11/09/2018

Wolkenschaufler_14

Versuch in Pataphysik

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Die Kolumne Wolkenschaufler von Wenzel Mraček zu Lebensraum, Kunst und Kultur(-politik) erscheint jeden 2. Dienstag im Monat auf GAT.

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11/09/2018
©: Wenzel Mraček

Forum Stadtpark

©: Wenzel Mraček
©: Wenzel Mraček

Pfauengarten

©: Wenzel Mraček

Karmeliterplatz, Pfauengarten

©: Wenzel Mraček

Vom Pfauengarten in Richtung Stadtpark

©: Wenzel Mraček

Durchgang zum Stadtpark

©: Wenzel Mraček

Vom Pfauengarten in Richtung Parkhouse

©: Wenzel Mraček

Augarten, hierher die Bucht

©: Wenzel Mraček

Ich sinniere so vor mich hin. Gelegenheit, den Titel dieser Kolumne endlich zu erläutern. Simenons Kommissar Maigret – müßig zu erwähnen: eine fiktive Figur – hat die Angewohnheit, sich immer wieder kurzzeitig scheinbaren Absencen hinzugeben. Die Kollegen, die den anwesend Abwesenden beobachten, äußern sich einigermaßen abfällig und stellen fest: er schaufelt wieder Wolken. Zudem mein Name, nach dem ich, übersetzt, „Wölkchen“ hieße. Ach wie gut, dass niemand weiß, dass ich … heiß‘.

Was aber tut Maigret, während er seine Wolken schaufelt? Er spinnt die Fäden – siehe Rumpelstilzchen – des aktuellen Falles zu einem Gewebe, zu einer der Lösung seiner Untersuchungen zuträglichen Erzählung, die, der erzählerischen Logik geschuldet, den Gegebenheiten der fiktiven Wirklichkeit des Romans entspricht. Die erdachte Erzählung erscheint folgerichtig, dennoch bleibt alles erfunden, nur ausgedacht. Der Schriftsteller Alfred Jarry nannte die Methode logischer Entwicklung im Rahmen freier Erfindung pataphysisch.

So verstehe ich den Wolkenschaufler dieser Kolumne als von mir erfundene Figur, die vor sich hin sinniert und wirkliche Gegebenheiten in Erzählungen einbindet. Dichtung und Wahrheit mögen somit Leserinnen und Lesern zur Disposition überlassen sein.

Mehrmals, erzählte mir jüngst der Wolkenschaufler, habe er in den vergangenen Jahren einen John Doe im Café Parkhouse im Grazer Stadtpark getroffen. John Doe lebt in London und freut sich, im fußläufig gelegenen Komplex Pfauengarten eine Wohnung erstanden zu haben. Freilich werde die nicht sehr oft genutzt, die Angelegenheiten im Vereinigten Königreich ließen nicht viel Zeit. Nicht zuletzt des Brexits wegen seien ökonomische Konstellationen zu justieren. Immerhin – und wieder – blieben während der Aufenthalte in Graz Momente der Muse, in denen man in der Gesellschaft junger Menschen seinen Kaffee nehmen könne. Viele Künstler sind hier zu Gast, sagt Doe. Die kommen sichtlich vom anliegenden Forum Stadtpark auf einen Drink vorbei. Freilich sei ihm die Geschichte des Forums bekannt, eine der vorrangigen Kulturinstitutionen Österreichs – anyway …
Der Pfauengarten, eine der vorteilhaftesten Residenzen der Stadt. Es sei für Doe nicht mehr als ein sympathisches Detail gewesen, dass der Bürgermeister schon anlässlich des Spatenstichs 2003 angekündigt hatte, eine Verbindung zwischen dem Wohnareal und dem Stadtpark schaffen zu wollen. Dabei stellte er auch in Aussicht, den angrenzenden Spielplatz und den Verkehrserziehungsgarten zu erneuern.
Das hat er zu unserer Zufriedenheit auch umgesetzt. Ein Loch durch die alte Stadtmauer? Mein Lieber! Mit dem Durchgang hat er uns Eigentümern den Weg zu unserem – how do you call it? – Foregardl geschaffen. Bedenken Sie den Blick von unserer Terrasse auf den Park. Und da sollte es keinen direkten Zugang geben?
John Doe zwinkert, erzählt der Wolkenschaufler: Die Situation ist nahezu perfekt. Jetzt fehlt nur noch ein niveauvolles Café. Kein Beergardl wie es vor Jahren eure heimatorientierte Partei vorgeschlagen hat. Ich kenne die Begehrlichkeiten der vergangenen Jahre. Euer Bürgermeister ist Ökonom und in der Zeit des Baus am Pfauengarten hatte schließlich er die Idee, in diesem Stadtpark Forum ein Kaffehaus einzurichten. Das ist doch eine Frage des Komforts, den man uns Eigentümern damals avisiert hat. Hat nicht euer Schriftsteller Alten- …, ja Altenberg gesagt: „Du bist korrekt sparsam und gönnst Dir nichts – Kaffeehaus!“? Eine ideale Symbiose von Wirtschaft und Kultur. Niemand will das Schaffen der Künstler beeinträchtigen. Ich bin, wie Sie inzwischen bemerkt haben werden, mit Graz eng verbunden. Nur Neider wollen wissen, ich hätte hier im Pfauengarten allein Kapital angelegt. Nein! Ich lebe zeitweilig in Graz.
Ich kann mich noch an die Zeit erinnern, als euer Bürgermeister Stadtrat für Finanzen und Kultur war. In meiner Anwesenheit sagte er damals, „Kunst hat die Aufgabe, das Leben schöner zu machen“. Glauben Sie denn, aus solcher Haltung stößt sich jemand an einer Institution wie dem Forum? Der derzeitige Kulturstadtrat, ebenfalls ein Ökonom wie der damalige, und logischerweise auch mit den Finanzen der Stadt befasst, sieht ja ebenfalls die Vorteile dieser Idee. Ein Café bedingt geradezu die Attraktion einer Kulturinstitution für neue Klientel, für neue Kunden. Lassen Sie doch das Kalauern wie ich es schon gehört habe, wenn bei einer Bestellung auch gefragt wird, ob man eine Künstlerin oder einen Künstler zum Tischgespräch wünsche. Andererseits kommt mir da ein Gedanke. Wenn es ein Erwin Wurm wäre, hätte das Niveau. Seine Arbeiten, lese ich, zeichnen sich durch Ironie und beißenden Humor aus. Ist er nicht der teuerste Künstler Österreichs? I think I should buy some of his pieces.
Sie müssen bedenken, dass der Bürgermeister für seine Stadt nur das Beste will. Nicht von seiner Stadt, hören Sie doch damit auf! Schon als er einen Lift in den Schloßberg baute, sagte er immer wieder, dass es mit Graz nun bergauf ginge. Diesen Anstieg verfolgt er konsequent und stärkt Tourismus- und Bauwirtschaft. Er verfolgt entwicklungspolitisch relevante Projekte – ein Kraftwerk, Seilbahnen, automatische Tiefgaragen im Stadtzentrum, eine Smart City mit ausreichend Wohnraum. Wenn schon die Baumaschinen am Augarten stehen, ist das doch eine Winwin-Situation, bei dieser Gelegenheit den reißenden Fluss in einer Bucht zu beruhigen und dort auch endlich eine florierende Gastronomie anzusiedeln. Das beweist Unternehmergeist im besten Sinn und die Bewohner der neuen Wohnanlagen werden es ihm noch danken! Und Bäume! Bäume, sagte er in eurem Kunsthaus, Bäume habt ihr in der Steiermark doch genug, da kommt es auf die wenigen wirklich nicht mehr an. Der Bürgermeister ist ein geplagter Mann. Er wollte euch olympische Spiele bringen und ihr habt ihm eure Unterstützung verweigert. Wenn die Idee des Kaffeehauses nun von seinem Vize betrieben wird, wird sich der Bürgermeister von dieser leidigen Geschichte erholen können.
Apropos Kunsthaus. Sehen Sie sich das ausgezeichnet besuchte Café im Friendly Alien an. Es ist doch nur ein Ausdruck des Willens, in dem Haus die Kunst auch zu finden. Wer die Kunst will, wird sie auch bekommen. Der Arzt Hippokrates hat schon bemerkt: Vita brevis, ars longa. Das Kaffeehaus ist Teil eurer Kultur, kann aber per se die Stelle der Kunst nicht einnehmen, vielmehr wird die Kunst ergänzt. Es gilt, die Kunst in der Tradition der Kultur zu etablieren. Denken und ein Kleiner Brauner haben in Österreich – erinnern Sie sich an Altenberg – Tradition!
Im Grunde, erzählt der Wolkenschaufler, sei John Doe der Meinung, es sei doch egal, wer wo ein Kaffeehaus einrichten möchte. Man kann doch nur profitieren, gerade von einem Werk, das einst „Von allen, für alle“ angelegt worden ist. Polemisieren mögen doch die anderen!

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