10/05/2019

Wollt ihr die totale Kunst?

Emil Gruber zur Ausstellung Deuscthland#ASNCHLUSS#Östereich des Satirikers Jan Böhmermann im Künstlerhaus, Halle für Kunst & Medien Graz

Bis 19. Juni 2019

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10/05/2019

Deuscthland#ASNCHLUSS#Östereich. Ausstellung des Satirikers Jan Böhmermann im KM– Graz

©: Emil Gruber

Ausstellungsansicht, Künstlerhaus, Halle für Kunst & Medien, Graz

©: Markus Krottendorfer

Reichspark. Ausstellungsansicht, Künstlerhaus, Halle für Kunst & Medien, Graz

©: Markus Krottendorfer

In der Vitrine: Angela Merkels Wanderkleidung (rechts) und jene von Sebastian Kurz (links). Ausstellungsansicht, Künstlerhaus, Halle für Kunst & Medien, Graz

©: Markus Krottendorfer

Deuscthland#ASNCHLUSS#Östereich. Geht es noch peinlicher? Drei Wörter, drei Rechtschreibfehler? Fehlen noch drei Bier. Aber das Beruhigende zuerst, kein Österreicher trägt dafür Verantwortung, keiner war dabei.
Nein, ein unseriöser, deutscher Typ, dem man nicht trauen kann, hat Schuld – sagt er selbst – der Jan Böhmermann.

Zuerst einmal konzentrierte Kontrolle beim Zugang zur Presseschau. Gesichtslesung, Welt- und Ausweisanschauung, Schutzhaft für elektronische Geräte. Statt natürlicher Frontalinformation ein von MitarbeiterInnen Böhmermanns unterwanderter Sesselkreis für Journalisten, der einen artgerechten Lagebericht sofort zersetzt. Das alles am Tag der internationalen Pressefreiheit.
Der Böhmermann, der Böhmermann der legt sich gern mit allen an. Fremdfrauennichthandreicher, Jungfrauenparadiesträumer, Rechtehandhochheber, Einzelfallmehrzahlveranlasser, Rückgratdurchbiegeassistenten und andere Haltung-Geschädigte haben mit dem Satiriker keine hygienische Liebesbeziehung. Dafür braucht dieser hinter Bärten und unter Mützen nach dem wahren Inneren bei Menschen Suchende einen Saal-Schutz von durchdringend blickenden Bodyguards und Undercover WEGAnern. Aber das kennt der Böhmermann sowieso, kommt selbst aus einer Polizistenfamilie.
Wem es trotz dieser freiheitsberaubenden Hindernisse gelingt, ins Elysium der Hinterhältigkeit, ins Reich der endartigen Lügenkunst zu gelangen, darf kurz aufatmen, um dann sofort wieder kurzatmen zu müssen. Ja, jede Empörung zählt. Warum-So-Etwas? Darf-er-Das? Muss-Das-Sein?
Es lauern Wahlkabinen mit Videokameras, die unsere heilig-geheimen Entscheidungen sofort ins Netz werfen. Wie ist das nun mit dem vereinten Europa? Ein schönes Kind oder nur Darmendprodukt? Und Du Gutmensch: Für Palästina oder für Israel? Der Hasskeksapparat daneben macht es auch nicht einfacher. 50 Cent für eine geistige Giftspritze, ok, billiger Stoff für das gschmackige Vorurteil. Erspart das Nachdenken. Mmmh. Vielleicht doch nicht so schlecht.
Aber dann wieder, na geh. Während Papa und Mama im Extraraum genötigt werden, mit einer Keule ein- (oder mehr) schlägige Erfahrung mit Verfassungs- und Gesetzbuch zu sammeln, lässt Böhmermann Kinder, Opi und Omi durch eine heile dritte Welt im Reichspark marschieren. Diese deutsche Einheit soll wohl Kraft durch Freude geben, meint der Jan. Streichelzoo Wolfsschanze. Erlebnis-KZ Belsenwand oder Live-Show Omaha Beach, geht es da noch mit rechten Dingen zu? Und später soll jeder echte NaZi (= Na-chdenklicher Zi-vilist, nur damit kein Einzelfall in diesem Text passiert) seine Keule wieder hinlegen und sich eine volksgemeinschaftliche Jause im Bürgerbräu-Keller gönnen. Sind ihre Reihen noch dicht, Herr Böhmermann?   
In den Keller lachen zu gehen, macht auch kein reines Blut. Anspielungen auf Fritzl, Priklopil und andere Einzelfälle… Billig Herr Böhmermann, stehen Sie auf Satiresparvarianten? Noch einmal: Wir sind das Volk! von Einzelfällen, EINZELFÄLLEN! Dazu das nervige Quietschen eines Nadeldruckers im ganzen Raum. Ein ständig anwachsender Papierberg mit Tweets der Politiker soll irgendwann zu einem Monument der Quassel-Ära im frühen 21. Jahrhundert werden. Zur Rettung uns aller kommen sowieso bald Wahlen. Da werden sich alle noch wundern, was geht. Dann wird ausgetauscht.
So schaut also permanente Beleidigung unserer Heimat durch einen schlecht österreichisch sprechenden Ausländer aus. Das Machwerk ist noch dazu mit unseren Steuergeldern finanziert. Müssen wir uns das gefallen lassen? Ein Eierbett für patriotische Journalisten? Nur weil die auch nettes Buntes im Türkis-Blauen finden? Yellow-Press sozusagen, wenn sich einer anständig in diese Story stürzt? Wir haben einen Wolf unter den braven Schafen, der reicht.
Als Aufdecker spielt sich der Böhmermann selbst auch auf. Lässt sich das Wandergewand von Angie Merkel und unserem Basti organisieren. Stellt das in einer Vitrine aus und bemäkelt, die Kluft vom BeKaSi (Bester Kanzler seit Immer) sei dreimal so teuer wie die von Mutti gewesen. Mag sein, ist aber fescher, hetzebeständig, passt sich dem Wind aus jeder Richtung an und ist nur einmal getragen.
„Man diskutiert nicht mit Faschisten“, sagt der Böhmermann. Tut eh keiner, nicht einmal der Kanzler mit dem Vizekanzler. Das braucht uns keiner sagen, der sich selbst als Populist bezeichnet, den Kunstzwang einführen möchte, auf ein „Hausrecht“ im Internet pocht und dabei den Großteil seiner Zeit vor einem Tweet-Deck verbringt. (Das ist ein Propagandainstrument, das den Bildschirm digital in Streifen schneidet, um möglichst viele Lügenmäuler gleichzeitig verfolgen zu können.)
Nein gehen sie nicht hin, schauen Sie sich auf keinen Fall diese Ausstellung an. Machen Sie einen weiten Bogen um das Künstlerhaus. Models und Milchbauern als Publikum, will er, der Böhmermann. Diesen Endsieg soll er allein feiern. Zuerst einmal Duetsch lernen Jan und dann ohne uns reich heim. Das saubere Schöne ist bei den Unsrigen ganz woanders. Sagt die Vorher-Sehung, sagt auch mein Fürer. 

Tschavgova

DANKE! lieber Emil Gruber. Großartig! Ist die Hetzebeständigkeit eigenes Erdenken, das mit dem "hält Wind von allen Seiten aus"? (ich konnte es mir noch nicht anschauen) Nochmals: großartig, dazu amüsant, so, dass einem die Worte im Mund gefrieren. Beste Satire und damit bestes Format als Hingeh-Empfehlung. Einmal geht's noch: großartig, danke.

So. 12/05/2019 11:04 Permalink
Günter Knaß

Herr Gruber, was ist bei der Presseschau passiert?
Sie gehen in ihrer Rezension zur sehenswerten Ausstellung im Künstlerhaus im Stile eines Deutschlehrers der "alten Schule" an das "Schräge".
"Geht es noch peinlicher?" (Ich verwende den Satz aus der Rezension!).
Es ist schade, dass Sie ihre Qualität als Verfasser vieler guter Beiträge für gat, in diesem Fall für mich nicht erreichen.
Ich würde mich freuen, wenn Sie diese Ausstellung noch einmal, aber entspannter besuchen würden. Nehmen Sie bitte jemanden mit, der/die um mindestens dreißig Jahre jünger als Sie sind.
Günter Knaß

Do. 16/05/2019 7:55 Permalink
Fabian Wallmüller

Emil Gruber ist, soweit ich das überblicken kann, einer der weniger hierzulande Aufhältigen, der Böhmermann das Wasser reichen kann (und sich dabei nicht einmal selbst zensieren muss). Großartig!

Sa. 22/06/2019 10:48 Permalink

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