27/11/2003
27/11/2003

Ausstellung "sinnlos"
Objekte von Giegold und Sass

Ausstellung "sinnlos"
Projekt von Alison Jones "Hum"

Der Autor ist Architekt und ist dafür verantworlich, daß die Räume des Landeshauptmannes barrierefrei erschlossen werden können.
Er war beauftragt die Kulturbauten für 2003, die Barrierefreiheit betreffend, zu betreuen.
Mangels Kooperationsbereitschaft der politischen und öffentlichen Stellen legte er diesen Auftrag 2002 zurück.
Er ist auch Mitarbeiter am Projekt "sinnlos"

Universal Design (Michael Haberz)

Einem weit verbreiteten Missverständnis zufolge beschränkt sich die breitere öffentliche Diskussion meist auf Probleme in Zusammenhang mit Rollstuhlbenutzern. Dies wird durch gängige Begriffsdefinitionen noch unterstützt.
"Zugänglichkeit" entstammt ebenso in seiner Herleitung vom Wort "Gehen" wie das englische Pendant "Access" vom Lateinischen Wort "Cedere".

Der Umfang der Problematik liegt jedoch wesentlich weitgespannter.
Abweichungen oder Einschränkungen sind in den Bereichen der Mobilität, des Seh- und Hörvermögens, im mentalen Bereich bis hin zu Sensitivität zu finden.
Entsprechend der Reihenfolge dieser Aufzählung nehmen Informationsgrad und Gesundheitsleistungen ab, indirekt proportional dazu wächst die Tabuisierung dieser Themenbereiche.

Diesem Missstand dürfte auch ein sozialpsychologischer Aspekt zugrunde liegen.
Mobilitätseinschränkungen sind am ehesten nachvollziehbar, dementsprechend ist die allgemeine Akzeptanz noch am ausgeprägtesten vorhanden. Einen völlig vernachlässigten Bereich bilden Einschränkungen im Bereich der Sensitivität.
Je unvorstellbarer die Themenbereiche werden, desto größer sind die Berührungsängste, desto schlechter ist es auch um einen sachlichen Informationshintergrund bestellt.

Selbst im Themenbereich Mobilität ist noch kein zufriedenstellender allgemeiner Wissensstand erreicht. Dies zeigt schon allein die Tatsache, dass die Herstellung der Abschrägungen von Gehsteigkanten oder die Schaffung von Rampen im öffentlichen Raum noch immer als soziale Leistungen und nicht als nicht diskutierbare Notwendigkeiten gesehen werden. Im Vergleich dazu sei an die laufende Diskussion einer zusätzlichen Fahrspur für Inlineskater erinnert.
Hier scheint die Politik durchaus imstande zu sein, – mit Aussicht auf Wählerpotential und zeitgeistiges Image – rasch zu reagieren.

Dieses Missverhältnis gilt es aufzubrechen, durch Aufarbeitung von Defiziten, deren Manifestation in der öffentlichen Diskussion, in den Planungsprozessen und in der Ausbildung sowie die Einbeziehung der Erkenntnisse in die alltägliche Planungsarbeit.

Aus diesem Grunde wurde die Disziplin Universal Design geschaffen, die jegliche Art von Einschränkung behandelt.
Planungserkenntnisse aus dem Bereich Universal Design sollten nicht nur angewendet werden, weil es dafür in einem Projekt einen speziellen Grund gibt, sondern sie sollten nur dann nicht angewendet werden, wenn es für die Nichtanwendung einen speziellen Grund gibt.

Wenn Konzepte der Installationstechnik großartige Architektur hervorbringen können, dann kann und darf Barrierefreiheit kein Hindernis für qualitätsvolle Architektur sein.
Es darf aber auch nicht als Ausrede in der Suche nach qualitätsvoller Architektur dienen.

Zu guter Letzt sollte man sich auch endlich mit der Semantik des Wortes „behindert“ beschäftigen. Als Rechtsnachfolger des Wortes „Invalid“ (= ungültig) ist die Bedeutung des Wortes nur um wenige Grade subtiler. Im Zusammenhang mit der Veranstaltung Sinnlos entfuhr einem Kollegen der Satz:

„das ist doch das 2003 Zuckerl für die Behinderten".

Die Schubladenwirkung des Begriffes hat mittlerweile eine Eigendynamik entwickelt, die den Betroffenen oft selbst nicht bewusst ist. Zumindest nicht jenen, denen es an Farb-, Tast-, Geruchs- oder sozialem Sinn mangelt: und die sitzen oft in den besten Positionen.
Dabei wäre die Lösung einfach. Der altbekannte Begriff „Fähigkeiten" würde dem Thema gerecht und zeigt zugleich, dass es sich hier nicht um eine Sonderposition handelt, sondern um eine Situation in der wir alle stehen.

Verfasser/in:
Michael Haberz
"freie Meinung"
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