15/09/2004
15/09/2004

Sobother Erlebniswerkstatt im Bau. Foto: Tschavgova

Idylle mit ungarischem Einschlag

Soboth ist ein idyllischer Ort im Dreiländereck Steiermark, Slowenien und Kärnten. Hier sagen sich Fuchs und Hase „Gute Nacht“ und jene Spezies Touristen, denen weiche Almwiesen und bewaldete Steilhänge, Wanderwege, Sonnenplätzchen und Ruhe genug Entertainment sind. Ortsansässig wird oder bleibt hier nur, wer in der Tourismusbranche Arbeit findet oder in der Forstwirtschaft. Das ist sicher auch der Grund, warum das kleine Ortszentrum als Ensemble von Kirche, Friedhof, Kapelle, Gemeindeamt, zwei Gasthäusern und lose dazwischengestreuten kleinen Einfamilienhäusern noch weitgehend intakt ist. Kein Zuzug, kaum Neubauten. Bis auf einen, der auffällt.
Neben dem Gemeindehaus sticht ein fast fertiger Rundbau ins Auge: Holz von den Fußspitzen bis zu den bis zum Boden gezogenen Dachschindeln, kunstvolles Holzschnitzwerk vom Balken bis zur Türumrahmung. Schlangenhäupter, Drachenköpfe - totally Holz, so weit, so (aber nicht) gut!
Ungarn grüßt Soboth, denkt der Architekturbewanderte, oder: Imre Markovec (Ungarischer Nationalarchitekt) was here. Oder war’s ein indischer Guru, der hier Spuren hinterlassen hat?
Nein, erfährt der Architekturbeflissene, hier wird in unmittelbarer Nähe zur katholischen Kirche (16. Jahrhundert) kein Symbol religiöser Toleranz errichtet, sondern – eine Erlebniswerkstatt!
Ach ja, erinnert sich der ArchitekturPURist, flächendeckend musste er im ganzen Ortsbereich Skulpturen und sogar -gruppen aus Baumwurzeln und Baumstämmen wahrnehmen.
Genau, erfährt fassungslos der doch nur idyllisch wandern wollende Tagestourist, für diesen Künstler und vielleicht für andere (das steht noch nicht fest) errichtet die Gemeinde dieses Gebäude als Touristenattraktion.
Geplant von drei Künstlern, ohne Architekt, finanziert möglicherweise sogar aus dem „Ortserneuerungs-Sondermittel-Topf" von Frau Landeshauptmann Klasnic, aus dem zwischen 2001 und 2003 mehr als 50 Millionen Euro an Subventionsgeldern geflossen sind und der neuerdings ob seiner konzeptlosen Vergabemodalitäten ins Kreuzfeuer kam. Mehr als die Hälfte ging, wie der Rechnungshof kritisch anmerkt, an Projekte, für deren Subventionierung beste Kontakte in die Regierungsbüros ausschlaggebend gewesen sein sollen.
Was soll’s, schließt daraus resigniert der Realist. Hierzulande herrscht eben traditionell Herr oder Frau Landesfürst, da kriegt der, der geflissentlicher „ante chambriert“.
Halt, meldet sich zaghaft der Idealist, war da nicht etwas mit der Baukultur, die sich Frau Landeshauptmann an die Brust genommen und zur Chefinnensache gemacht hat? Und gibt es nicht Ortsplaner, Bausachverständige, Baubezirksleiter, die Baustelle Land Initiative u.s.w., die den Gemeinden bau-beratend zur Seite stehen sollten und im Fall des idyllischen Örtchens Soboth die Aufgabe hätten, den Verantwortlichen zu erklären,
a) Was die Qualität des Ortskerns in seiner gewachsenen Struktur ausmacht
b) Dass man auch von den traditionellen kleinen Holz-Stein Mischbauten Modernität ableiten kann, ohne sie zu kopieren; also eine zeitgemäße Ausdrucksform finden.
c) Dass Erlebnis sich in dem, was in der Werkstatt geboten wird, ausdrücken soll und nicht in gebauten Versatzstücken aus ungarischer Nationalarchitektur, nordischer Stabkirche und indischem (oder japanischem?) Tempel.
Und zu guter Letzt: Dass der typische Soboth-Tourist zur Bereicherung seines Urlaubs sicher keine Erlebniswerkstatt braucht, sehr wohl aber die Qualität des (noch) einmaligen, besonderen Ortes.

Verfasser/in:
Karin Tschavgova
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