can do! […].“ (2) 

Die Diplomarbeit als solche befasst sich somit mit dem Entwurf als Konzeption von Sachverhalten und mit Nelsons Verfahren, welches zwischen baupraxisorientierten Handeln und bedürfnisorientierten Entwerfen eine Verbindung erzeugt. 


(1) Kenneth Frampton in: Riley, Terence/Abram Joseph (Hg.): The Filter of Reason, Work of Paul Nelson, Rizzoli/cba, 1990, S. 26.
(2) Nelson zit. n. Riley, Terence/Abram Joseph (Hg.): The Filter of Reason, Work of Paul Nelson, Rizzoli/cba, 1990, S. 139.

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