22/05/2012
22/05/2012

Screenshot (zum Video gelangen Sie über den Link am Ende dieser Seite)

„Das, was den Altbau ausmacht, ist die Patina. Die Patina ist das, was der Altbau schon alles erlebt hat, eine Sache, die Geschichte geschrieben hat. Als Architekt muss man sich damit beschäftigen, man muss sozusagen diese Geschichten und die Schichten an dem Objekt wieder abkratzen, um auf das zu kommen, was man selber dazugeben möchte: die eigenen Positionen. (…) Ich halte es für völlig falsch, wenn man versuchen würde, all das, was die Geschichte geschrieben hat, oder das, was die Geschichte gebaut hat, oder das, was in der Geschichte passiert ist, auslöscht. Ich halte davon überhaupt gar nichts. (…)“

So Michael Szyszkowitz (Architekt, Universitätsprofessor, seit 2011 Träger des Großen Goldenen Ehrenzeichens des Landes Steiermark und seit 1989 stellvertretender Vorsitzender der Altstadt-Sachverständigen-Kommission Graz) in einer Videobotschaft, die diametral entgegengesetzt zum im „G7“ der Kleinen Zeitung (20.05.2012, "Steirer sind leider keine urbanen Menschen") aktuell kolportieren Kurswechsel der Altstadt-Sachverständigen-Kommission (ASVK) steht: Schleifung von historischen Vorstadthäusern und dafür Neubauten, massive Verdichtung der Gründerzeit- und Villenviertel sowie Erhöhung der Dichte in der Innenstadt, u. a. auf dem Andreas-Hofer-Platz und Nikolaiplatz. Die ASVK-Spitze, Wolfdieter Dreibholz und Michael Szyszkowitz, stellten sich damit klar auf die Seite von Investoren und verlieren das eigentliche Ziel des Grazer Altstadterhaltungsgesetzes (2008) außer Augen, in dem es heißt: „Die Ziele dieses Gesetzes sind die Erhaltung der Altstadt von Graz in ihrem Erscheinungsbild, ihrer Baustruktur und Bausubstanz sowie die Aktivierung ihrer vielfältigen urbanen Funktion. Diesen Zielen kommt ein vorrangiges öffentliches Interesse zu. Dieses Gesetz soll überdies einen Beitrag zur Erhaltung der Altstadt von Graz als UNESCO-Weltkulturerbe leisten.“
Die ASVK, die im Zuge von Baubewilligungen Gutachten über Gebäude innerhalb der Schutzzone erstellt, sollte daher nicht im Vorfeld Investoren ihre Zustimmung zum Abbruch von Bauwerken in Aussicht stellen. Ein Abbruchbescheid darf vielmehr erst dann erteilt werden, „wenn die technische Unmöglichkeit der Behebung der Baugebrechen erwiesen oder die wirtschaftliche Unzumutbarkeit trotz Einbeziehung von zugesagten Förderungen gegeben ist“. Zudem kann die ASVK bei der Baubehörde Anzeige erstatten, wenn Bauwerkseigentümer ihren Verpflichtungen zur Erhaltung nicht nachkommen. Außerdem ist es nicht Aufgabe der ASVK, Urbanität über Dichteerhöhungen zu forcieren. Soziales urbanes Leben lässt sich ohnedies nicht über Verdichtung erzeugen und erzwingen.
Die ASVK täte also gut daran, wenn sie sich im Sinne einer Bewusstseinsbildung und einer qualitätsvollen Planung in den Schutzzonen auf ihre Aufgaben und Pflichten besinnt und dementsprechend agiert.

Dem Ruf der ASVK ist es außerdem nicht zuträglich, wenn sich der eingangs zitierte, stellvertretende Vorsitzende Michael Szyszkowitz der Immovate Projektentwicklungs GmbH für Werbezwecke auf deren Homepage zur Verfügung stellt. Er tut dies mit einem Videointerview: Dabei geht er zwar nicht direkt auf sein (Arbeits-)Verhältnis zum Projektentwickler ein, stellt sich diesem allerdings zur Emotions- und Atmosphärenvermittlung zur Verfügung. Zudem sind auf der betreffenden Homepage einige Projekte Szyszkowitzs wie die Tourismusschule Bad Gleichenberg und die Sparkassenhöfe am Andreas-Hofer-Platz abgebildet, die nicht direkt mit Immovate in Verbindung stehen. Der Projektentwickler versucht damit offensichtlich, Sachkompetenz mit Erlebniskompetenz zu vereinen, welche die Homepage mit Lifestyle-Motiven generiert, und vermittelt mit dieser Imagewerbung eine eindeutige Werbebotschaft. Szyszkowitz, der laut Homepage in den vergangenen Jahren drei Projekte mit Immovate umgesetzt hat – Wohnbau Morellenfeldgasse 42 und 44 sowie zuletzt gemeinsam mit dem Architekten Andreas Harich den „Kleinen Elefanten“ in der Albrechtgasse 4 – bewegt sich jedenfalls damit im Bereich einer Interessenskollision.
Als Mitglied der ASVK, in die er vom Land Steiermark bestellt wurde, unterliegt Szyszkowitz dem Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG 1991) und gelobte damit, sein Amt gewissenhaft und unparteiisch auszuüben. Auch wenn er mit diesem Werbevideo rechtlich vielleicht nicht als befangen gilt, schadet es dem seriösen Ansehen der ASVK und seiner Integrität als aktives Mitglied dieser Institution. Werbeauftritte für Bauherrn, Projektentwickler und Investoren, die u. a. auch in der Grazer Schutzzone bauen, sind in dieser öffentlichen Position ein absolutes No-Go. Was auf alle Fälle entsteht, ist eine schiefe Optik.

Peter Laukhardt

Liebe Frau Kickenweitz!
Ihr Beitrag hat mich erschüttert, genauer gesagt, Ihre Mitteilung, dass Michael Szyszkowitz die Neukonzeption von Morellenfeldgasse 42 und 44 besorgte. Die Altstadtkommission hatte bei der geplanten Revitalisierung des Hauses Morellenfeldgasse 42 die nach Osten gerichtete Holz-Veranda im Obergeschoß als erhaltenswert begutachtet. Die Veranda erwies sich dann aber – wie mir die Baufirma erklärte - als desolat, musste abgebrochen und sollte durch "einen Neubau im alten Stil" ersetzt werden. Es wurde ein Wintergarten über alle drei oberen Stockwerke. Dieser wurde in der Werbung mit "Blick ins Grüne" angeboten; gemeint war sicher auch der Ausblick auf den Leonhardbach und den südlich davon liegenden schönen Matthey-Park. Die Wohnungen werden sich wahr-scheinlich gut verkauft haben. Dann kam das Projekt des Nachbarhauses zum Vorschein - ziemlich spektakulär und unmittelbar am Bachufer gelegen, was ich eigentlich für unzulässig halte. Aber. Aus dem Wintergarten kann man künftig nur mehr auf die Straße schauen, denn auch der letzte Baum vor dem Haus existiert nicht mehr. Es würde mich interessieren, was die getäuschten Käufer jetzt sagen.
Siehe auch www.grazerbe.at

Do. 24/05/2012 4:39 Permalink
Marcus Schulz

Normalerweise entspricht es nicht meinem Naturell Artikel in Internetforen oder dergleichen zu kommentieren, auch dann nicht - wie im Fall "Neubau der Parktherme Bad Radkersburg" - wenn wir als planende Architekten konkret erwähnt werden. Aber in diesem Fall empfinde ich es als meine Pflicht als langjähriger Mitarbeiter von Szykowitz-Kowalski kurz auf das angesprochen Thema einzugehen.
Ich erachte es für unseren Berufsstand als nicht sonderlich dienlich, wenn unterschwellig die Integrität, damit beziehe ich mich auch auf die verfassten Kommentare im G7, einer Person in Frage gestellt wird, die immer im Sinne des Kollektives gearbeietet hat. (Prof. Syskowitz arbeitet seit 1989 für die ASVK und war u.a. Gründungsmitglied und Präsident des HDA). Es sollte in diesem Zusammenhang auch erwähnt werden, dass durch durch die vielen gemeinnützigen Tätigkeiten von Herrn Prof. Szyszkowitz viele Dinge des Arbeitslebens im eigenen Büro hinten an stehen mussten.
Natürlich ist es als Grazer Architekt normal , dass man auch bemüht ist in der eigene Stadt planerisch tätig zu sein. Dass man sich dadurch einer grossen Angriffsfläche ausliefert ist leider, wie die Berichterstattung vergangener Tage beweisst, das Risiko für den Einsatz für das Kollektiv.
Ich finde es richtig und notwendig, dass in der ASVK u.a. Architekten vertreten sind, die auch in Graz werken und wirken und eine hohe Affinität zu dieser Stadt besitzen. Es sollte sich jeder in diesem Zusammenhang fragen, und ich möchte meine Person in dieser Frage nicht ausschliessen, in wie weit er ausserhalb der normalen Tätigeit für unseren Berufsstand bereit ist zu arbeiten und ob solche Berichterstattungen wie Sie in den letzten tagen zu lesen waren motivierend sind gemeinnützige Ämter anzustreben.

Sa. 09/06/2012 3:18 Permalink
b.bertold

An sich darf man schon über neue Herangehensweisen und Neuerungen nachdenken und diskutieren. Leider ist zu befürchten, dass die beiden Herren wie Landesfürsten agieren werden und es keine breiten Diskussionen für Neuerungen geben wird, sondern Entscheidungen, die woanders gefällt werden als in einer offenen Diskussionsrunde oder im Rahmen von ASVK Sitzungen.

Mi. 23/05/2012 10:59 Permalink
anonym

Da ist übrigens ein sehr schönes stimmiges Interview (siehe link), es entspricht natürlich überhaupt nicht dem was man in den letzten Tagen (G7) lesen konnte, da gebe ich Petra Kickenweitz Recht.
Am Ende des Interviews sagt Architekt Michael Szyszkowitz : „Wenn auf einem Gebäude steht : Pfeil Eingang, ist schon alles falsch, wenn man nicht sofort in der Aussagekraft erkennen kann…“, wo man hineingehen soll.
Warum wurde dann im Neubau der Steiermärkischen Sparkasse (vormals „Brandlhaus“) an der Seite zum Andreas- Hofer-Platz kein Kundeneingang errichtet? Nicht einmal ein Pfeil steht dort, wo sich der Eingang befindet. Der große Gebäudekomplex verschließt sich dem Platz völlig. Nun ist dort eine tote Zone entstanden und sie wird auch niemals mehr erwachen.
Und wenn der Platz dann kein Platz mehr sein wird, wird die Situation auch nicht besser werden.

Mi. 23/05/2012 8:00 Permalink
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