25/09/2023

1923 „geboren“, feiert das Österreichische Denkmalschutzgesetz in diesem Jahr sein 100jähriges Bestehen. Erdacht wurde es, um Denkmalen aufgrund ihrer geschichtlichen, künstlerischen oder sonstigen kulturellen Bedeutung Schutz vor Veränderung und Zerstörung zu gewähren. Warum es den Denkmalschutz weiter braucht, wie lebendig der österreichische Denkmalbestand genutzt wird und wohin sich das Gesetz entwickeln soll und kann, beantworten Eva Hody, Leiterin des Landeskonservatorats für Salzburg, und Dr. Christoph Bazil, Präsident des Bundesdenkmalamtes, im Austausch mit Architekturjournalistin Linda Pezzei.

25/09/2023

Renovierungsarbeiten an einer der Grotten aus dem 16. Jahrhundert in der Altstadt Salzburgs, ©LKS-Conny-Cossa

Eva Hody, Leiterin des Landeskonservatorats für Salzburg

©: BDA Bundesdenkmalamt

Dr. Christoph Bazil, Präsident des Bundesdenkmalamtes, ©Bundesdenkmalamt

©: BDA Bundesdenkmalamt

Bereits 1850 unterschrieb Kaiser Franz Joseph I. das Dekret für die Einrichtung der K.k. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale. Der Vorläufer des heutigen Bundesdenkmalamtes gewann rasch an Bedeutung, doch erst am 25. September 1923 konnte die Stammfassung des Denkmalschutzgesetzes im BGBI veröffentlicht werden. Mehr als 16.000 ausgewiesene Baudenkmäler gibt es in Österreich.
Trotz der mittlerweile langen Liste an denkmalgeschützten Objekten in Österreich, bedarf es häufig der Unterstützung durch Medien und Bürgerinitiativen, um den Schutz auch konkret durchzusetzen. Dem Gremium des Denkmalbeirats kommt bisher nur eine beratende und sachverständige Funktion zu.

Ein mediales und breitenwirksames Ereignis ist der Tag des Denkmals als österreichischer Beitrag der europaweiten Initiative European Heritage Days, die unter der Patronanz des Europarates und der Europäischen Union steht. Seit 1998 wird der Tag in Österreich vom Bundesdenkmalamt koordiniert. Er findet jährlich am letzten Sonntag im September – heuer am gestrigen 24.9.2023 – in ganz Österreich statt. „Das diesjährige Motto „Living Heritage“ haben wir mit „denkmal [er:sie:wir] leben“ übersetzt“, sagt der Präsident des Bundesdenkmalamtes Dr. Christoph Bazil und ergänzt, „es wurden aktuelle Projekte der Denkmalpflege, bekannte, aber und auch unbekannte Denkmale präsentiert.“ Im Mittelpunkt stünden dabei laut Eva Hody, Leiterin des Landeskonservatorats für Salzburg, jeweils die Eigentümer*innen, die ihre Denkmale mit viel Leidenschaft erhalten. So war es den Besucher*innen 2023 ans Herz gelegt, zu erfahren, was auf dieser Basis zum Schutz und zur Pflege des kulturellen Erbes bislang alles erreicht werden konnte.

Via E-Mail-Austausch haben Eva Hody und Dr. Christoph Bazil unabhängig voneinander die gleichen Fragen beantwortet und ihre Sicht auf die Bedeutung und Relevanz des Denkmalschutzes in Österreich deutlich gemacht.
 

1.    Was ist mit Blick auf die vergangenen 100 Jahre besonders positiv zu bewerten und was gilt es für die Zukunft an Weichen zu stellen?

[Dr. Christoph Bazil > CB]         Wir alle stellen mit unserem heutigen Handeln die Weichen für morgen. Dieses Prinzip der Verantwortung gilt besonders auch in der Denkmalpflege. Ich finde es bemerkenswert, dass in den Jahren nach den moralisch-menschlichen Verwüstungen sowohl des Ersten wie des Zweiten Weltkriegs die Republik sich trotz der wirtschaftlichen Notlagen für die Erhaltung ihrer kulturellen Einrichtungen und ihres Erbes stark gemacht hat. Dazu zählen auch das Denkmalschutzgesetz von 1923 und der Wiederaufbau des Bundesdenkmalamtes nach 1945. Bei allem, was man als Verlust beklagen muss, sind die vergangenen 100 Jahre im Gesamten eine Erfolgsgeschichte. Der Kunsthistoriker Max Dvorak (1874-1921), ein früher Denker der österreichischen Denkmalpflege, hat die größten Gefahren für unser kulturelles Erbe zusammengefasst und dabei Ignoranz und Dummheit, Habgier und Lüge, Verschönerungssucht und falsch verstandenen Modernismus genannt. Die Aufzählung gilt noch heute und dagegen stellt sich das Bundesdenkmalamt und dagegen stellen sich viele Menschen. Viele Erfolge nehmen wir heute nicht mehr wahr, weil sie uns selbstverständlich sind. Wer würde heute noch glauben, dass zum Beispiel das Palais Ferstel mit dem Café Central in Wien einer autogerechten Straßenerweiterung hätte weichen sollen? Mir ist wichtig, dass wir die Zusammenarbeit mit den Ländern und Gemeinden, die für die Bauordnungen, die Flächenwidmung und den Ortsbildschutz zuständig sind, weiter ausbauen. Eine wirkliche Schwachstelle ist, dass wir die vielen Eigentümer*innen zwar mit einzelnen Förderungen, aber nicht breitenwirksam unterstützen können. In Deutschland können Privatpersonen ihre Aufwendungen für die Erhaltung steuerlich abschreiben und das Einkommensteuergesetz gilt dort als das eigentliche Denkmalschutzgesetz. In Österreich könnten wir mit ähnlichen Rahmenbedingungen sicher viel zur Erhaltung und Belebung von Ortskernen, aber auch des stets gefährdeten bäuerlichen Erbes beitragen.

Auch wenn das Denkmalschutzgesetz 100 Jahre alt ist, gibt es dennoch den Rahmen, auf die sich laufend ändernden Bedürfnisse zu reagieren und gleichzeitig die Denkmale nachhaltig und in ihrer geschichtlichen, künstlerischen und kulturellen Bedeutung zu bewahren. Mir ist wichtig, dass wir für Denkmale sinnvolle, zeitgemäße Nutzungen haben. So haben wir etwa im Vorjahr unter dem Motto „Denkmalschutz = Klimaschutz“ einen Schwerpunkt bei der Energieeffizienz von Baudenkmalen gesetzt. Die Nutzung des Bestehenden ist ein nachhaltiges Ziel der Denkmalpflege, das über ihren unmittelbaren Kreis hinausgreift.

[Eva Hody > EH]       Selbstverständlich werden am Tag des Denkmals immer auch aktuelle Projekte, solche, die noch laufen, aber auch abgeschlossene, einem interessierten Publikum vorgestellt. Für mich ist es immer sehr spannend zu erfahren, wie viel Interesse die Besucher*innen an den Denkmalen und deren Erhaltung haben. Für Interessierte gibt es am Tag des Denkmals die Möglichkeit, Denkmale aus einer besonderen Perspektive näher zu betrachten und mit Menschen, die diese verantwortlich erhalten, in Kontakt zu treten.

2.    (Warum) Braucht es in Ihren Augen den Denkmalschutz?

[CB]         Na ja, das ist ein wenig wie die Frage: Wozu brauchen wir Musik oder Bücher? Denkmale prägen unsere persönliche Lebenswelt, sie begegnen uns täglich: Es gibt wahrscheinlich keine Gemeinde, in der nicht zumindest ein Denkmal steht. Sie können Generationen verbinden und sind offen für neue Ideen. Als Zeugnisse anderer Menschen, ihrer Vorstellungen, ihrer Gestaltungskraft, ihrer Lebens- oder Arbeitswelt können sie auch uns Anlass geben, über unser Leben und unsere Werte nachzudenken. Und oft sind es einfach auch Orte, in deren Schönheit wir uns erholen können.

[EH]        Aufgekommen ist die Idee des Denkmalschutzes, wie wir ihn heute verstehen, im 19. Jahrhundert, wo vor dem Hintergrund der Industrialisierung und der demografischen Veränderungen sehr viele historische Gebäude abgebrochen und durch damals zeitgemäße ersetzt worden sind. Nicht immer wird Erneuerung von den Menschen positiv aufgenommen, denn es gibt immer auch ein Bewusstsein für die Geschichte, für wertvolle Errungenschaften und deren Dokumentationswert. In historischen Objekten ist Geschichte materiell festgehalten, sie erzählen über die kulturellen Wurzeln einer Gesellschaft, über historische Ereignisse und über künstlerisches Können in vergangenen Zeiten, sie stiften Identifikation. Somit wird der Verlust von derartigen Objekten häufig schmerzlich wahrgenommen und befeuert den Wunsch nach Erhaltung. Auch heute noch tritt die Bevölkerung an uns heran, wenn sie nicht einverstanden ist, dass ein altes Haus abgerissen werden soll.

3.    Wie lebendig wird der österreichische Denkmalbestand Ihrer Meinung nach in Österreich genutzt und sehen Sie noch Luft nach oben?

[CB]         Österreich besitzt eine reiche Kulturlandschaft, die nicht nur für den Tourismus wichtig ist; sie trägt vor allem zur Lebensqualität bei und ist sicher auch ein wirtschaftlicher Standortfaktor. Diese Tatsache gilt für ganz Österreich, dass in Gegenden, die schön sind, wo das kulturelle Erbe „lebt“, sich interessante Lebensräume entwickelt haben, die Menschen gerne bleiben oder hinziehen. Davon möchten wir möglichst viele Menschen überzeugen, in erster Linie natürlich die Eigentümer*innen von Denkmalen – auf sie kommt es in erster Linie an.

Gelungene Projekte werden mit der österreichischen Denkmalschutzmedaille ausgezeichnet. Wir haben das im vergangenen Jahr mit großem Erfolg wiederbelebt. Es werden dabei sowohl Einzelpersonen als auch Vereinigungen geehrt, die durch ihr außerordentliches Engagement zum Erhalt des kulturellen Erbes in Österreich beitragen. Es gibt, glaube ich, keine Gemeinde, kein Tal und keine Ecke, wo nicht zumindest ein geschütztes Denkmal steht. In den allermeisten Fällen werden diese auch mit viel Engagement der Eigentümer*innen oder von verschiedenen Initiativen erhalten.

[EH]        In Österreich sind viele Menschen mit der Erhaltung von historisch wertvollem Kulturgut befasst. Es sind die Eigentümer*innen, die ihre Denkmale erhalten und weiter zeitgemäß nutzen wollen. Dafür werden Sie nicht nur durch das Bundesdenkmalamt beraten, sondern tatkräftig von Fachplaner*innen, Handwerker*innen und Restaurator*innen unterstützt. Gerade hier spielen die Denkmale eine wichtige Rolle für die Tourismuswirtschaft. Kaum eine Tourismuswerbung verzichtet auf Bilder von Denkmalen und historischen Kulturlandschaften, um Besucher*innen anzuziehen. Einen Weg zu finden, die Denkmale zeitgemäß zu nutzen und nicht nur für museale Zwecke zu erhalten, ist tatsächlich eine gewisse Herausforderung für alle Beteiligten. Ich denke aber, dass es gerade in Österreich einen durchaus lebendigen Umgang mit dem kulturellen Erbe gibt. Auch das ist am Tag des Denkmals erfahrbar.

4.    Was werden Sie am 24. September, dem Tag des Denkmals, besuchen?

[CB]         Ich bin in diesem Jahr zuerst in Salzburg unterwegs und werde an einem Stadtspaziergang anlässlich des Jubeljahres von Johann Bernhard Fischer von Erlach teilnehmen und danach noch kürzlich abgeschlossene Restaurierungen der Salzburger Grottenarchitektur der Renaissance besichtigen. Bei der Rückfahrt nach Wien werde ich noch an einer Veranstaltung in der Heiligen-Geist-Kapelle in Bruck an der Mur teilnehmen.

[EH]        Selbst biete ich am Tag des Denkmals zwei Führungen zu den kunstvoll gestalteten Grotten der Renaissance in der Salzburger Altstadt an. Diese Grotten zählen zu den spannendsten Bautypologien der Renaissance. Salzburg war um 1600 einer der Mittelpunkte der europäischen Grottenkunst. Es sind besonders spannende Beispiele, die zeigen, wie sehr Erhaltung und Präsentation zeitgebunden sind – ähnlich wie ihre Entstehung. Bei einem Stadtspaziergang werden drei hervorstechende Beispiele besichtigt und ich werde über die Möglichkeiten und Herausforderungen der Restaurierung dieser komplexen Ausstattungen sprechen.

Zwischen meinen Führungen werde ich natürlich andere offene Denkmale in der Stadt Salzburg besuchen. Das Programm in Stadt und Land Salzburg ist dieses Jahr wieder sehr vielfältig und ich würde mich sehr freuen, wenn ich viele interessierte Besucher*innen bei anderen Programmpunkten antreffe und mich mit ihnen austauschen kann.

5.    Ein denkmalgeschütztes Gebäude, das Ihnen besonders am Herzen liegt?

[CB]         Ich habe kein Denkmal, das mir besonders am Herzen liegt oder ein „Lieblingsdenkmal“, weil es so viele verschiedene Denkmale gibt, die unsere Geschichte von der Urgeschichte bis in unsere Gegenwart zeigen. Das interessanteste Denkmal ist wohl immer das, mit dem man sich gerade beschäftigt.

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Dieser Artikel erscheint im Rahmen von GAT+.

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