02/04/2012
02/04/2012

Strassgang_Forum, Foto Waltraud Körndl

Strassgang_Forum_Foto Waltraud Körndl

Strassgang_Stammtisch_historische Gebäude, Foto FS

St.Peter_Die ersten Baumpflanzungen entlang der St. Peter Hauptstraße, Foto Maria Baumgartner

St.Peter_Zierkirschenpflanzung am Beginn der Petersbergenstraße, Foto Maria Baumgartner

St.Peter_Kinder in der Bibliothek des Nachbarschaftszentrums, Foto Rehak

Laut Stadtentwicklungskonzept sind neben dem Stadtzentrum von Graz auch Bezirks- und Stadtteilzentren von bestimmender Struktur. Darauf aufbauend führte die Stadt Graz seit Herbst 2009 im Rahmen des EU-Programms „Integrated Urban Development of Vital Historic Towns as Regional Centres in South East Europe“ das Projekt „Lebendige historische Ortszentren“ zur Aufwertung dieser Stadtbereiche pilotprojektartig in den Ortszentren von St. Peter und Straßgang durch. In partizipativen Prozessen wurden mit der Bevölkerung Stadtteilleitbilder entwickelt, mit dem Ziel, die Identifikation mit dem Stadtteil und die Lebensqualität zu erhöhen, die Qualität des öffentlichen Raums zu verbessern, die Auswirkungen des Verkehrs auf die Stadtteile zu reduzieren und die historische Bausubstanz zu bewahren und zu revitalisieren.

Mit der Erstellung der Leitbilder wurden für St. Peter die Arge 3-2-1-Start (Baumgartner, Anderl, Altmann, Wrentschur) und für Straßgang die Arge Forum Straßgang (Rettensteiner, Körndl, Gerngroß) beauftragt.

Ende Februar 2012 beendeten die Projektteams ihre Arbeit.
Gat fragte die Landschaftsplanerinnen DI Waltraud Körndl (Straßgang) und DI Maria Baumgartner (St. Peter) nach den Ergebnissen, dem Beteiligungsgrad, der Bedeutung der Leitbilder für die Stadtteile, nach dem Umsetzungsstand des Maßnahmenkatalogs und bat um ein persönliches Resümee.

STRASSGANG
Das in Planungsgruppen erarbeitete Leitbild wurde im Juni öffentlich präsentiert und zur Diskussion gestellt. Parallel zur Leitbilderarbeitung wurden in Aktionsgruppen konkrete Maßnahmen zur Leitbildumsetzung erarbeitet.
Die vorrangigen Maßnahmen sind: Internetmarktplatz, Reorganisation des Fitnesspfades, Vernetzung im Kinder- und Jugendbereich. Bisher realisiert wurde der Internetmarktplatz mit Sponsoring durch die Raika. (www.strassgang.at). Dieser Webauftritt soll auch nach Ende des Projekts weitergeführt werden. Der Fitnesspfad wird voraussichtlich 2012 umgesetzt, zur Vernetzung im Kinder- und Jugendbereich gab es Anfang 2012 ein erstes Treffen.
Auf Wunsch der BürgerInnen wurde ein monatlicher Stammtisch zur Umsetzung des Leitbildes gegründet. Dieser beschäftigte sich seit Juni beispielsweise mit den Themen Erhalt historischer Gebäude, Verkehr, Stadtentwicklung und Freiflächen.
Das Thema Erhalt historischer Gebäude wurde engagiert diskutiert, aber war laut Körndl eher ein Flop, da hier ohne den Willen der Stadt nichts erreicht werden kann.
Die Beschäftigung mit dem Thema Grünflächen führte zu einem ersten Erfolg. Im Rahmen der STEK 4.0 Auflage wurde ganz Straßgang-Tal als Bauland ausgewiesen. Dazu wurden von BürgerInnen ca. 70 Einwendungen wegen mangelhafter Grünflächenausstattung organisiert, die letztlich eine Abänderung des STEK bewirkten.
Die Realisierung eines von der Bevölkerung angeregten Quartierparks kann entweder im Rahmen kommender Bebauungsplanungen oder im Gebiet des dafür geänderten STEK umgesetzt werden.
Das Thema Verkehr sollte auf Wunsch des Auftraggebers in Straßgang und St. Peter ausgespart werden, dies war jedoch aufgrund der vorhandenen Probleme nicht durchsetzbar. So fand auch im Oktober ein Stammtisch zum Thema Verkehr statt, wo u. a. die Probleme in der Aribonenstraße diskutiert wurden. Seitens der Stadt wurden ein Verkehrsberuhigungsprojekt mit Beteiligung und ein Umsetzungsbudget(!) in Aussicht gestellt.
Beteiligung der Bevölkerung: Ca. 90 Personen haben beim Auftaktforum teilgenommen, bei den Planungsgruppen waren es im Schnitt 10 Personen. Im Adressenverteiler befinden sich 99 Personen. Beworben wurden die Veranstaltungen und Treffen mit Aussendungen, Plakaten und Flyern.

Resümee Straßgang:
Körndl sieht ein Hauptproblem des Projekts darin, dass es kein Budget gibt, um die im Leitbild erarbeiteten Maßnahmen nach Ende des Projekts weiterzuführen. Um das in zahlreichen Gesprächen aufgebaute Vertrauen der Bevölkerung nicht zu enttäuschen, müsse es sichtbare Erfolge geben und dazu brauche es weiterführend ein Umsetzungsbudget. Die sehr erfolgreich durchgesetzte Änderung des STEK 4.0 sei zu abstrakt, um als Erfolg wahrgenommen zu werden. Deshalb hat die Projektgruppe auch mit Hilfe von Sponsoren den Internetauftritt realisiert. Das Leitbild sieht sie als guten Türöffner, der aber nur über ein begrenztes Zeitfenster wirksam sei. Wenn dieses nicht genutzt werde, verpuffe die Energie und der Effekt wären frustrierte, verärgerte StadtteilbewohnerInnen. Das Leitbild samt Maßnahmenplan sei nun bei einer größeren Gruppe von ÄmtermitarbeiterInnen präsent. Aber es bräuchte eine Fortsetzung bzw. jemanden, der sich seitens der Stadt dafür zuständig fühle.
Im Rahmen der Stammtische hat sich eine neue Vereins- und Generationen übergreifende Gruppe gefunden. Körndl sieht darin viel Potential. Als Erfolg kann die von der Bezirksvertretung zugesicherte Fortführung betrachtet werden.

ST. PETER
Über den Beteiligungsprozess zur Leitbilderstellung in St Peter berichtete GAT bereits ausführlich im August 2011.
Das partizipativ erarbeitete Stadtteilleitbild wurde im Sommer 2011 öffentlich präsentiert. Die Auswahl der vorrangigen Umsetzungsmaßnahmen erfolgte basierend auf den in der Analyse, der Zukunftswerkstatt und den Arbeitskreisen ermittelten Hauptanliegen der BewohnerInnen und der Gewerbetreibenden.
Diese Hauptmaßnahmen sind: Verbesserungen im Bereich Verkehr und Straßenraum, Nachbarschaftszentrum als Ort der Kommunikation, geordnete Nachverdichtung, Erhöhung der Gebrauchsfähigkeit und Vernetzung von Freiräumen.
Auch in St. Peter sollte auf Wunsch des Auftraggebers Stadtplanungsamt das Thema Verkehr mit dem Argument, man könne nichts ändern, ausgeklammert werden.
Die Arge 1-2-3-Start akzeptierte dies nicht, da Verkehr das Hauptthema bei den Stakeholdergesprächen und der Zukunftswerkstatt war. Durch den damals im Entstehen befindlichen Umbau der St. Peter Hauptstraße sah man Chancen, dringende Anliegen der Bevölkerung wie Temporeduktion und Ersatzpflanzungen für die 30 im Zuge des Straßenausbaus gefällten Bäume umzusetzen. Wie in Straßgang gab es auch in St. Peter kein Umsetzungsbudget aus den Projektmitteln. Nach erfolgter Baumstandortsuche wurden bisher 6 Bäume auf öffentlichem Grund neu gepflanzt, finanziert durch Bezirksrat (3), Abteilung für Verkehrsplanung (1) und Landesregierung (2). Erschwerend seien laut Baumgartner die strengen und damit teuren Vorgaben der Stadt für Baumpflanzungen gewesen, aber auch das Abklären von Zuständigkeiten für laufende Baumpflege und Unterhalt von Bänken. Beispielsweise waren die Kosten für den Baum im Bereich der Kreuzung St. Peter Hauptstraße/Peterstalstraße aufgrund der fehlenden Berücksichtigung in der Erstplanung extrem hoch.
Die vom Team initiierte Baumpflanzaktion 30+ für den privaten, straßennahen Bereich soll in Kombination mit den Pflanzungen im öffentlichen Raum letztendlich den vollen Ersatz für die 30 gefällten Bäume bringen. Die Arge 1-2-3-Start kaufte auf ihre Kosten um günstige 30,-- Euro 25 Stück Winterlinden in Baumschulqualität, 5 davon wurden bereits im Herbst gepflanzt, die Aktion läuft nun im Frühjahr 2012 weiter. Zur verpflichtenden Ersatzpflanzung von Bäumen bei Straßenbauprojekten wurde eine Novellierung des Steiermärkischen Baumschutzgesetzes initiiert.
Der Verkehrsarbeitskreis arbeitet weiter am Thema Tempo 30.
Die Maßnahmen zur Aufwertung des Straßenraumes sind noch nicht realisiert, es gibt politische Zustimmung für eine Testfläche zur Farbmarkierung im Kreuzungsbereich St. Peter Hauptstraße/Peterstalstraße. Zuständig dafür ist nun das Stadtplanungsamt.
Erfolgreich realisiert wurde das Nachbarschaftszentrum, welches im ehemaligen Bezirksamt angesiedelt ist. Wiki wurde gemeinsam als Trägerorganisation ausgewählt. Für die nächsten 2 Jahre ist eine mietfreie Nutzung des Lokals von der Stadt garantiert und der Bezirksrat beteiligt sich mit 5000,-- Euro an den Projektkosten. Für ehrenamtliche NutzerInnen ist die Benutzung kostenlos, gewerbliche müssen bezahlen.
Ähnlich dem Straßganger Stammtisch gibt es ab nun in St. Peter alle 2 Monate einen St. Peter Jour fixe, wo engagierte BewohnerInnen weiterarbeiten wollen.
Eine in Schwebe befindliche Bebauungsstudie zur Altstadtzone von St. Peter wurde durch das Projekt forciert und vom Stadtplanungsamt in Auftrag gegeben. Eine Erstinformation dazu erfolgte beim Jour fixe im März. Eine öffentliche Präsentation mit Mitbestimmungsrecht wird gewünscht.

Beteiligungszahlen: bei insgesamt 43 Veranstaltungen nahmen zwischen 2 und 60 Personen teil, im Mittel waren es 10 bis 15. Ca 200 Personen sind in einem E-Mail-Verteiler erfasst.

Resümee St.Peter:
Nach dem einjährigen Beteiligungsprozess sei die aktuelle Stimmung bei den Leuten geteilt. Manche sagen, mit Hartnäckigkeit könne man etwas erreichen und man möchte bei Entscheidungen mehr Mitsprache, andere wiederum formulieren es pessimistischer, ein Jahr sei vergangen und bei vielen Problemen sei nichts weitergegangen.
Aus Baumgartners Sicht brauchen Beteiligungsprojekte von Beginn an ein Umsetzungsbudget, damit Erfolge auch sichtbar werden, und eine fortführende, professionelle Begleitung für die ehrenamtlich weiterarbeitenden Gruppen. Bei fehlenden weiterführenden Strukturen seitens der Stadt seien nachteilige Effekte für das Beteiligungsprojekt zu erwarten.
Enttäuschend war für Baumgartner die mangelhafte Kooperationsbereitschaft von einigen Magistratsabteilungen und deren kompliziertes Vorgehen bei der Umsetzung kleinster Maßnahmen. Der vorhandene politische Konsens für dieses Projekt hätte mehr in die Abteilungen hineingetragen werden müssen.
Für Baumgartner ist das erfolgreichste Projektresultat das Entstehen des St. Peter Jour fixe. Hier habe sich eine neue Gruppe gefunden, die engagiert und ehrenamtlich an der Verbesserung des Stadtteils und der Lebensqualität weiterarbeiten möchte. Hervorzuheben sei auch die parteiübergreifende Unterstützung und Mitarbeit des Bezirksrats.

ALLGEMEINE INFORMATIONEN
Die Stammtischgruppe Straßgang und der St. Peter Jour fixe sind offene Treffen und stehen allen Interessierten offen.
Termine Straßgang: jeden 1. Freitag im Monat im Gasthaus Orthacker-Meyer, Kärntnerstraße 416a.
Termine St. Peter Jour fixe: nächstes Treffen am 8.5.2012 um 19 Uhr im Nachbarschaftszentrum St. Peter Hauptstraße 85, Kontakt zum Organisationsteam: Hr. Helge Glapa (Tel.: 0650/765 10 01), Fr. Doris Pollet-Kammerlander (Tel.: 0664/ 213 91 91) und Hr. Christian Lankes (Tel.: 0316/67 68 13).

Projekt:
SEE Projekt ViTo – „Lebendige historische Ortszentren“
Projektzeitraum: Herbst 2009 – 2012
Start Partizipation: Herbst 2010
Projektkosten: € 61.945,-- (Honorar Arge 3-2-1-Start inkl. KonsulentInnen), Gesamtprojektkosten für beide Bezirke € 210.000,--, davon werden 85 % von der EU finanziert.
Auftraggeber: Stadt Graz, Stadtplanungsamt

Projektteam Straßgang:
"Arge Forum Straßgang"
Raumplaner DI Günther Rettensteiner, Landschaftsplanerin DI Waltraud Körndl, Diplomsozialarbeiterin Martina Gerngroß, MCD, Raum- und Verkehrsplaner DI Helge Waldherr

Projektteam St. Peter:
"Arge 3-2-1-Start"
DI Maria Baumgartner – Landschaftsplanung,
Dipl.-Ing. Elisabeth Anderl – Architektur,
Mag. Dr. Michael Wrentschur – Soziologie, Theaterpädagogik,
Dr. Peter Altmann – Psychologe, Pädagoge, systemischer Organisations- und Unternehmensberater.

Verfasser/in:
Elisabeth Lechner, Abschlussbericht
Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
GAT+