06/03/2014

Ausstellung
Streiflichter. Film und Kino in der Steiermark 1896 – 1945

Laufzeit bis 02. Nov. 2014
Universalmuseum Joanneum
Multimediale Sammlungen
Joanneumsviertel, Graz

Kuratierung: Maria Froihofer

Gestaltung: Projektform AG,
Jakob Pock, Barbara Sommerer

06/03/2014

Kuratorin Maria Froihofer in der Ausstellung, © UMJ / N.Lackner

Anton Ramisch, Kinowerbung o.J. Privatbesitz

Grazer Tagblatt, 3.11.1896, © Steiermärkische Landesbibliothek, Graz, © Steiermärkische Landesbibliothek, Graz

Hermann Schischegg, Innenaufnahme Annenhofkino, 1923, © Archiv Annenhofkino / Privatbesitz

Alfred Steffen, Leni Riefenstahl zu Besuch im Grazer Annenhofkino anlässlich der Filmvorführung „Triumph des Willens“, 29.04.1938, © Multimediale Sammlungen /UMJ

Dolf Kristan, „Tonkino Annenhof“, 1931, © Archiv Annenhofkino / Privatbesitz

Adolf Kristan, Bomenschäden Graz, Annenstraße. Volltreffer auf das Union-Kino am 13. Februar 1945, © Multimediale Sammlungen / UMJ

Unbekannter Fotograf, „The Royal Biograph“ von Auguste und Ferdinand Seitz, um 1912, © Archiv Annenhofkino / Privatbesitz

Werbelicht Graz, Entwurf Werbegrafik, 1920er Jahre, © GrazMuseum

Filmplakat „Erzherzog Johann“, 1928, © Filmarchiv Austria, Wien

Unbekannter Fotograf, Lichtspiele Köflach, um 1920, © Stadtmuseum Köflach

Die Erfindung des Lichtspiels ist ein ebenso großer Schritt, wie es die Anfänge der Bilderschrift in der Steinzeit waren.
(Vachel Lindsay in The Art of the Moving Picture, 1915)

Es muss 1966 oder 1967 gewesen sein, als meine Eltern erstmals mit mir in ein Kino gingen. Das Donawitzer Kino war berstend voll an diesem Sonntagnachmittag, wir erhielten nur mehr Stehkarten ganz hinten. Freundliche Erwachsene ließen mich vor bis zum Geländer, der Trennlinie zu den Sitzreihen vorne. Walt Disneys Die Unglaubliche Reise, in der zwei Hunde und eine Katze auf ihrer Odyssee nachhause quer durch Kanada dramatische Abenteuer zu bestehen hatten, beackerte mein gesamtes kindliches Gefühlsspektrum.
Mit vierzehn Jahren zitterte ich mich mit Hilfe der wohlwollenden Nachsicht einer Billeteurin an der Kasse ins Leobner Lindnerkino, um dort den ersten Film jenseits meiner Altersfreigabe zu sehen. Auf der Leinwand prüfte der Feueratem des japanischen Kultdrachens Godzilla neben meinem Nervenkostüm die Belastbarkeit von Tokios Bausubstanz.
Einige Zeit später war es der Kombination aus einer schlecht schließenden Ausgangstür des Zentralkinos und eines wiederum recht entspannten Kartenabreißers zu verdanken, dass ich trotz chronischem Taschengeldmangels mehrfach hintereinander Sergio Leones Spiel mir das Lied vom Tod sehen konnte. Bei der für mich noch immer schönsten Totalen der Filmgeschichte, wenn die Kamera sich von Charles Bronson und dem gerade gestorbenen Jason Robards auf ihren Pferden löst, in Begleitung der Choräle Ennio Morricones in den Himmel fährt und von hoch oben auf den Eisenbahnbau und damit den Beginn der Zivilisation im Westen blickt, ging es mir wie Franz Kafka: Im Kino gewesen. Geweint.
Dass ich mitten im Tod der goldenen Kinoära lebte, wurde erst später sichtbar.

Heute bietet im ehemaligen Donawitzer Kino Billa nur mehr unglaubliche Rabatte an, der Saal des Lindnerkinos steht wieder leer, da auch ein Motorsportartikelhandel dort kein nächstes Feuer entfachen konnte und im Zentral wird bei Clubbings und Konzerten auch nur eher selten eine Mundharmonika allein zu hören sein.

Setzt auch die Ausstellung Streiflichter. Film und Kino in der Steiermark 1896 – 1945 deutlich vor meinen persönlichen cineastischen Erweckungserlebnissen ein, war das österreichisches Grundrecht auf Sentimentalität und den damit verbundenen eigenen Bildern im Kopf, was Kinobesuch einmal bedeutete, auch bei anderen älteren Anwesenden während des Presserundgangs zu bemerken.

Trotz aller Schwierigkeiten bei der Materialsuche, wie Maria Froihofer, die Kuratorin erzählte, ist ihr eine sehenswerte Bestandserhebung gelungen, die zwischen liebevollem Blick auf die Pioniere mit ihren ersten Kinematographen in Wanderkinos, der Pracht der alten Lichtspieltheater – rund 150 Kinos gab es in der Zwischenkriegszeit in der Steiermark - aber auch kritischer Betrachtung der Phase, in der Diktatur das Filmwesen für Manipulation benutzte, oszilliert.
So verändern sich auch die Eindrücke, wenn man einerseits an Walter Benjamins schwärmerische Definition des Kinos als „blaue Blume im Land der Technik“ denkt und andererseits um die Bedeutung des Films in der Strategie des Nationalsozialismus weiß. Stuckatur, Ornamente und ein Orchestergraben, in dem damals noch ein fix angestelltes Orchester den Stummfilm untermalte, dominieren auf einem 1923 entstandenen Foto des ursprünglich von Oskar Gierke 1909 eröffneten Annenhofkinos. Fünfzehn Jahre später überlagert eine frenetische, gleichgeschaltete Menge anlässlich der Aufführung von Leni Riefenstahls Propagandafilm Triumph des Willens die Architektur mit ihren gestreckten rechten Armen.

Solche Zugänge finden sich auch bei den Filmbeispielen. Einer Fahrt mit dem Postbus nach Mariazell oder Fritz Muchitschs im Auftrag der Stadt gedrehten Filmen über Grazer Arbeitswelten aus den 1910- beziehungsweise 1920er-Jahren werden Hanns Wagulas Jubelwerk über den Hitler-Besuch in Graz 1938 oder einem Privatfilm, in dem stolz eine Frau im Kreise ihrer Kinder mit dem Mutterkreuz posiert, gegenübergestellt.

Fritz Muchitsch erwies sich auch als origineller Open Air Kinobetreiber. Seine Freilichtaufführungen, bei denen ein im Dachgeschoß des Hotels Wiesler installierter Filmprojektor quer über die Mur auf eine Werbefläche am Dach eines anderen Hauses laufende Bilder warf, erwiesen sich so erfolgreich, dass die Hauptbrücke wegen des Zuschauerandrangs für den Verkehr regelmäßig gesperrt werden musste.

Wie spektakulär aber gefährlich zugleich Filmemachen seinerzeit war, zeigt ein Hinweis zu den am steirischen Erzberg entstandenen Außenaufnahmen für den einzigen österreichischen Monumentalfilm Sodom und Gomorrha von 1922. Eine Panne bei einer für das Filmende benötigten Sprengung führte zu einem Unfall mit zahlreichen Verletzten.

Attraktiv gestaltet wurde durch Jakob Pock und Barbara Sommerer von Projektform AG das Ambiente. Kabelrollen als überformatige Filmspulen geben den Leitfaden für die Ausstellung.

Abschließend noch ein kleiner Hinweis für BesucherInnen. Im Gegensatz zu früher: You can leave your hat on.

Karin Tschavgova

Frage: War das Annenhofkino früher auf der anderen Seite der Annenstraße? Wohl nicht, dann ist das Foto von 1945, tituliert mit Bombenschaden, seitenverkehrt abgebildet, oder? Wo stünde sonst der Kirchturm im Hintergrund; am heutigen Europaplatz beim Bahnhof ?

So. 09/03/2014 9:36 Permalink
Anonymous

Antwort auf von Karin Tschavgova

Es handelt sich bei dem Bombentreffer um das Union Kino, das ehemalige Edison-Theater. Dieses lag auf der anderen Straßenseite des Annenhofkinos. Wenn das Bild gespiegelt wäre könnte man naturgemäß die Aufschriften nicht lesen.

Di. 11/03/2014 12:15 Permalink
Anonymous

Antwort auf von Karin Tschavgova

Es handelt sich bei dem Bombentreffer um das Union Kino, das ehemalige Edison-Theater. Dieses lag auf der anderen Straßenseite des Annenhofkinos. Wenn das Bild gespiegelt wäre könnte man naturgemäß die Aufschriften nicht lesen.

Di. 11/03/2014 12:16 Permalink

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