24/01/2008
24/01/2008

Kommentar zur Antrittsvorlesung von Brian Cody, am 10.12.2007 an der TU Graz.

Die Grazer Architektenschaft kann sich beruhigt zurücklehnen. Gott sei Dank haben wir unseren Brian Cody, der in seinem Vortrag eindrücklich bewiesen hat, dass man aus jedem Entwurf ein energieeffizientes Gebäude machen kann!

Es geht ja gar nicht darum möglichst wenig Energie zu verbrauchen, Effizienz und Verdichtung sind die Zauberwörter (die Grazer Altstadt inkl. ASVK wartet schon sehnsüchtig auf Ihre Vorschläge). Unter diesem Motto wurden die ca. hundert Besucher durch die Weltarchitektur geführt. Kaum ein Projekt, welches man nicht schon aus diversen Veröffentlichungen kennen sollte. Superstars der Architektur wie Coop Himmel(b)lau, David Chipperfield, OMA, Carsten Roth, Sauerbruch- Hutton, um nur einige zu nennen - bedienen sich alle der energietechnischen Künste unseres Professors.

„Form follows Energy“, so der Titel des Vortrages (nebenbei - hat unter demselben Titel der Schweizer Architekt Reto Miloni vor einigen Jahren in Hannover einen Vortrag gehalten, wo auch Brian Cody unter den Zuhörern war), ließ vermuten, dass durch die Miteinbeziehung der Energieexperten der Entwurf der Projekte maßgeblich beeinflusst würde. Schwer getäuscht – bei kaum einem Projekt war eine sichtbare „energetische Weiterentwicklung“ bemerkbar. Nun drängt sich die Frage auf, waren die Entwürfe der Architekten energetisch schon so optimiert - was war dann der Beitrag von Cody, oder haben die berühmten Kollegen nur Maßnahmen zugelassen, die ihre Architektur nicht tangieren?

Genauer ins Detail ging Cody bei einem Forschungsprojekt, nämlich der energetischen Optimierung einer Turnhalle in Slowenien. Im Winter wird über die Südwand die Luft erwärmt und in die Halle eingebracht, im Sommer über die Nordwand gekühlt und in die Halle geführt, danach strömt die verbrauchte Luft über das lichtdurchlässige Dach wieder ins Freie. Auch hier kommen mir sofort einige Fragen hoch:
• Was ist im Frühling, bzw. Herbst?
• Wie viel zusätzliche Energie braucht man trotzdem für die Heizung und Kühlung?
• Woher weiß die Luft, dass sie beim Dach nur ausströmen darf, bzw. wie sieht das dazugehörige Detail aus?
• Wie sieht die entsprechende Steuerung aus, bzw. was ist, wenn sie einmal nicht funktioniert?
• Was kostet die Halle in der vorgeschlagenen Idealvariante?

Sei es wie es sei!
Die Grazer Architekturstudenten müssen sich glücklich schätzen, einen Professor zu haben, der mit den Superstars Großprojekte in aller Welt bearbeitet. Ich wünsche allen Absolventen den senkrechten Aufstieg in eben diesen Architektenhimmel. Es ist nur zu hoffen, dass nicht auf die armen Kolleg(in)en vergessen wird, die sich mit kleinmaßstäblichen Aufgaben, wie sie bei uns ja immer noch anfallen, beschäftigen müssen. Vielleicht kann sich der Herr Professor auch einmal mit so ganz profanen Dingen wie dem Wohnbau auseinander setzen und uns, außer der Empfehlung zu mehr Flexibilität, auch seine konkreten Erkenntnisse in Sachen Energieeffizienz in diesem Sektor mitteilen, die dann vielleicht sogar im Rahmen der Möglichkeiten der Wohnbauförderung umsetzbar sind. Wenn es hier zu nicht ganz so spektakulären Lösungen kommt, muss er es ja seinen internationalen Auftraggebern nicht unbedingt erzählen.

Dazu möchte ich gerne Renzo Piano zitieren, der meint: „Wir sollten uns mehr Gedanken darüber machen, was unsere Gebäude leisten können, als darüber wie sie aussehen!“

Eines noch – liebe Kolleg(in)en: bitte machen Sie einen großen Bogen um jene Häuser, die meterdick wärmegedämmt sind, nur ganz kleine Fenster haben (die man nicht öffnen darf), molekular-luftdicht sind, eine energiefressende „Zwangsbelüftungsanlage“ haben und den schrecklichen Namen „Passivhaus“ tragen. Dass sich Büros, wie Baumschlager – Eberle, Dietrich – Untertrifaller, Unterrainer, Kaufmann, um nur einige zu nennen, mit diesem Thema ernsthaft auseinandersetzen, kann man eigentlich nur mit Verwunderung zur Kenntnis nehmen.

P.S.: Als stimmungsmäßige Unterstützung dieses Kommentars kann ich den Artikel von Thomas Glavinic „Nabel der Scheinwelt“ (KLEINE ZEITUNG, Fr. 18. Jänner 2008) wärmstens empfehlen.

Verfasser/in:
Architekt Erwin Kaltenegger, freie Meinung
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