14/11/2013

Sanierungstag 2013
Dienstag, 5. November 2013
9:30 - 17:30 Uhr

14/11/2013

Vortrag von Wolfgang Amann, Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen. Sanierungstag 2013 im Architekturzentrum Wien

©: Christian Müller

Sanierungstag 2013 im Architekturzentrum Wien

©: Christian Müller

Resümee des zweiten Sanierungstags der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten und des Fachverbands Steine-Keramik (WKO)

Sanieren ist Werterhaltung von Immobilien im Lebenszyklus. Notwendig dafür sind Gesamtkonzepte und ein breites Bewusstsein in der Gesellschaft. Darüber waren sich die TeilnehmerInnen des zweiten Sanierungstags einig. Die Themen: Baukultur, Kreislaufwirtschaft, Lebenszyklusbeiträge, Klimaziele, ergänzt um Best-Practice-Beispiele. Abgeleitet wurde daraus ein Forderungskatalog an die Politik, um den Immobiliensektor für die Zukunft fit zu machen. Veranstalter des Sanierungstags war der Ausschuss für Nachhaltiges Bauen der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten gemeinsam mit dem Fachverband Steine-Keramik der Wirtschaftskammer Österreich.
Den Beitrag des energieeffizienten Sanierens zum Erreichen der Klimaziele herauszustreichen und auf breiter Ebene bewusst zu machen: Das war das Ziel des zweiten Sanierungstags. Die heißen Eisen in der Diskussion: Was umfasst ein Gesamtkonzept? Wie wichtig ist der baukulturelle Aspekt der Sanierung? Was muss bei der lebenszyklischen Werterhaltung von Immobilien berücksichtigt werden und wie kann ein Lebenszyklusbeitrag unterstützen?

Robert Schmid, Fachverband Steine-Keramik der Wirtschaftskammer Österreich: „Nachhaltige Gebäudesanierung in entsprechender Qualität ist Werterhalt für Generationen.“ Er forderte neben dem Einsatz von Hausverstand verpflichtende Gesamtkonzepte statt rein thermischer Maßnahmen: „Denn nur diese können klare Antworten auf die Fragen der Kreislaufwirtschaft, Ressourcenschonung und Qualität der Baustoffe und deren Verarbeitung geben.“ Ursula Schneider, Vorsitzende des Ausschusses Nachhaltiges Bauen der bAIK, ergänzte: „In der Sanierung fehlt es an lebenszyklusorientiertem Denken und baukulturellen Leitbildern.“ Langfristige Werterhaltung bedeute eine konstante Entwicklung entsprechend der geänderten Bedürfnisse, Bedingungen, aber auch Möglichkeiten. Außerdem hätten Immobilien eine volkswirtschaftliche Dimension, da sie wesentlichen Anteil am Ressourcenverbrauch und dem Erreichen der Klimaziele trügen: „Sie sind nicht nur Privatsache.“

Andreas Sommer, Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend, nannte
drei Aspekte der Wohnbauförderung: wirtschafts-, sozial- und umweltpolitische. „Der Bundes-Sanierungsscheck ist eine Art der Wohnbauförderung, die alle drei abdeckt.“ Sanierung sei zwar eine wirtschaftliche Herausforderung, doch wurden im Rahmen des Bundes-Sanierungschecks zwischen 2009 und 2013 2,4 Milliarden Euro umweltrelevante Investitionen getätigt, 298 Millionen Euro Förderungen, also nicht rückzahlbare Zuschüsse, ausgeschüttet und 36.200 Arbeitsplätze geschaffen. Durch die gesetzten Maßnahmen könnten jährlich 378.000 Tonnen CO2 eingespart werden, unterstreicht Sommer.

Für Matthias Boeckl, Universität für angewandte Kunst Wien, ist Sanierung der Umgang mit der Baugeschichte und der Gegenwart. Es gehe darum, einen Mehrwert für die Gesellschaft zu schaffen, denn Sanierung liefere kulturelle und politische Aussagen. „Sanierung ist keine rein technische Frage, sie trifft auch eine Aussage über unser Verhältnis zur Vergangenheit und zur Zukunft“, so Boeckl. Im Sinne einer demokratischen Politik forderte er einen Interessensausgleich. Denn eine gelungene Lösung sei nur, wenn die Bedürfnisse mehrerer Interessensgruppen berücksichtigt würden.

Als die drei größten Kostentreiber eines Gebäudes sieht Eveline Balogh, Oesterreichische Kontrollbank AG, Energie, Reinigung und technisches Gebäudemanagement. Die konstante Pflege von Gebäuden sei wichtig, um deren Bestandsdauer, als den Lebenszyklus zu verlängern. „Der Lebenszyklus eines Gebäudes beinhaltet schließlich auch den Abriss.“ Sie forderte ein konsistentes Facility Management, denn dann könne sich Sanierung auf die Anpassung an aktuelle Bedürfnisse konzentrieren.

„Der größte CO2-Antreiber ist der Mensch“, so Johannes Wahlmüller von Global 2000. „Die gute Nachricht dabei ist, dass wir alles, was wir selbst verursacht haben, auch selbst lösen können.“ Er forderte eine Sanierungs-Milliarde, um die notwendigen Investitionen in Gebäudesanierungen tätigen zu können. Doch Wahlmüller warnte auch vor dem sogenannten Lock-in-Effekt: „Nutzen wir bei Sanierungen nicht das maximale Energie- Einsparpotenzial, werden wir in Zukunft nicht nachkommen.“ Seine Forderung umfasste somit, die Sanierungsrate sowie deren Qualität zu heben, um den Kampf mit den Klimazielen nicht zu verlieren oder auf die volkswirtschaftliche Komponente von Sanierung zu verzichten.

Nach der Krise 2008 wurde erkannt, dass Sanierung ein wesentlicher wirtschaftlicher Stabilisator sein könne, erklärte Wolfgang Amann, Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen. Jedoch gehe es darum, die Menschen zu aktivieren und die ausgesprochen hohe Bereitschaft zur Sanierung umzusetzen. Der Lebenszyklusbeitrag könne eine Maßnahme im Finanzierungsmodell von Sanierungen sein. Eine weitere Forderung Amanns betrifft eine Reform des Wohnrechts hin zu einem europäischen Best-Practice-Modell: „Dabei muss berücksichtigt werden, dass nicht alle Wohnrechtssektoren auf dieselben Maßnahmen gleich reagieren. Es müssen unterschiedlichste Maßnahmen getroffen werden.“

Im Mittelpunkt des Vortrags von Burkhard Schulze Darup, Schulze Darup & Partner Architekten, stand das Thema "Energetische Sanierungen versus Baukultur". Auch baukulturell seien unterschiedliche Maßnahmen für unterschiedliche Bautypen gefragt: „Wir müssen uns Gedanken machen, wie wir mit Details umgehen, sei es mit Backsteinschalen oder Gründerzeithäusern; es stehen verschiedene Instrumente und Maßnahmen zur Verfügung.“ Schulze Darup wies darauf hin, dass nicht immer ein Vollkonzept umgesetzt werden könne, es sei oft eine Entwicklung über Jahrzehnte. Er meinte seinen Berechnungen für klimaneutrale Stadtquartiere nach, läge eine langfristige Sanierungsrate zwischen 2 und 2,5 Prozent.

In zwei Blöcken zeigten ArchitektInnen aus Österreich und dem umliegenden Ausland Best- Practice-Beispiele. Sie veranschaulichten, was mit einem ganzheitlichen Zugang, Kreativität, einem integralen Planungsteam und mit der Berücksichtigung von baukulturellen und sozialen Gegebenheiten möglich ist. Martin Treberspurg stellte zudem energieeffiziente Sanierungsprojekte vor, die mit dem ETHOUSE Award ausgezeichnet worden sind.

Die Politik in die Pflicht genommen
In einem 7-Punkte-Katalog wurden Forderungen für verpflichtende Nachhaltigkeitsstandards für Sanierungen an die Politik zusammengefasst. Damit könne der Immobiliensektor für die Zukunft gerüstet werden – im volkswirtschaftlichen, gesellschaftlichen und ökologischen Interesse.

1. Baukultur
Die Entwicklung von baukulturellen Leitbildern in der Sanierung, denn nachhaltige Sanierungen müssen auf baukulturelle Herausforderungen antworten.

2. Sanierung mit Kreislaufwirtschaft
Gebäudesanierung muss einen wesentlichen Beitrag zur Ressourcenschonung und Kreislaufwirtschaft leisten.

3. Zur Emissionsreduktion verpflichtet
Verpflichtende Emissionsreduktion des Gebäudebestands um 50 Prozent bis 2030.
Das EU-Gesamtziel, die Emissionen aus dem Gebäudebestand bis 2050 um 90 Prozent zu verringern, ist nur mit Niedrigstenergiestandard und energieproduktiven Gebäuden zu erreichen.

4. Von ein auf drei Prozent
Eine rasche Anhebung und Stabilisierung der Sanierungsrate auf drei Prozent aller Gebäude Österreichs.

5. Verdoppelung der öffentlichen Finanzierung
Verdoppelung der öffentlichen Finanzierung von Bund und Länder auf
1,6 Milliarden Euro, um die thermische Sanierungsrate durch wohn- und förderrechtliche Maßnahmen zu erhöhen.

6. Anreizsystem für lebenszyklische Wert-Erhaltung
Eine steuerliche Förderung oder ein Anreizsystem für Immobilienbesitzer, die durch eine umfassende nachhaltige Sanierung konstant für die lebenszyklusweite Wert-Erhaltung ihrer Immobilien sorgen, soll der volkswirtschaftlichen Bedeutung Rechnung tragen.

7. Gesamtkonzept
Verpflichtende umfassende Gesamtkonzepte, die auch die baukulturelle, funktionale und soziale Wert-Erhaltung berücksichtigen, statt rein thermischer Maßnahmen. Qualitätssicherung durch allgemein anerkannte Gebäudezertifikate muss gewährleistet werden.

Eigentum verpflichtet
In einer Publikumsdiskussion wurden zwei Forderungen als Botschaft an die Regierungsparteien hervorgehoben: Gesamtkonzepte, die auch den baukulturellen Aspekt berücksichtigen sollen, und die Schaffung von Anreizsystemen, „ohne die Eigentumsrechte anzukreiden“, wie Andreas Pfeiler vom Fachverband Steine-Keramik betonte. „Immobilienbesitzer müssen sich bewusst werden, dass sie ein Objekt von volkswirtschaftlichem Interesse besitzen. Für diese Veränderung der Perspektive sind Leute notwendig, die den Ball so lange rollen, bis er ins Loch gefallen ist“, bringt Schneider das Anliegen auf den Punkt.

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