23/01/2007
23/01/2007

Der Falter Steiermark erscheint wöchentlich, jeweils am Mittwoch.

Raum Zita Kern, Raasdorf (NÖ); ARTEC Architekten, Wien. © Heinz Emigholz

Thomas Wolkinger (leitender Redakteur, Falter Steiermark) im Gespräch mit dem Filmemacher Heinz Emigholz, anlässlich der Eröffnung der Ausstellung "Sense of Architecture" im Dezember 2006 im DAZ Berlin.

Heinz Emigholz ist zur Zeit gut im Geschäft. Seit 1993 an der Berliner Hochschule der Künste für experimentellen Film beschäftigt, arbeitet er derzeit gleich an drei Projekten, die sich, wie er sagt, mit "österreichischen Visionären" beschäftigen. Im Frühjahr hat er für die Produktionsfirma "Amour fou" in Los Angeles alle noch existierenden Objekte des in Wien geborenen Architekten der kalifornischen Moderne Rudolf M. Schindler auf Film gebannt. Ein weiteres Werk ist dem 1925 nach New York emigrierten Wiener Architekten und Designer Friedrich Kiesler gewidmet, ein dritter rund einstündiger Film schließlich Adolf Loos. "Der Loos-Film wird ein Schock werden", sagt Emigholz, der sich alle Bauten vor Ort angesehen hat. "Da werden sich die Leute sehr wundern, wie die Sachen aussehen. Einige sind zwar wunderbar restauriert, andere aber total kaputt."

Für "Sense of Architecture" hat Emigholz über eineinhalb Jahre 64 Projekte "in und aus" der Steiermark vors Objektiv geholt und in insgesamt 8000 Einstellungen filmisch analysiert. Fünfeinhalb Stunden verwertbares Filmmaterial und 7000 Fotos hat er auf diese Weise produziert, die zusätzlich zur Ausstellung in unterschiedlicher Form - als Katalog oder DVD - publiziert werden sollen.

Falter: Bei Tausenden Blicken, die Sie auf steirische Architektur geworfen haben - wo ist denn Ihr Auge besonders lange hängen geblieben?

Heinz Emigholz: Einige Projekte sind natürlich meinem Raumverständnis näher gekommen als andere. Aber das hat sich nicht in den Filmen niedergeschlagen, da wollte ich allen Räumen gerecht werden. Am Ende dieses Riesenprojekts habe ich mir beim Schneiden aber gedacht: "Oh Gott, wenn ich das alles noch mal machen müsste, würde ich wahnsinnig werden."

Falter: Wie sind Sie denn an die einzelnen Objekte herangegangen?

Es gab keine Methode, ich habe versucht, jedes Projekt zu erfahren und dann darauf zu reagieren. Durch den Schnitt wird dann auch eine Geschichte konstruiert - wie gehen Sie in ein Gebäude rein, fangen Sie innen an oder gehen Sie außen herum? Diese Geschichten sind auch nicht vorhersehbar, das Gebäude diktiert das. Wir haben nichts arrangiert. Das ist auch anders als in der Architekturfotografie, wo die Räume arrangiert werden, mit viel Licht, um das Haus zu dramatisieren, oder durch den Einsatz eines Weitwinkelobjektivs, damit alles aufs Bild passt.

Falter: Warum kommen in diesen Filmen kaum Menschen, also die Bewohner, vor?

Wenn ich sie zeigen würde, würde ich sie zu Schauspielern des Bewohnens machen. Mir geht es um die Biografie der Häuser. Es ist mir wichtiger, dem Zuschauer zu erlauben, eine eigene Beziehung zu den Räumen aufzubauen, als dass mir irgendwelche Stellvertreter meiner Gefühle sagen, was hier wichtig ist.

Falter: Ausgeblendet werden durch diese Vorgangsweise Fragen nach der Funktionalität von Architektur. Ist Ihnen das unwichtig?

Da würde man sich im Bereich der Behauptungen bewegen. Jemand könnte etwa sagen, dass er ein bestimmtes Haus mag, dass es nützlich ist, ein anderer, dass ein Haus völlig unbrauchbar ist, weil das Dach leckt. Solche Erzählungen - positive wie negative - gibt es natürlich, aber das wäre ein anderer Film.

Falter: Warum wurden ein paar Projekte nicht gefilmt, sondern nur fotografiert?

Das war keine dramaturgische Entscheidung, sondern eine ökonomische Notwendigkeit. Wir sind irgendwann bei fünfzig Projekten angelangt. Mehr haben wir zeitlich und auch kräftemäßig nicht mehr geschafft.

AUSSTELLUNG
Architektur Laboratorium Steiermark
Sense of Architecture. Eine Ausstellung in mehreren Akten
DAZ, Scharoun Saal
Köpenickerstraße 48/49
D-10179 Berlin

Ausstellungsdauer: bis 28.01.2007
Der Falter Steiermark erscheint wöchentlich, jeweils am Mittwoch.

Verfasser/in:
Thomas Wolkinger, Interview; erschienen im Falter Stmk. Nr. 50/06
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