11/11/2015

Monolithisches Bauen ist bereits von Grund auf aufwendiger als zergliedertes Bauen, da das Verbergen von Fugen in den Schalungssystemen sehr technik- und arbeitsintensiv und somit teuer ist. Wetter und menschliche Arbeitsleistung können die Herstellung von Sichtbeton ebenfalls wesentlich beeinflussen, z.B. durch große Temperatur- und Luft-feuchtigkeitsschwankungen oder bei großem Termindruck.
Auf eine sichtbeton-gerechte 
Kombination der Produktionsfaktoren ist Wert zu legen, um eine optimale Qualität der Oberfläche zu erreichen.

Dieser Artikel erscheint im Rahmen des GAT-Schwerpunkts Monolithisch Bauen.

11/11/2015

Verbergen von Fugen in den Schalungssystemen macht monolithisches Bauen sehr technik- und arbeitsintensiv und somit teuer.

©: Christian Hofstadler

Die notwendige Produktionsleistung sollte unter Erreichung der höchstmöglichen Produktivität erzielt werden und hängt vom effizienten Einsatz der Produktionsfaktoren ab.

©: Christian Hofstadler

Sichtbeton ist ein fundamentales Gestaltungsinstrument für besondere Bauteile oder ganze Bauwerke. Das Erscheinungsbild ist monolithisch oder in Teilflächen zergliedert. Die Zergliederung folgt den Vorstellungen der Architekturplanung oder ist, bedingt durch die Freiheitsgrade der Bauausführung, die Folge von Arbeits- und/oder Systemfugen.

Monolithisches Bauen als Herausforderung für Technologie und Baubetrieb
Monolithisches Bauen (Beispiel siehe Bild 1) ist aufwendiger als zergliedertes Bauen, da das Verbergen von Fugen in den Schalungssystemen sehr technik- und arbeitsintensiv und somit teuer ist. Abschnittsweises Bauen ist für den Auftragnehmer wirtschaftlicher als monolithisches und wird daher bevorzugt angewendet, da es weniger Zeit und Geld beansprucht. Weniger Zeit deswegen, da die Abschnitte kleiner sind und der Baubetrieb effizienter gestaltet werden kann. Auch die Einarbeitungseffekte wirken sich bei einer höheren Anzahl an Produktionsabschnitten positiv auf Zeit, Qualität und Kosten aus. Beim monolithischen Bauen gibt es konstruktive, statische, baubetriebliche und bauwirtschaftliche Grenzen. Diese Grenzen sollten dem Planer bereits bei seinen Entwürfen bekannt sein, damit keine falschen Vorstellungen vom Möglichen entstehen. Auch die Qualität wird von der Dimension des monolithischen Bauens bestimmt. Je größer die Betonierabschnitte in der Herstellung sind, desto weniger genau kann die Kombination der Produktionsfaktoren in der Schalung beobachtet werden. Die Kontrolle des Einbringens von Beton in die Schalung und dessen Verteilung und Verdichtung ist sehr wichtig für die Qualität des Endprodukts. Besonders bei hohen Abschnitten (größer als 3 m) und geneigten Bauteilen gestaltet sich der Kontrollprozess schwierig und kann nicht im notwendigen Umfang durchgeführt werden. Verluste in der Gleichmäßigkeit und Gründlichkeit der Betonverteilung sowie der Verdichtung, die sich unmittelbar negativ auf das Endergebnis auswirken, sind die Folge.
Für den Planer des Sichtbetons stehen die Formgebung und die Wirkung der Oberfläche im Zentrum der Überlegungen. Wie aufwendig sich die Lastableitung, die Fugenausbildung und das Erreichen der Oberflächenqualität gestalten werden, liegt den Überlegungen meist sehr fern. Auch die Bauteilproportionen müssen für Sichtbeton geeignet sein (Bauteilstärken ≥ 25 cm). 

Zeit kostet Geld und Qualität
Sichtbeton braucht besonders für die Erfüllung von hohen Erwartungen in der Entstehung und Entfaltung Zeit und Geld. Beides hält in der Regel nicht mit den gesteckten Anforderungen Schritt, die höher als das dafür vorhandene Budget und die Freiheiten im Bauzeitplan sind. Diese Freiheiten sind erforderlich, um bei schlechten Witterungsbedingungen die Bauausführung einzustellen, bis die Produktionsbedingungen wieder sichtbetongerecht sind.
Anspruchsvoller Sichtbeton braucht auch in der Planungs- und Ausschreibungsphase ausreichend Zeit und Budget. Für hochwertigen Sichtbeton wie für Ausstellungsräume, Empfangsbereiche etc. ist es empfehlenswert, zumindest die Sichtbetonklasse SB 3 nach der Richtlinie Sichtbeton zu wählen und die Art der Leistung und die Umstände der Leistungserbringung genau zu beschreiben.Nicht nur der Aufwand in der Bauausführung ist höher, sondern auch jener in der Phase der Arbeitsvorbereitung sowie für das Einrichten und den Betrieb der Baustelle. Neben der genauen Planung und Überwachung der Produktionsfaktoren während der Produktionsprozesse sind auch die Nebenprozesse wie Transporte, Reinigung, Lagerung, Vorbehandlung etc. nicht dem Zufall zu überlassen. Erst die richtige Auswahl aller Produktionsfaktoren und die sichtbetongerechte Kombination dieser auf der Baustelle bilden die Basis für einen hochwertigen Sichtbeton. Auch eine noch so gute technologische und baubetriebliche Basis führt nicht zum gewünschten Ergebnis, wenn das Wetter und die Menschen nicht mitspielen. Der Mensch ist der wichtigste Faktor im Produktionsprozess, den es zu informieren, zu schulen und zu motivieren gilt. 
Es gibt gute und schlechte Zeiten für die Herstellung von Sichtbeton. Schlechte Zeiten ergeben sich in Phasen großer Temperatur- und Luftfeuchtigkeitsschwankungen sowie bei großem Termindruck. Darunter leidet besonders der Sichtbeton, auch dann, wenn die optimalen Produktionsfaktoren ausgewählt wurden und die Kombination dieser auf den Baustellen nach den Regeln der Technik gelungen ist. Die vorgegebenen kurzen Bauzeiten für Sichtbeton wirken sich – wie die Praxis in vielen Fällen zeigt – negativ auf das Ergebnis aus (besonders auf die Farbtongleichheit und die Porigkeit).

Kombination der Produktionsfaktoren
Die notwendige Produktionsleistung sollte unter Erreichung der höchstmöglichen Produktivität erzielt werden und hängt vom effizienten Einsatz der Produktionsfaktoren (siehe Bild 2) ab. Bei Sichtbeton sollte nicht die Erzielung der höchsten Arbeitsproduktivität im Vordergrund stehen, da dieses Streben auf Kosten der Qualität der Betonoberflächen geht. Die Produktivität wird durch das Verhältnis von Output zu Input ausgedrückt und von komplexen Zusammenhängen geprägt. Das Maß der Gesamtproduktivität wird durch die Effizienz in der Kombination der elementaren Produktionsfaktoren bestimmt. Die elementaren Produktionsfaktoren setzen sich aus der Arbeit (z.B. Schaler, Bewehrer), den Betriebsmitteln (z.B. Schalung, Betonpumpe, Kran) und den Stoffen (z.B. Trennmittel, Bewehrung, Beton) zusammen. Wesentlich beeinflusst (geplant, gesteuert, kontrolliert, organisiert, dokumentiert etc.) werden die elementaren Produktionsfaktoren von den dispositiven Produktionsfaktoren. Alle Komponenten sind ganzheitlich und vernetzt zu betrachten und nicht einseitig zu optimieren (siehe Bild 2). 
Die ‚Wissensarbeit‘ ist ein wesentlicher Bestandteil des dispositiven Bereichs, der den weichen Produktionsfaktoren zuzurechnen ist. Durch die ‚Wissensarbeit‘ sollen Erfahrungen aus vergangenen Sichtbetonprojekten im Umgang mit Risiken und Chancen systematisch erfasst und analysiert sowie mit den neuesten Erkenntnissen aus Wissenschaft und Praxis für neue Aufgabenstellungen angewendet werden. Struktur- und Prozessschnittstellen (z.B. zwischen architektonischer Planung, Tragwerksplanung, Ausführungsplanung, Ausschreibung, Angebotskalkulation, Vergabe, Ausführung) finden sich zwischen den beiden Gruppen der Produktionsfaktoren und innerhalb jeder Gruppe. Weiters gibt es Schnittstellen zur Umwelt und zum Umfeld. Die Gesamtproduktivität hängt auch vom Funktionieren dieser Schnittstellen ab. Dafür sind die dispositiven Produktionsfaktoren zuständig.

Kosten für Sichtbeton
Die Kosten für Sichtbeton sind höher als jene für Beton ohne besondere Anforderungen an das Aussehen. Die Differenz wächst mit dem Erfordernis von Sonderschalungen, besonderen Betonrezepturen und farblichen Sonderwünschen. In Abhängigkeit der Anforderungen wirken sich die Kostensteigerungen unterschiedlich auf die Anteile Lohn, Gerät und Material aus. Zusätzlich ist auch zu berücksichtigen, dass bei Sichtbeton der Aufwand für die Planung, Steuerung, Koordination und Kontrolle steigt (Aufwand für Auftraggeber sowie Bauleitung und Sichtbetonteam).
Für die Angebotserstellung wird für den erforderlichen Einsatz der Produktionsfaktoren (Arbeit, Geräte, Material) die Kalkulation durchgeführt. Dazu werden die Angaben zu Sichtbeton in den Ausschreibungsunterlagen genau auf Vollständigkeit und Richtigkeit überprüft (vorvertragliche Prüf- und Warnpflicht). In der Regel steigt bei der Herstellung von Sichtbeton der Aufwand für Lohn, Geräte und Material. Die Kostensteigerung (Schalung, Bewehrung und Beton) – im Vergleich zu Beton ohne besondere Anforderungen an das Aussehen – beträgt dabei etwa 20 bis 60 %, wenn Serienschalungen (z.B. Träger- oder Rahmenschalungen) eingesetzt werden.
Wenn der Einsatz von Sonderschalungen notwendig wird, kann sich der Aufwand um bis zu 100 % und mehr erhöhen. Bei gekrümmten Bauteilen und besonders bei doppelt gekrümmten Bauteilen kann es gegenüber Normalbeton zu Kostensteigerungen über 1.000 % kommen.

Die Entscheidung liegt beim Auftraggeber 
Der Auftraggeber muss im Zuge seiner Kostenschätzungen realistische Bandbreiten für seine Sichtbetonanforderungen ermitteln und dann entscheiden, ob er bereit ist, das entsprechende Budget zur Verfügung zu stellen, oder ob er seine Anforderungen reduzieren will.
Die Ausschreibungsunterlagen sind besonders für Sichtbeton derart zu gestalten, dass von den Bietern daraus der für die Anforderungen erforderliche Einsatz sowie die Kombination der Produktionsfaktoren abgeleitet werden kann. Der Schwierigkeitsgrad der Arbeiten für den Sichtbeton muss erkennbar sein, erst dann ist eine verursachungsgerechte Kalkulation möglich. Die zu erbringenden Leistungen für Sichtbeton sollten als wesentliche Positionen ausgewiesen werden.
Im Zuge der Angebotskalkulation sind die Ausschreibungsunterlagen von den Bietern genau zu analysieren, um die Einflüsse auf die Produktionsfaktoren zur Erreichung des Bau-Solls für Sichtbeton zu ermitteln und dafür die entsprechenden Einheitspreise anzusetzen. 
Entscheidet sich der Auftraggeber ausreichend Budget und Zeit für die Planung, Ausschreibung, Ausführung sowie die Bauüberwachung und -koordination für Sichtbeton zu investieren, wird er eine hochwertige Sichtbetonqualität erzielen.



Literaturverzeichnis
_Hofstadler, Christian (2008). Schalarbeiten – Technologische Grundlagen, Sichtbeton, Systemauswahl, Ablaufplanung, Logistik und Kalkulation. Berlin, Heidelberg: Springer-Verlag
_Hofstadler, Christian (2014). Produktivität im Baubetrieb. Berlin, Heidelberg: Springer-Verlag

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