Berlin ... kommentierte Fotoserie, Teil 1, Emil Gruber, Sommer 2018

Emil Gruber zog es 2018 wieder einmal nach Berlin Seine Eindrücke hielt er bild- und textdokumentarisch fest.

Lesen Sie dazu auch seinen Essay Berlin ... Alles bleibt besser (siehe Link unten)


 

Berlin. Auch wenn sich in großen Teilen viel verändert. Immer wieder poppt auch das schon verschwundene Berlin auf. Gleich gegenüber vom Axel-Springer-Konzern in einem alten Haus im Hinterhof befindet sich das Café Springfeld, das schon zur Mauerzeit so ausschaute. Im Inneren hängt noch die letzte Ausstellung – von 1995.

Berlin. Wer an 1968 und Berlin denkt, wird auch an die Auseinandersetzungen zwischen der Bild-Zeitung und dem Studentenführer Rudi Dutschke denken. Wohl auch nur in Berlin möglich: Die ehemalige Kochstraße und die ehemalige Lindenstraße wurden umbenannt. Heute treffen dort wieder die alten Konkurrenten zusammen.

Berlin. In Sichtweite des noch aktuellen Springer-Verlag-Hauptsitzes hat der größte inhaltliche Konkurrent, die Berliner Tageszeitung taz, ihre Redaktion. In einer Satire wurde dem damaligen Bild-Herausgeber Kai Diekmann, wohl auch wegen den immer wieder fragwürdigen Inhalten zum Thema Sexualität eine missglückte Penisverlängerungsoperation angedichtet. Es gab Gerichtsverfahren und jede Menge Aktionen und Gegenaktionen der beiden Blätter. Der Höhepunkt ist eine 2009 entstandene und bis heute existierende Plastik Friede mit Dir mit Diekmann und Anhang an der Fassade des taz-Gebäudes.

Berlin. Die Außenflächen der neuen Axel-Springer-Zentrale von Rem Koolhaas werden größtenteils aus Glasflächen bestehen.

Berlin. 2016 wurde mit dem Bau der zukünftigen Springer-Zentrale am Grundstück nebenan begonnen. Rem Koolhaas zeichnet für den Entwurf des Kubus, der sich auf einer Seite wie ein Drachenmaul öffnet, verantwortlich. In der Mitte des Bildes die Skulptur Balanceakt von Stephan Balkenhol. Die Figur ist auf einem originalen Mauerteil platziert.

Berlin. Auch im ehemaligen Westberlin sind stadtbildprägende Bauten mittlerweile in die Jahre gekommen. 1967 verlegte Axel Springer den Hauptsitz seines Verlags von Hamburg nach Berlin, nachdem in der damaligen Kochstraße an der Sektorengrenze ein monumentales goldenes Hochhaus dafür errichtet wurde.

Berlin. Rund um das Alexa ist für andere Nachkriegsbauten aus der DDR-Zeit auch die Zeit abgelaufen. Wirkliche Architekturjuwele gehen dabei nicht unbedingt verloren.

Berlin. Lang blieb rund um den Alexanderplatz der Stadtraum unverändert. 2007 wurde mit dem an Geschäften größten Einkaufszentrum in Berlin das Alexa, ein erster großer Einschnitt gesetzt. Der in einem Pseudo-Art-Déco-Stil errichtete Bau steht am ehemaligen Gelände der Roten Burg, dem legendären Polizeipräsidium Berlin. Der historische Bau wurde bei den alliierten Fliegerangriffen 1944 vollkommen zerstört.

Berlin. In der Umgebung der Jannowitzbrücke findet das Mediaspree Projekt seinen räumlichen Abschluss. Wie viel vom Fernsehturm am Alexanderplatz aus der Bahnhofsperspektive in ein paar Jahren noch zu sehen ist, bleibt fraglich.

Berlin. Durch die Gentrifizierung und den damit verbundenen Umbau oder Abriss von Altbestand verschwinden viele der großartigen gebäudegroßen Graffiti. Hier noch ein überlebendes Beispiel in der Brückenstraße gleich hinter der chinesischen Botschaft.

Berlin. Auf der gegenüberliegenden Seite der Spree befindet sich die chinesische Botschaft (rechts am Bild). Der Gebäudekomplex wurde ein Jahr vor der Wende ursprünglich als Hauptsitz des FDGB, des Gewerkschaftsapparats der DDR errichtet. Nach einer Zwischennutzung als Kongresszentrum erwarb China den Komplex und ließ ihn zur Jahrtausendwende nach Plänen der Frankfurter Architekten Fritz Novotny und Arthur Mähner umgestalten.

Berlin. Der S-Bahnhof Jannowitzbrücke war während der Mauerzeit ein zugemauerter Geisterbahnhof im Osten, durch den die Westberliner U-Bahn ohne Halt passierte. Der gegen Ende der 1920er Jahre entstandene Bogenbau stammt von Hugo Röttcher, der bis zu seinem Tod 1942 auch am NS-Welthauptstadt-Germania-Wahnsinn mitplante.

Berlin. Nach dem Holzmarkt Richtung Jannowitzbrücke findet sich einer der Szenetreffs für Nachtaktive. Der Technoclub Kater Blau ist hot und angesagt, dementsprechend führt sich der Türsteher auch als Petrus vor dem Himmelstor auf. Jeder regiert sein kleines Reich, das ist so in Berlin.

Berlin. Seit 2017 wird auf 18.000 m2 Holzmarkt-Fläche wieder alternatives Leben geprobt. Interessanterweise hat sich eine Schweizer Pensionskasse als Mitfinanzierer von bunten Kneipen, Künstlerateliers, Veranstaltungsräumen und einem wild bewachsenen Außendrumherum gefunden. Im Maul des Tigers ist ein Kindergarten daheim.

Berlin. Neben diesem nun auch gentrifizierten Abschnitt liegt unweit aber noch ein Teil Großstadtdschungel. Der ehemalige Holzmarkt ist ein Refugium für den politisch engagierten Berliner. Als Genossenschaft ohne Gewinnabsicht geführt, ist hier ein kleines Dorf entstanden, das aus der Zeit gefallen scheint.

Berlin. Die Mauer störte aber auch hier. Ursprünglich wollten die Investoren komplett die East Side Gallery entfernen lassen. Nach heftigen Protesten und Diskussionen gab es einen für Berlin üblichen Kompromiss: Mauer bleibt, Lücken kommen dazu.

Berlin. Für Freunde des Schöner Wohnens ist natürlich auch dieser Abschnitt sehr interessant. Nach und nach werden hier Bauten hochgezogen, die zu Spitzenpreisen am Berliner Wohnungsmarkt angeboten werden.

Berlin. Entlang des Spreeufers auf der anderen Seite wurde nach der Wende die East Side Gallery errichtet. Die ursprüngliche Ansammlung der „besten“ bemalten Wände der ursprünglichen Mauer wurde rasch zu einem Touristenpflichtprogramm. Heute sind wirklich originale Graffitis aus der Zeit nur mehr rudimentär vorhanden.

Berlin. Mit Beginn des neuen Jahrtausends begannen Investoren auch hier beide Spreeufer zu entdecken. Mediaspree ist ein riesiges Investorenprojekt, das sich auf gut 4 Kilometer vom Stadtraum um die Oberbaumbrücke bis zur Janowitzbrücke im Westen erstreckt. Nur fragmentarisch ist heute noch etwas von der alten Szene zu entdecken.

Berlin. Lange war die Gegend rund um die Oberbaumbrücke ein Spielplatz für die Kunstszene, für ausgefallene Lokale und für opulente Flohmärkte. Hausbesetzungen, billiges Wohnen, Selbständigkeitsexperimente, alles was nach 1989 im Zentrum von Kreuzberg langsam nicht mehr möglich war, startete hier nochmals neu.

Berlin. Die Oberbaumbrücke hat Legendenstatus. Sie trennt die Bezirke Friedrichshain und Kreuzberg. Mit dem Mauerbau wurde sie gesperrt, war einer der Umschlagplätze für den Austausch politischer Gefangener im Kalten Krieg. Später wurde sie zu einem offiziellen Durchlass für Ost-West-Besuche.

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