Zita Oberwalder: Tableau _ SVA-Social Venture Analyses _ RHIZOM 2014

Zita Oberwalders Foto-Dokumentation
der siebenwöchigen RHIZOM-Projektreihe
SVA-Social Venture Analyses
Sozial Wagnis Analysen

Aus dem Blickwinkel der Fotografin entstand aus dem siebenwöchigen Projekt ein differenziertes Tableau, das die Vielfalt und Unterschiedlichkeit der Interventionen – das Summarium de SVA in allen Schattierungen zwischen schwarz und weiss einfängt.

Die IG Kultur Steiermark präsentiert zum Auftakt der Projektreihe ihre Publikation „Es gibt viel zu tun – Für eine Demokratisierung der Kulturpolitik im 21. Jahrhundert“ -mit Lesungen/Statements von Lidija Radojević (Kulturanthropologin, SLO), Evelyn Schalk (Ausreisser), Jogi Hofmüller (mur.at) und Anita Hofer (IG-Kultur).

Noch ist es nur ein Sturm im Zimmer, der über die wummernde Lüftung simuliert wird, als Ankündigung von etwas Größerem. In der Installation von H.J. Schubert „systemdurchlüftung _ schwerer wind muss her“ können wir uns gedanklich in einen aus „Stacheldraht“ geflochtenen Satelliten beamen, der über einer Plattform mit aufragenden Nägeln schwebt. Es herrscht allgemeine Verletzungsgefahr.

Die bildende Künstlerin Angelika Thon stellt mit der interaktiven Installation „Wer wird das Kind schaukeln?“ – eine metaphorische Frage mitten aus dem Kettenprekariat zwischen künstlerischer Arbeit und Erwerbsarbeit. Wie bring ich großformatige Bilder mangels räumlicher Möglichkeiten auf ein handliches Format? Nutz ich die Malschaukel zum malen oder zum kehren? Hängen die Malutensilien zu hoch oder fliegen die Knüppel zu tief?

Margret Kreidl nimmt die headlines verschiedener Zeitungen als Ausgangsmaterial, um laut! am Gehalt und an der Oberfläche zu kratzen und sie im phonetischen Spiel zu dekonstruieren: Stresstest für unsere Banken – Esstest für unsere Schlanken; Glaubenskrieg um Spitzensteuer – Sauft lieber, Schnitzel sind teuer; Soziale Antworten auf die Krise – Marzipantorten für Portugiesen; Angst vor Kreditblasen – Fangt den Biskuithasen; Schöne Wachstumsaussichten – Schöne Axt zum Auslichten;


In der Mikroerhebung „Das Pensionskonto. Die Antwort auf ihr Leben!“ harrt die Feststellung von Margret Kreidl „Nur wenn‘s den Gesunden gut geht, geht´s uns allen gut!“ auf eine statistisch-literarische Auflösung am Ende der Projektreihe durch Albert Pall. Manfred Kummer positioniert den „Depressionsstuhl F 33.1“ in der Gesundheitsstraße. Der/die Besucher/in ist eingeladen, Platz zu nehmen und einen frei zu wählenden Punkt an der Wand zu fokussieren.

Dass die Fotoarbeit Lager Liebenau / im Keller der Kommandatur 04.04.1945 – 25.03.2013 von Rainer Possert, Arzt und Fotograf, in diesem Kontext erscheint, hat den Grund, dass RHIZOM die Bemühungen des Sozialmedizinischen -Zentrums Liebenau um die Aufarbeitung der Geschichte des Lagers V und seiner Opfer unterstützt. Vor dem Hintergrund, dass im Bereich des heutigen Grünanger noch immer die Leichen von jüdischen Zwangsarbeiter/innen vermutet werden. Dass diese Geschichte noch nicht aus der Welt ist und ein unaufgelöster Schatten über dem ganzen Areal liegt, wird auf diesen Fotos nachvollziehbar. Darum ist es notwendig, sie ans Licht und ins Zentrum der Stadt zu tragen.

Die Künstler Heribert Hirschmann, Edgar Sorgo, Ingo Abeska und ed. gfrerer nähern sich dem Inhalt mit den Möglichkeiten der Zeichnung. Ihr gemeinsamer Titel „u.s.w.“ bezieht sich auf das weite Feld der gefährlichen Abkürzungen, wie auch auf das Vorantreiben der künstlerischen Arbeit im Eigenen 1+1=2, 4+5=9. Schritte, deren Richtung nicht im white cube entschieden werden, hinein und wieder hinausführen. Wer die Ein- und Ausschließungen – wer ist drinnen? wer ist draussen? choreographiert, ist nicht immer eindeutig benennbar, aber immer hinterfragbar, eine Struktur von Linien/Gedanken, die den Knoten bilden und festzurren, die Grenze festlegen, die Falle bauen.

Anita Hofer, Akteurin in partizipativen und interaktiven Umgebungen präsentiert ihre Toninstallation „Ach, die armen Teufel!, Adaption der Installation „Glück auf Erden“ mit Textauszügen aus dem Buch „Recht auf Faulheit“ von Paul Lafargue (1883). Sie setzt sich mit Recht und Wert von Arbeit auseinander. Working poor – sich arm arbeiten in mehreren Jobs und dabei Gefahr zu laufen, in die Phalanx der gefährlichen Abkürzungen zu geraten, macht die Frage zwingend, wozu und für wen wir dann überhaupt noch arbeiten? Wenn aber für Fragen keine Energie und Zeit mehr bleibt und wir in Eigenverantwortung erstarren, klopft uns sicher einer mitleidsvoll auf die Schulter und flüstert uns ins Ohr: Nur wenn das Geld arbeiten kann, dann geht´s uns gut! armer Teufel!

ekw14,90 (Marlies Stöger, Moke Klengel, André Tschinder und Christoph Rath) bezeichnet eher ein Label als die dahinter stehenden Personen. Die Arbeiten von ekw14,90 zeichnen sich nicht selten durch subtilen Umgang mit Assoziation, Sprachwitz und radikale Reduktion oder aber auch absurde Überhöhung aus. So auch hier mit ihrer Plakat Edition, die sich sinnigerweise „Poster“ nennt. Was, wenn es in der Beziehung zwischen mir und meinem Beruf kriselt und die bedingungslose Liebe zum Job zu erkalten droht? ekw14,90 leistet einen Beitrag zur komplexen Diskussion rund um prekäre Arbeitsverhältnisse, Ich-AG und Arbeitsethos. (Text ekw14,90)

Als Ergebnis eines künstlerischen Forschungsprojektes zu KünstlerInnen und ihren Arbeitsrealitäten, Überlebensstrategien und Nebenjobs entstand die Soundinstallation “I work As” von Doris Prlić. Das Skript zu den verwendeten Klangaufzeichnungen setzt sich aus den Ergebnissen von Interviews sowie aus einer historischen Recherche zu Nebenjobs von KünstlerInnen zusammen.

Die Arbeiten „Folientransfer“ und „Arbeit 2012.04.30 09:44 – Präparieren von 15 Klavieren für 2 Performances und eine Klanginstallation“ von Andreas Kurz und André Tschinder reflektieren die eigene künstlerischen Praxis im Spannungsfeld zwischen einer zeitgleich notwendigen Erwerbstätigkeit in den Bereichen Kunstproduktion und Künstler/innenassistenz. Die hier ausgestellten Objekte entstanden im Zuge des Rückbaus einer Rauminstallation mit großflächigen Folien-Displays an Boden und Wänden.

Die Performance ”12 golden moons“ für 2 Sängerinnen, Keyboard und Zuspielband von der Dirigentin, Musikwissenschaftlerin und Komponistin Frie Reissig und der Mezzosopranistin Dagmar Anna Hödl nimmt ihren Impuls aus einer Diagnose eines Grazer HNO-Arztes: „Kieferverkrampfung durch die Behandlung beim AMS“. „Töne und Klänge in -abfallender und ansteigender Akkordfolge, das gesamte Spektrum, die FÜLLE des Ton- und Klangraums auskostend, weibliche Stimmen, sichtbare und UNSICHTBARE, hörbare und unerhörte, die Metaebene einer zugespielten Frauenstimme, in der die Klänge sich ihren Raum nehmen, SELBSTVERSTÄNDLICH – RAUMGREIFEND – UNÜBERHÖRBAR!“ (Text Frie Reissig)

Im Projekt „KünstlerIn werden leicht gemacht – Ein -schreckliches Dramolett?“ von Albert Pall (Text) und der Schauspielerin und Musikerin Alena Baich wird die Situation von Menschen, die sich als KünstlerIn selbstständig machen (wollen), anhand teils realer, teils fiktiver Korrespondenzen mit Berufsvereinigungen, staatlichen und halbstaatlichen Institutionen aufgezeigt: die Folgen sind oftmals fatal.

Ing. Robert Blazek, langjähriges Mitglied der „amici delle SVA“ gibt ein Impulsstatement zu brennenden Fragen im Spannungsfeld der Ein-Personen-Unternehmen zur Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft. Die Gruppe versucht das fehlende Interesse der SVA und WKO an den EPU‘s auszugleichen. (EPU=Ein-Personen-Unternehmen)


Text-Installation „KEIN ZUFALL“ vom Schriftsteller und Regisseur Lucas Cejpek, Aus: UNTERBRECHUNG. BURN -GRETCHEN. Sonderzahl Verlag, Wien 2014.

Gue Schmidt befragt mit seiner Foto-Installation „Wir und der subjektivierte Tauschwert“ das Verhältnis zwischen Wert und Würde. Eine Auswahl von am Projekt SVA Beteiligten, bzw. auch andere von gesellschaftlicher und politischer Kälte Betroffenen wurden fotografisch porträtiert. Diese Fotografien sind am Boden montiert. Die Besucher/innen wie auch wiederum die Beteiligten beschädigen im unausweichlichen Beschreiten müssen das Abbild der Anderen wie auch ihr eigenes.

Die Geschichte beginnt in einer (Zelt-)Stadt im Zentrum der nicaraguanischen Hauptstadt Managua, die von hunderten Plantagenarbeitern/innen und ihren Familien aus Chinandega 2004 errichtet wurde. Als Proteststadt gegen die Vergiftung der Arbeiter/innen durch Pestizide, verbunden mit der Forderung nach würdiger Entschädigung von Dole (United Fruit Company). Diese Ereignisse müssen immer wieder erzählt werden und dieses Erzählen wird immer wieder zu anderen Spuren führen, andere Handlungsmöglichkeiten eröffnen. Darum wird das gemeinsame Projekt von Colectivo Veinti3 (Consuelo Mora Benard, Moisés Mora, Juan Carlos Mendoza, Darwin Andino, José Montealegre) und RHIZOM seit 2009 -kontinuierlich weitergeführt.

Die bildende Künstlerin Margit Maure zieht mit ihrer Text-Installation eine „Armutsgrenze“, die im Zuge des gleichnamigen Projektes von „Hunger auf Kunst und Kultur“ entstanden ist. Sie wirft die Frage auf, wer sich diesseits oder bereits jenseits der durch unsere Gesellschaft verlaufenden „Brotlinie“ befindet. Und diese Grenze ist ja meistens öffentlich nicht sichtbar. Und wie wir wissen, liebt diese unsere Menschenrechtshauptstadt die Armen, aber nur wenn sie unsichtbar bleiben. (Die Armutsgrenze wird mit 60% des Medianeinkommens, das ist das durchschnittliche Gehalt der unselbstständig Beschäftigten, berechnet.)

Der „salon brösl“ ist ein gemeinsames Projekt der Kulturanthropologin und Kunstpädagogin Eva Brede und der kontextuellen Gestalterin Johanna Glösl, das an der Schnittstelle von Kunst und Vermittlung experimentiert. Mit der lecture/dem talk „der kuchen im getriebe. soziales wagnis eines manifests“ zusammen mit der Philosophin und Dramaturgin Tanja Peball wird „Raum für Diskussionen und Konflikte“ geboten: „Wenn´s zu gemütlich wird, stören Brösel. Entgegen eines im Kultur- und Kunstbereich weit verbreiteten Konkurrenzdenkens werden prekäre Verhältnisse, Existenzängste, Repräsentations- und Produktionszwänge unter Kultur- und Kunstarbeiter/innen bearbeitet. Brösl schaffen Reibungsflächen…“ (aus „Manifest“, salon brösl)

Stefanie Sargnagel, bildende Künstlerin, Call-Center-Arbeiterin und Schriftstellerin liest aus ihrem debut roman „binge living“ in dem sie anhand von gesammelten facebook-Statussen ihren Alltag zwischen Callcenter, Wirtshaus und Kunststudium skizziert. Plakate und Zeichnungen, straßenseitig eine AMS-Fahne, auf der schon der Vogel-V-Geier kreist, runden den „optimistischen“ Blick ab: „in der zukunft sind wir alle tot“, so ihre prognostizierten Chancenaussichten. Oder „Es war einmal ein Künstler. Der hatte gar kein Geld. Er bewarb sich im Callcenter. ENDE!“.

Rhizom ist heuer 26 Jahre und macht sich und anderen ein Geschenk: Ein Konzert für Beseelte. Von und mit dem Komponisten und Multiinstrumentalisten Karl Wilhelm Krbavac – Das Soloorchester mit NEW VIENNA BEATS für E-Gitarre, Elektrische Gambe und virtuelles Beatensemble. Der Bogen spannt sich von der klassischen Moderne bis zur Musik von Jimi Hendrix, in Richtung Crossover, Zwölftonspiel bis zu Jazzelementen in der Kammermusik. Hart und heilig.

Eine Recherche-Geschichte, aus aktuellem Anlass, nennt sich „social gardening – KUNST = NATUR minus X“, initiiert von Hubert Höllmüller und Edgar Sorgo. Die betroffenen wie handelnden Personen sind die Jugendlichen im Einzugsgebiet Graz Jakomini um die Siedlungen in der Pomisgasse zusammen mit dem Sozialarbeiter Stefan Widakovic. Im Ökopark im Bezirk Jakomini stand 3 Jahre lang ein Container der Stadt Graz als Treffpunkt für die Kinder des umliegenden Wohngebiets. Ende letzten Jahres wurde er ohne Vorankündigung weggeräumt. Es gäbe keinen Bedarf mehr dafür. RHIZOM unterstützt nach Gesprächen vor Ort den Wunsch der (inzwischen) Jugendlichen nach Wiederherstellung des Containers und der Betreuung. Die offenkundliche, über lange Zeit erarbeitete Vertrauensbasis zwischen den -Jugendlichen und „ihrem“ Sozialarbeiter ist die gute Basis für soziale und kulturelle Arbeit und Interaktion in diesem „schützenden und schützenswerten kleinen Dschungel“ und einem konfliktreichen Umfeld.

Eine raumgreifende Arbeit des österreichischen Künstlers Mirko Maric trägt den Titel: „WIR“. Die gesellschaftlichen Verhältnisse werden in einer bizarren Aufstellung von Eiern und Gourmet-Weinbergschnecken (alle aus Bodenhaltung) in Bewegung versetzt. Die kleinen, per Hand ausgerissenen Portraits aus dem Karriere-Standard(?) beobachten aus erhabener Position das makabre Spiel. (p.s. die eingesetzten Schnecken wurden am Tag nach Eröffnung lebend in freier Wildbahn ausgesetzt)

Die Fotografin Zita Oberwalder hat die 7-wöchige Projektreihe aus ihrem Blickwinkel begleitet und daraus ein sehr differenziertes Tableau gebaut, das die Vielfalt und Unterschiedlichkeit der Interventionen – das Summarium de SVA in allen Schattierungen zwischen schwarz und weiss einfängt.

Alan Kline hat über 7 Wochen lang die Club-Bar 'Herz der Finsternis' (mit Gesundheitsstraße und Bar-Therapie) betreut, als Nahversorger, Wuchtelservierer und Scheriff.

Das Diagramm als Torte: Die Aufteilung des RHIZOM–SVA–Gesamtbudgets (Overheadkosten mit Infrastruktur, Personalkosten, Miete und Werbung), künstlerische Materialkosten, Kosten für Technik und Künstler/innenhonorare) wird vom Excel-Diagramm in eine wohlschmeckende Torte übersetzt (Idee & Umsetzung: Salon Brösl (Eva Brede und Johanna Glösl). Die Torte teilt sich in 64% für Künstler/innenhonorare, 17% Overheadkosten, 11% Künstl. Material und 8% Technischer Aufwand.

Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
GAT+