26/02/2008
26/02/2008

Bauernhof am Kulm

Passend zur Aufregung um den Bau eines "Ersatzgehöftes" am Pfangberg im Andritzer Schutzgebiet (Kl. Zeitung, 19.02.08) veröffentlicht GAT nachfolgend einen Artikel zum Thema Bauen im Freiland, erschienen in der letzten Ausgabe der Zeitschrift konstruktiv zum Thema Landwirtschaft.

"Wohnen im Grünen"
Von Clemens Neuber

Der Traum vom Wohnen im Grünen rangiert hierzulande ganz weit oben. Doch die diversen Raumordnungsgesetze der Bundesländer schränken diesen Wunsch stark ein. Grund und Boden wollen geschont und die Zersiedlung der Landschaft verhindert werden. Praktizierende Landwirte hingegen dürfen bauen.
So ist es im Steiermärkischen Raumordnungsgesetz erlaubt, dass Land- und Forstwirte im Freiland Neu- und Zubauten errichten können, die für einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb erforderlich sind. Weiters ist ihnen in Hoflage einmalig erlaubt Altbauten für Wohnzwecke durch Neubauten zu ersetzen oder ein betriebszugehöriges Einfamilienhaus (Ausgedinge) zu errichten. Umbauten, die durch Änderung des Verwendungszweckes notwendig sind, können vorgenommen werden, wenn damit die Erhaltung und Sanierung einer baukulturell bemerkenswerten Bausubstanz ermöglicht wird. Zubauten für die neue Nutzung sind jedoch nicht gestattet.
Die Änderung des Verwendungszweckes für Gebäude eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes in Hoflage für eine gewerbliche Nutzung kann bewilligt werden, wenn die Weiterführung des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes dadurch nicht behindert wird, keine neuen Gebäude erforderlich sind und der Gebietscharakter nicht verändert wird.
HOBBYLANDWIRTE: Außer für land- und forstwirtschaftliche Zwecke dürfen im Grünland Gebäude für Sondernutzungen errichtet werden, doch unsere Wohnträume lassen sich meist nicht über Sondernutzungen erreichen. Weiters können von Nichtlandwirten kleine untergeordnete Gebäude (30m2) unmittelbar an rechtmäßig bestehende Wohngebäude am selben Grundstück errichtet werden.
Die Versuche von Nichtlandwirten, sich über die Ausnahmen der Landwirte Baubewilligungen für Bauplätze ihrer Wahl zu verschaffen, sind groß. Vor einer baurechtlichen Bewilligung ist zwingend ein Gutachten eines Sachverständigen einzuholen,
• bei Sondernutzungen für die Errichtung von betriebsnotwendigen Neuund Zubauten
• für kleine land- und forstwirtschaftliche Betriebe (kleiner als 5 ha) für betriebsnotwendige Neubauten sowie Einfamilienhäuser (Ausgedinge) und Zubauten, durch die die Geschossfläche um 50% erweitert wird
• bei Änderungen des Verwendungszweckes von Gebäuden eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes.
Da der Gesetzgeber diese Umgehungswege kennt und von ihm Hobbylandwirtschaften nicht zu den land- und forstwirtschaftlichen Betrieben gezählt werden, ist in diesem Gutachten vorerst zu klären, ob es sich um einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb handelt. Als ein solcher gilt, der nachhaltig Ertrag abliefern kann. Wie groß der Anteil des Ertrages aus dem Betrieb am Gesamteinkommen des Eigentümers mindestens zu sein hat, wird nicht vorgegeben, gibt es doch auch bei Landwirten die gesamte Palette vom Nebenerwerbslandwirt bis zum Vollerwerbslandwirt.Weiters ist zu klären, inwieweit die beabsichtigten Neu- und Zubauten für das Erreichen des Betriebszweckes in der beabsichtigten Form notwendig sind und inwieweit angemessen. Dies wird im Regelfall durch die Erarbeitung eines Businessplanes zu beantworten sein, wo aus betriebswirtschaftlicher Sicht nachgewiesen wird, dass die Investition in den üblichen Abschreibungszeiträumen rentabel ist. Da Förderungen als Teil des land- und forstwirtschaftlichen Einkommens betrachtet werden, werden diese natürlich in diesem Businessplan berücksichtigt. Ist über die beabsichtigte oder aktuelle Bewirtschaftung eine Förderung möglich oder ist die beabsichtigte Bauinvestition in einer Förderungsschiene erhalten, so sind dies gewichtige Argumente, um die Notwendigkeit dieser Investition aus agrarpolitischer Sicht zu begründen.
Zumeist ist für derartige Projekte speziell bei kleinen land- und forstwirtschaftlichen Liegenschaften die Rentabilität nachzuweisen. Für größere land- und forstwirtschaftliche Liegenschaften ist der Nachweis für die Erfordernis und Angemessenheit natürlich leichter zu führen, doch sind hier beim Erwerb die Hürden der Grunderwerbskommissionen zu überwinden.SCHUTZ WERTVOLLER BÖDEN: Die hier für die Steiermark geschilderten Regelungen sind in den übrigen Bundesländern in der Substanz ähnlich, jedoch gibt es graduelle Unterschiede aufgrund der örtlichen Notwendigkeiten und der föderalen Struktur Österreichs. Externe Sachverständigengutachten sind außer in der Steiermark in Tirol notwendig, in Bezug auf die Gefährdungslage gegenüber Naturgefahren. Die in den Raumordnungsgesetzen der Bundesländer getroffenen Regelungen bezwecken die Erhaltung einer leistungsfähigen Land- und Forstwirtschaft auf Basis lebensfähiger bäuerlicher Betriebsstrukturen zur Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln und Rohstoffen sowie Erhaltung der Erholungslandschaft. Der prinzipielle Schutz wertvoller landwirtschaftlicher Böden ist nicht in allen Bundesländern vorgesehen.AGRARSTRUKTUR IM WANDEL: Kleine bäuerliche Nebenerwerbsbetriebe werden aufgegeben und der land- und forstwirtschaftlichen Produktion entzogen. Übernommen werden diese früher oder später von Neusiedlern aus nichtagrarischen Branchen, da die land- und forstwirtschaftlichen Betriebe der Nachbarschaft nicht dieselbe finanzielle Potenz besitzen, um sie aufzukaufen. Besonders in landschaftlich schönen und touristisch interessanten Gebieten ist diese Entwicklung weit fortgeschritten. Die Folgen sind die Teilung der landbesitzenden Gesellschaften in diesen Gebieten (Berggebiete) in alte Bauern, die keine Hoferben mehr motivieren können, und alte Neusiedler, die hier den Lebensabend verbringen wollen. Interessenkonflikte sind die Folge. Durch die Neusiedler wird die Bausubstanz meist bestens erhalten, die Bodenpotenziale werden jedoch meist brach liegengelassen und das Landschaftsbild verändert sich. Im Allgemeinen kommt es in diesen Gebieten durch den Kapitalzufluss zu einer Erhöhung der Lebenshaltungskosten. In Tieflagen verringern sich gut bewirtschaftbare landwirtschaftliche Flächen in Gunstlagen, insbesondere im Umkreis der Ballungsräume und Verkehrsachsen durch die finanziellen Ungleichgewichte zugunsten des Verbauungszugriffs für Wohnbau, Gewerbe, Industrie und Verkehr. Beide Tendenzen führen zu einem Verlust an produktiver land- und forstwirtschaftlicher Fläche bei zunehmendem Bedarf an natürlichen Ressourcen. Neusiedler in land- und forstwirtschaftlichen Abwanderungsgebieten erhalten jedoch auch die flächendeckende Besiedlung des Ländlichen Raumes und bewahren die ursprünglich landschaftstypischen Siedlungsformen meist besser als es Land- und Forstwirte imstande sind. Daher sind hinsichtlich der Bewirtschaftung der extensiven meist kleinen Brachflächen Konzepte zu entwickeln, um die land- und forstwirtschaftliche Produktion aufrechtzuhalten. Die Raumordnungsgesetzgebung muss Regelungen finden, dass Neuansiedler alte Höfe übernehmen können, wenn durch abgeschlossene Kooperationsverträge mit Land- und Forstwirten, aber auch mit Bewirtschaftungsserviceunternehmungen die Bewirtschaftungder Flächen sichergestellt ist.

DI Clemens Neuber ist Zivilingenieur für Forst- und Holzwirtschaft und stv. Vorsitzender der Bundesfachgruppe Natürliche Ressourcen.

Verfasser/in:
Clemens Neuber, Zeitschrift KONSTRUKTIV, Nr. 265, Seite 40
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