17/10/2023

Mit der Kolumne Schau doch! zeigt Peter Laukhardt auf, dass es im Grazer Stadtraum auch abseits des Weltkulturerbes unersetzliches Bauerbe zu entdecken und zu schützen gibt. Sie erscheint jeden dritten Dienstag im Monat auf GAT.

17/10/2023

Durchgänge in der „Stadtkrone“ von Graz

©: Peter Laukhardt

Bild 2: Portal der Bürgergasse 1, Graz

©: Peter Laukhardt

Bild 3: Graben, Domherrenhaus und Ausgang (Bild 4), Graz

©: Peter Laukhardt

Bild 5: Kammerkapelle und Friedrichsburg, 1447, Graz

©: Peter Laukhardt

Bild 6: Burgturm und Uhrturm

©: Peter Laukhardt

Bild 7: Hofratsstiege mit Blick auf das „Parkhouse“

©: Peter Laukhardt

 Stadtmauer-Durchbruch am Pfauengarten

©: Peter Laukhardt

Bild 9: Spitze der Burgbastei mit Schießscharten

©: Peter Laukhardt

Bild 10: Karmeliterplatz 6, Hofarkaden

©: Peter Laukhardt

Bild 11: Karmeliterplatz 5, Hof

©: Peter Laukhardt

Bild 12: Ehem. Landesdruckerei, 1910

©: Peter Laukhardt

Bild 13: Dritter Burghof von Westen

©: Peter Laukhardt

Bild 14: Zweiter Burghof

©: Peter Laukhardt

Bild 15: Haus für Friedrich, Vision P.Laukhardt

©: Peter Laukhardt

Wir beendeten unseren letzten Durchgang in der Färbergasse 15 – beim Ferdinandeum – oder bei der Bürgergasse 2. Die neue Folge behandelt die „Stadtkrone“ (Dom, Mausoleum, Burg) und verläuft gegen den Uhrzeiger. Wir starten vor dem Haus Bürgergasse 1, und zwar gleich neben der breiten Mausoleums-Stiege.
 

8. Vom Domherrenhof hinter das Mausoleum

Im Haus Bürgergasse 1 wurde 1575 von Erzherzog Karl II. ein Konvikt (eine Art katholisches Internat) für Ordensleute, aber auch adelige Zöglinge eingerichtet, um für die Erneuerung der katholischen Religion tüchtige Geistliche durch Jesuitenpatres heranbilden zu lassen.

Der heutige barocke Bau ist – nach Wiederherstellungen nach Brandschäden von 1627 – ein Werk der Jahre nach 1762. Das wunderbare Portal (Bild 2) mit dem Porträt-Medaillon Karls, den allegorischen Figuren der Religion und Wissenschaft und der Aufschrift: „Religioni et Bonis artibus“ schuf damals der großartige südtiroler Bildhauer Veit Königer.

Am November 1773 wurde die Gesellschaft Jesu (die Jesuiten) aufgehoben. Nachdem alle Zöglinge des Konvikts, des Ferdinandeums und des Priesterhauses im ebenfalls aufgelassenen Jesuiten-Kolleg (Bürgergasse 2) untergebracht waren, wurde das frei gewordene Konvikts-Gebäude dem Militär als Kriegskanzlei, später als Generalkommando vermietet. Als dieses 1878 in das Palais Kees am Glacis übersiedeln konnte, kaufte das Seckauer Domkapitel das Haus und richtete Wohnungen für die Domherren ein.

Doch jetzt zu unserem Durchgang. Er liegt direkt vor uns. Ein kunstverständiger Domherr hatte vor Jahren meiner Bitte entsprochen und die Blechtüre zu dem Gang durch ein Gitter ersetzen lassen, sodass jetzt Passanten einen Blick in eine der spektakulärsten Durchgänge von Graz werfen können (Bild 3). Am Tag des Welterbefestes 2000 konnte man ihn durch das Domherrenhaus betreten und das Mausoleum umrunden; vielleicht lässt sich das gelegentlich wiederholen?

Unter dem „Übergang“ vom Mausoleums-Vorplatz zu den Wohnungen hindurch – Reminiszenzen an die berühmte Seufzerbrücke von Venedig verhindert das fehlende Wasser – geht es über einige steinerne Stufen hinauf und dann an der Außenwand der Grabeskirche des Mausoleums entlang zum kleinen Garten des Domherrenhofes. Vor Jahrhunderten erstreckte sich bis hierher der Friedhof der Ägydiuskirche (heute Dom).

Das denkmalgeschützte Haus selbst verdient auch Beachtung. Gleich links vom Haupttor die barocke Heiligen-Geist-Kapelle; sie entstand aus der Barbara-Kapelle im 1. Stock und an der Stelle eines „elenden Obstkellers“ im Erdgeschoss. Sie ist meist verschlossen, aber dafür können wir einen Blick in den Hof werfen; der ebenfalls von Veit Königer geschaffene Brunnen zeigt Herkules im Kampf mit der Hydra  – eine Anspielung auf die Habsburger im Streit mit der „Häresie“. Der malerische alte Ziehbrunnen ist mir beim letzten Besuch allerdings abgegangen, der Zahn der Zeit hatte ihm den Rest gegeben.

Die Ostfront des Hofes beherbergte früher Stallungen für die Lehrenden, wohl aber auch für adelige Alumnen, die beim großen Tor hereinritten. Der Nordtrakt birgt eine Weltsensation, einen Personenaufzug aus dem Jahre 1762 – oder scheint es nur so?

Wenn wir diesen Durchgang durch das Gartentor in der Burggasse verlassen (Bild 4), führt uns die nächste Station zum Aufgang in den Burggarten, gleich neben dem Café Promenade.
 

9. Der Burggarten

Auf der 1562 fertiggestellten, erweiterten Burgbastei hatte für Erzherzog Karl II. ein Hofgärtner aus Lothringen einen Lustgarten angelegt, der 1860 zu einem englischen Garten umgestaltet wurde und nach dem Fall der Monarchie 1919 zum öffentlichen Park wurde.

Wir wollen die kürzeste Linie entlang der Burggebäude nehmen und passieren die Freitreppe zum bekannten „weißen Saal“, in dem u.a. Ehrungen des Landes gefeiert werden. Dieser Trakt, die „Karlsburg“, wurde um 1570 der mittelalterlichen Stadtmauer vorgebaut.

Etwas weiter nördlich sind die teilweise vermauerten gotischen Fenster der sogenannten „Kammerkapelle“ zu sehen (Bild 5), vermutlich an der Stelle eines vor die mittelalterliche Stadtmauer ragenden Wehrturms errichtet; oberhalb von Kapellen durften sich ja keine Wohnräume befinden. Die folgende Ostwand der Burg trägt mehrfach das Motto Kaiser Friedrichs III., AEIOV und die Jahreszahl 1447.

Zwischen dem früher den Zwinger überspannenden gotischen Schwibbogen (Bild 6) und dem Gewächshaus von 1842/43 (neu-elegant „Orangerie“ genannt) hindurch, gelangen wir bei den Glashäusern zur „Hofratsstiege“. Sie hat ihren Namen, weil hier für höhere Beamte ein kurzer Weg ins Geidorfviertel geschaffen worden war; vor vielen Jahren wurde sie den Stadtparkbesuchern geöffnet, nun ist sie dem Vernehmen wieder verschlossen worden, weil man die sich darunter im Stadtpark versammelnde „Klientel“ nicht hereinlocken wollte (Bild 7).
 

10. Über die Stadtmauer und durch den Pfauengarten.

Durch einen mehr als anspruchslos gestalteten und daher kaum wahrgenommenen Durchbruch in der Kurtine der Renaissance-Stadtmauer (Bild 8) und eine nüchterne Betontreppe gelangen wir auf die Höhe des ehemaligen Pfauengartens. Was der Stadt damals egal gewesen war, habe ich Baumeister Fleissner zu verdanken: Er hat über meine Bitte 2017 beim Bau der neuen Gebäude, über die ich mich hier nicht äußern möchte, die Absperrung der Feuerwehrzufahrt um rund 15 m nach hinten versetzen lassen, weshalb jetzt der Blick auf die Kante der Burgbastei mit dem 2002 von mir entdeckten Baudatum „1558“ und den Steinmetz-Zeichen „PASA 9“ hinunter auf die ebenfalls damals freigelegten beiden Schießlöcher möglich wurde (Bild 9). Hinter diesen Scharten befand sich eine Geschütz-Kasematte.

Der weitere Verlauf dieses Durchgangs über barrierefreie Serpentinen zum Karmeliterplatz bedarf hier keiner weiteren Beschreibung.
 

11. Arkaden und Pawlatschen am Karmeliterplatz

Nur wenige Schritte braucht es bis zum nächsten Durchgang (Karmeliterplatz 6), zum Sitz der ÖVP Steiermark im ehem. Palais Galler, das 1690 auf den Fundamenten eines Vorgängerbaus errichtet wurde. Seitlich des 1834 angefügten altanartigen Balkons betritt man das Foyer mit einem Stichkappengewölbe. Die Treppenanlage links liegenlassend, führt uns eine Holztür in den wunderschönen doppelgeschossigen achtachsigen Arkadenhof; die früher offene Treppenanlage im Osten springt etwas vor (Bild 10).

Zurück in das Foyer können wir in den Hof des östlich angrenzenden Hauses Karmeliterplatz 5 durchgehen. Hier beeindrucken hölzerne Pawlatschen und teilweise offene Pfeilerarkaden von 1835 (Bild 11). Durch ein Tor erreichen wir wieder den Karmeliterplatz.
 

12. Die drei Burghöfe

Wo die Hartiggasse auf den Freiheitsplatz mündet, nutzen wir eine namenlose Gasse zwischen dem Kulissenhaus und dem Bühnengebäude des Schauspielhauses. Mit Glück sind kurze Einblicke in beide möglich.

Ein biedermeierlich anmutendes Torgebäude mit Erker (Bild 12) geleitet weiter in den dritten Burghof. Die rund 1m dicke Mauer rechts (die Rückwand des 1585 fertiggestellten „Registraturtraktes“) war die mittelalterliche Nordmauer der Stadt nach der Osterweiterung von 1337 bis 1339.

In der Hofmitte muss man sich die auf den Schwibbogen über den Stadtgraben zulaufende turmbewehrte mittelalterliche Zwingermauer vorstellen (Bild 13); ihre heute unter dem Asphalt liegenden Fundamente könnte man im Zuge der nun angehenden Revitalisierung der Burg sichtbar machen. Auf Plänen aus der Mitte des 19. Jh. hieß dieser für das erzherzogliche Getier bestimmte Bereich noch „Löwengrube“ und hatte einen Zugang zu der oben geschilderten Kasematte, die zuletzt als „Eis- und Weinkeller“ verwendet wurde.

Vor der 1447/48 an der Nordost-Ecke der Stadtmauer von Friedrich III. errichteten Stadtburg wenden wir uns nach rechts durch eine erst im 19. Jh. durch die Stadtmauer gebrochene Durchfahrt in den 2. Burghof. Linker Hand folgt jetzt eine ehemals offene, tiefer liegende Erdgeschosshalle mit einem Mittelpfeiler, die spitzbogigen Arkaden wurden später vermauert (Bild 14). Der Saal dahinter weist Freskenschmuck auf.

Rechts erlaubt eine offene Halle mit merkwürdigen Säulen aus dem Neubau von 1950 bis 1952 einen kurzen Abstecher in die Steirische Ehrengalerie, dahinter ist der 1918 aufgestockte Registraturtrakt mit Arkaden und Sgraffiti sichtbar.

Eine noch aus der Gotik stammende Durchfahrt mit Tonnengewölbe und Stichkappen führt uns, am Eingang zur 1499/1500 erbauten Doppelwendeltreppe vorbei, in den ersten Burghof.

Wie allgemein bekannt sein dürfte, steht eine 30 Mio. teure Revitalisierung der bisher unzugänglichen historischen Räume der Burg kurz bevor. Wer Näheres erfahren wollte, konnte sich am 24. September 2023  einer Führung anschließen.

Ich habe mich dazu mit einer „Vision“ eingeschaltet, die leider auf kein Verständnis stieß: Ich wollte den 1854 abgerissenen Trakt der Prunkräume Kaiser Friedrichs III. auf den alten Fundamenten, aber in neuer Form wieder erstehen lassen; man hätte hier eine Schatzkammer des Habsburgers einrichten können, der der erste echte Sammler des Herrscherhauses war. In Admont wird noch immer gezeigt, welche Bedeutung der große Kaiser hatte. Wie so ein „Haus für Friedrich“ aussehen können, zeigt Bild 15 (nach einem von mir gebastelten Modell).

Was ich aber unbedingt einfordern möchte, ist eine archäologische Untersuchung der noch in der Erde steckenden Fundamente des ältesten Burgtraktes, unter dem sich wohl auch Gefängnisse befunden haben.

Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
GAT+