01/08/2023

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Von oben herab

Architekt Wilhelm Scherübl Jr. veröffentlicht in unregelmäßigen Abständen architektonische Utopien, die Zitate aus der aktuellen Medienlandschaft zum Ausgangspunkt haben.

01/08/2023

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©: Wilhelm Scherübl Jr.
©: Wilhelm Scherübl Jr.

Selbst inmitten des Staus und des Staubes erkennen wir, wie Staubpartikel durch die Reihen der Autos wirbeln. Die Windschutzscheibe wird immer bedeckter, während wir zuschauen. Das Sonnenlicht wirft Schatten der kleinen Ansammlungen in das Innere unseres Fahrzeugs. Kleine Inseln aus Sand und Staub haben sich gebildet, während wir hier stehen und warten. Es fühlt sich an wie eine Sanduhr, die mit jeder verstrichenen Minute mehr Sand ansammelt. Es gibt nicht viel zu tun, außer zu warten. Wie viele andere stecken wir hier im Stau und Staub fest.

Das Sonnenlicht wird unzählige Male von den Fassaden gebrochen und reflektiert, und es fühlt sich an, wie in einem Schmelztiegel gefangen zu sein. Zwischen Hochhäusern und zahllosen anderen Fahrzeugen eingeschlossen, sitzen Menschen wie wir, warten darauf, dass es weitergeht. Wir fühlen uns in einem kleinen, selbst gewählten Gefängnis gefangen. Die Luft aus der Klimaanlage bläst uns entgegen, und je mehr Sand sich auf der Scheibe ablagert, desto wärmer wird der kontinuierliche Luftstrom, der durch das Fahrzeug strömt.

Wie jeden Tag fragen wir uns, warum wir uns in dieser Situation befinden und warum wir uns jeden Tag darauf einlassen. Die Kombination aus Staub und roten Ampeln schafft eine apokalyptische Stimmung, und wir können nicht anders als kurz zu schmunzeln. Wir greifen nach einem unserer Geräte und wählen den Song „Highway to Hell“ von AC/DC von einem Streaming-Anbieter aus, weil er so gut zur aktuellen Situation passt. Obwohl es sich so anfühlt, als ob wir auf dem Weg zu einer apokalyptischen Party wären, ist es doch nur ein gewöhnlicher Arbeitstag.

In diesem Moment hören wir ein Summen über uns, und wir lehnen uns vor, um einen Blick auf den rötlichen Himmel zu erhaschen. Eigentlich brauchen wir nicht nach oben zu schauen, um zu wissen, was uns erwartet. Doch der Reiz ist immer noch da, vielleicht hoffen wir, einen Blick auf die Person zu erhaschen, die von A nach B transportiert wird. Aber diese positiven Gefühle verblassen schnell, als wir dem Flugtaxi nachschauen. Frustration steigt in uns auf – bitter und intensiv. Sie ignorieren uns nicht nur in der Gesellschaft, sondern zeigen uns auch ständig, dass sie überlegen sind, indem sie ihre Privilegien zur Schau stellen.

Die Luft aus der Lüftungsanlage wird unerträglich, und Schweißtropfen laufen uns von der Stirn. Negative Gedanken über die Superreichen schwirren in unseren Köpfen. Sie sind es, die die gesamte Situation verschlimmern und uns glauben machen, dass wir als Gemeinschaft Schuld an der Hitze und den sich verschlechternden Lebensbedingungen tragen. Freiheit scheint ein Privileg zu sein, das nur Wohlhabenden vorbehalten ist. Während einige sich weigern, auf jeglichen Luxus zu verzichten und mit Flugtaxen, Privatjets, Yachten und zahlreichen Villen alles um uns herum zerstören, sind wir nur benachteiligt und sollen alles opfern.

Wir fragen uns, warum Kapital in unserer Gesellschaft einen so hohen Stellenwert eingenommen hat, obwohl wir in unseren Autos sitzen und die Zerstörung der Welt um uns herum beobachten.

Trotz allem bleibt unser ursprünglicher Instinkt bestehen: Wie fantastisch wäre es, über allen anderen zu schweben und diesem Stau zu entkommen!

___ Quellen ___

Zitat: „In ein paar Jahren soll es in Deutschland 300 Flugtaxis geben.“

FAZ - Flugtaxi

Ich scheiss aufs Klima

Gridlock in West Africa: Accra's troubled attempts to tackle its traffic crisis

Kurz vor dem Kollaps

AC/DC - Highway to hell

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