05/03/2024

Seit 2018 arbeitet das Grazer Stadtplanungsamt am Entwurf des Bebauungsplanes „05.38.0 Hohenstaufengasse Süd – Lazarettgürtel“ mit dem Ziel, eine geordnete Siedlungsentwicklung sicherzustellen. Der aufgelegte Entwurf dient aber leider ausschließlich den Investorenwünschen. Die Planung ist qualitätslos, fehlerhaft, willkürlich bis absurd. Sie widerspricht den Grundsätzen der Raumplanung und den Klimazielen der Stadt.

05/03/2024

Graz: Investorengesteuerte Bebauungsplanung am Gürtel - Ausschnit aus einem 3D-Modell der Bürgerinfo des Stadtplanungsamts

©: Stadt Graz - Stadtplanungsamt

Bebauungsplangebiet 05.38.0 - Ausschnitt Präsentation des Stadtplanungsamts

©: Stadt Graz - Stadtplanungsamt

Gestaltungskonzept nur für die Grundstücke der Investoren - Ausschnitt Präsentation des Stadtplanungsamts

©: Stadt Graz - Stadtplanungsamt

Bebauungsplanentwurf 05.38.0

©: Stadt Graz - Stadtplanungsamt

Bestandsgebäude mit korrektem Abstand zum Lazarettgürtel. Die zukünftige Baufluchtlinie wird 10 m näher zum Gürtel liegen.

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

Geht es nach den Wünschen der Investoren und der Grazer Stadtplanung soll in Zukunft direkt am Lazarettgürtel gewohnt werden, und das sogar im Erdgeschoss! Um diesen Wohnalbtraum überhaupt zu ermöglichen, legte sich das Stadtplanungsamt richtig ins Zeug. Es erwirkte beim Land Steiermark eine Ausnahmegenehmigung für den 15 Meter Bauverbotsbereich entlang der Landesstraße. Der Gebäudeabstand zum Lazarettgürtel darf nun wesentlich geringer sein, sehr zur Freude der Investoren Granit und IFA. Zusätzlich setzte man sich für die Erschließung der zukünftigen Wohnbauten direkt vom Gürtel mittels zwei Zu- und Ausfahrten (auch für die Tiefgaragen) ein. Stadtplanungsamtsleiter DI Inninger erklärte bei der Informationsveranstaltung im Januar 2024, dass aufgrund dieser Schwierigkeiten die Bebauungsplanung so lange gedauert habe.

Hier drängen sich einige Fragen auf: Wieso kämpfte die Stadt Graz mit viel Aufwand für die Unterschreitung der Bauverbotszone und für die Erschließungen am stark befahrenen Gürtel? Und warum stimmte die Landesbehörde dem zu? Wo liegt hier das öffentliche Interesse?

Das Ermöglichen von renditeorientiertem Investorenwohnbau mit geringstem Gebäudeabstand zum lärmbelasteten Gürtel ist mit Sicherheit nicht im öffentlichen Interesse. Der Bebauungsplan wurde im Anlassfall erstellt und ist ein weiterer Fall investorengesteuerter Stadtplanung. In sechs Jahren Planungszeit schaffte es die Stadt nicht, alle Grundeigentümer*innen im Planungsgebiet in die Planerstellung einzubeziehen und eine städtebauliche Analyse zu liefern, die mehr als nur eine Aufzählung von Vorhandenem ist. Man schaffte es auch nicht, eine dreidimensionale Darstellung des vorgeschlagenen Bebauungskonzepts über das gesamte Planungsgebiet zu erstellen. Die dreidimensionale Darstellung erfolgte nur für die Grundstücke, für die es konkrete Bauabsichten gibt, also für die Grundstücke, die den Investoren und Projektentwicklern IFA und Granit gehören bzw. für zwei Einfamilienhausparzellen, für die es ebenfalls Entwicklungsinteresse gibt.

Der vorliegende Bebauungsplanentwurf nimmt in seinen Festlegungen keinen Bezug auf die städtebauliche Struktur der einer Gartenstadt ähnlichen kleinteiligen Siedlung und ignoriert mit den Festlegungen der Bauflucht- und Baugrenzlinien den gut erhaltenen Gebäudebestand. Sollte dieser Bebauungsplan vom Gemeinderat so beschlossen werden, dürfen Eigentümer*innen der Bestandsbauten diese nur erhalten, Zubauten sind unzulässig. Wollen Eigentümer*innen im Sinne des Klimaschutzes Bestandsgebäude erhalten und diese verträglich erweitern, sagt die Grazer Stadtplanung aus unerklärlichen Gründen nein dazu. Eine Erweiterung der Nutzfläche ist nur durch Abbruch des Bestands möglich. Eigentümer*innen kritisieren dies zu Recht und fühlen sich von der Stadt enteignet.

Das Stadtplanungsamt ergreift aus unerklärlichen Gründen Partei für Neubau und boykottiert so die vom Gemeinderat vorgegebene, klimaorientierte Stadtentwicklung.

Der Sinn und Zweck von Bebauungsplanpflicht besteht in der Sicherstellung einer geordneten Siedlungsentwicklung. Mit diesem Bebauungsplanentwurf wird es aber sicher keine geordnete Entwicklung geben. Das Stadtplanungsamt erlaubt nämlich im gesamten Planungsgebiet ohne erkennbare Planungsüberlegungen oder Differenzierungen die offene, die gekuppelte und die geschlossene Bebauung. In einem vollständig in offener Bauweise verbautem Einfamilienhausgebiet führt das unweigerlich zu gestalterischem Chaos und verlegt die planerischen Entscheidungen ins Einzelbauverfahren. Das Stadtplanungsamt negiert seine Planungsaufgabe und führt damit den Sinn und Zweck von Bebauungsplanung ad absurdum.

Resümee: Das Stadtplanungsamt hat sich intensiv und nahezu ausschließlich damit beschäftigt, die fragwürdigen Investorenwünsche für dichtes Wohnen am Lazarettgürtel abzusichern. Um die sinnvolle Weiterentwicklung und Nachverdichtung der 45 anderen Grundstücke hat man sich wenig bis gar nicht gekümmert und auch gleich auf ein Gestaltungskonzept verzichtet. Hier fiel dem Referenten nichts anderes ein als Abbruch oder Stillstand.

Kompetente Bebauungsplanung sieht anders aus. Ein Tipp für das Stadtplanungsamt: Es empfiehlt sich regelmäßig das Stadtentwicklungskonzept zu studieren und die dort formulierten Grundsätze zu beachten. Im 6. Grundsatz des STEK 4.0 bekennt sich Graz zu einem qualitätsvollen Wachstum und führt dazu u.a. aus: „Der sensible Umgang mit konkreten Situationen vor Ort ermöglicht Wachstum als Chance für nachhaltige Entwicklungen“. Den sensiblen Umgang mit der Situation vor Ort sucht man bei dieser Planung vergeblich.

Im Grundsatz 9 des Stadtentwicklungskonzepts bekennt sich Graz zu seiner gelebten Baukultur und führt dazu aus:„Qualitätsvolle Baukultur (…) setzt sensible und praxistauglich abgestimmte Baumaßnahmen um. Zeitgenössische Architektur leistet ihren Beitrag zum unverwechselbaren Stadtbild und generiert dadurch Identität.“ 5-6 geschossiges Wohnen direkt am Gürtel ist weder eine sensible Baumaßnahme, noch leistet sie einen Beitrag zu einem unverwechselbaren Stadtbild. Ebenso zeugt das Negieren von qualitätsvollen Gebäudebeständen von einem Mangel an baukulturellem Verständnis.

Gegen diesen Bebauungsplan kann noch bis 8. März eingewendet werden.

Stolzer Grazer

Die sogenannte Gartenstadt (Idee) war einer der größten Umweltkatastrophen des 20. Jahrhundert, diese autozentrierte Bauweise mit deren niedrigen Bebauungsdichten hat besonders in den USA aber auch in Europa zu massiven Umweltzerstörungen durch Zersiedlung, Grünflächenvernichtung und Strassenbau geführt und ist verantwortlich für inzwischen Millionen von Toten durch Autounfälle und Luftverschmutzung.
Hohe städtische Bebauungsdichten sind ein enorm wichtiges Werkzeug gegen den Klimawandel und Luftverschmutzung und es ist zu Begrüßen wie wichtig für die Grazer Stadtplanung Umweltschutz/Klimaschutz inzwischen geworden ist.
Nachverdichtung ist das um und auf einer klimatfitten nachhaltigen Stadtplanung, es ist natürlich nicht lustig für einzelne Anrainer 5-6 Stockwerke hohe Gebäude vor die Nase gesetzt zu bekommen aber wir sind hier mitten in der Stadt und hier gibt es auch den positiven Effekt der totalen Abschirmung vom Gürtel.
EG Wohnungen: würde ich nicht so machen aber die Wohnungen werden höchstwahrscheinlich Richtung Westen ausgerichtet sein, also weg vom Gürtel in die grünen Innenhöfe.
Gebäude Abstand zum Gürtel: solange genug Platz ist für die stadtklimatisch und visuell wichtigen Baumreihen, wofür zum Gürtel mehr Abstand, besser mehr Platz für Grün im Innenhof und mehr Abstand zu den bestehenden Einfamilienhäusern...
Wo ich dagegen absolut Ihrer Meinung bin bei anderen von Ihnen verfassten Artikeln: z.B, das die Aufstockung von den vielen niedrigen sanierungsbedürftigen Gemeindebauten in Graz absolut Vorang haben sollte vor Neubauten auf der "grünen Wiese" oder das Neubau Erdgeschosswohnungen ohne Abstand zum Gehsteig verboten gehören und das Teilweise zu nahe an die Straße gebaut wird was benötigte breitere Gehsteige verhindert ( z.B. Plüddemanngasse)...

So. 10/03/2024 16:29 Permalink
Gast

Wann hat es wirklich in den letzten 20 Jahren einen Bebauungsplan gegeben, welcher die von einer Gemeinde gewünschte zukünftige Entwicklung abgebildet hat oder falls es einen solchen gab, dieser nicht dann bei Bedarf an die Wünsche der Investierenden abgeändert wurde? Grundsätzlich ist diese raumplanerische Instrument ein Witz.

Mi. 06/03/2024 16:42 Permalink
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