12/11/2004
12/11/2004

Der im Folgenden abgedruckte Text ist die wörtliche Abschrift des Einleitungsreferats von Klaus Vatter, Stadtplaner im Magistrat Wien. (mühevoll abgeschrieben von Maria Nievoll, der GAT herzlich dankt)

Wir haben für unsere Wettbewerbe und unsere verschiedenen Planungsaufgaben ein Vergabebudget, und in meiner Abteilung habe ich eine Hausdruckerei, wo ich Flugblätter, Folien und alle diese Dinge produziere, nicht nur für uns, sondern aus Kostengründen auch für andere. De facto sind wir ein österreichischer Mittelbetrieb. Neben den Planungsaufgaben, die sehr viel Kapazität binden - ich habe immerhin einen Bereich von 16 Bezirken und 1 Million Einwohner, und ca. 70% der Wiener Unternehmen sind in diesen 16 Bezirken verortet - ist in verschiedenen Maßstabsebenen – 1:200, also der Schnittstelle zur Baubehörde bis zu 1:10.000 - zu beplanen, unser Kernmaßstab ist der Flächenwidmungs- und Bebauungsplan, das rechtsverbindliche Instrument dort, wo auch die Bodenwerte und Immobilien definiert werden, und der Wert dieser Immobilien, die rechtliche Beträge nach sich ziehen, ist der Maßstab 1:2000. Auf dieser Maßstabsebene fließen ungemein viele wichtige Informationen zusammen, dort ist auch die Schnittstelle verschiedenster Interessen: jeder Grundeigentümer, jeder Bauträger ist natürlich bestrebt, die Nutzenmaximierung mit zu transportieren, und natürlich heißt das, es ist dem einen immer zu viel, dem anderen zu wenig. Das Abbildungsprinzip wird dort zur Rechtsverbindlichkeit geführt. Das heißt, es gibt nicht von allen Seiten gleichmäßig Applaus für diese Rolle.

Veränderungen und Anpassungen heißen auch, dass die magistratischen Organisationen kundenorientiert sein sollen. Unser Ziel ist: wir sind Servicebetriebe. Die Kundschaften sind immer mehrgeteilt. Zum einen ist es der Bürger, zum anderen der betroffene Grundeigentümer oder Interessent, der Bauträger, der hin und wieder in Gestalt eines Architekten auftritt, aber wenn sich Stadt verändern soll, bedarf es auch Investitionen, und hier das richtige Maß zu finden, ist ein sehr breiter Meinungsbildungsprozess.

Wir haben im Magistrat privatwirtschaftlich agierende Teile, die nicht der Hoheitsverwaltung angehören. Die Stadt Wien ist selbst der größte Grundeigentümer in Wien. Das heißt, wir sind hier auch mit dem Interessensausgleich mit privatwirtschaftlichen Organisationsteilen des Magistrates beschäftigt. Dann haben wir Kunden auch auf politischer Ebene, wir sind aufgerufen, den politischen Support zu leisten, d.h. Entscheidungsvorbereitung zu leisten, auch Alternativen vorzulegen, Bewertungsvorgaben zu erarbeiten, oder auch programmatische Zieldiskussionen vorzubereiten oder durch Enqueten, Workshops usw. soweit zu verifizieren, dass sie zu beschlussfähigen Organen werden. Das Ganze passiert im Rahmen von Produktdefinitionen; Stadtteilplanung und Stadtteilmanagement sind ein Produkt, und da gibt es jährlich die Budgetvorschau, wir haben ja in der öffentlichen Verwaltung nach wie vor die Kameralistik, also einjährige Dispositionen, was das Handeln nicht immer leicht macht, aber mit bestimmten finanztechnischen, budgetrechtlich gedeckten Möglichkeiten können wir auch mehrjährige Planungsprozesse kontinuierlich betreiben.

Daneben machen wir auch noch große Bürgerbeteiligungsverfahren, teilweise unter Zuhilfenahme von EU-Programmen. Das sind mehrjährige Verfahren für eine Bevölkerung von 95.000 etwa, was mit einem erheblichem Organisationsaufwand und zahlreichen Arbeitsgruppen verbunden ist. Als Stadtplaner verbringt man zumindest 3 Abende nicht mit der Familie.

Zur Funktionsweise selbst: Der Stadtplaner ist meiner Meinung nach bestenfalls primus inter pares. Stadtplanung ist eine Querschnittsmaterie, die auf interdisziplinäre Arbeitsweisen eingerichtet ist. Und dieses interdisziplinäre Arbeiten heißt, dass man bei der Projektentwicklung als Stadtplaner eher eine Steuerungsrolle spielt. Aufbereitung eines Projektes, Design von Arbeitsabläufen, Steuerung von Konfliktmanagement, Konfliktvermeidungsstrategien. Das nächste Moment ist, dass dieses interdisziplinäre Arbeiten und die Teamleistung dafür sorgen, dass es Projekte gibt und auch der Leiter eines Projektteams oder einer Abteilung nur immer so gut ist wie das Team selbst oder wie gut und effizient die Zusammenarbeit ist.

Da begleiten uns natürlich zahlreiche Auftragnehmer aus dem universitären Bereich oder Zivilingenieure. Und es gibt zahlreiche Kommissionen und Gremien, wo die Entwicklungsstrategie abgestimmt wird. Wir haben u. A. die Baudirektion als strategische Einheit, die sich wie eine Verwaltung, aber auch mit Schnittstellenmanagement beschäftigt, wir haben z.B. eine Infrastrukturkommission, wo im Einklang mit der Stadtentwicklung die Vorsorge für die entsprechende Infrastrukturausstattung von neuen Stadtteilen oder Stadtbereichen getroffen wird. D.h. hier werden Entwicklungspotenziale - in Wien haben wir etwa 6000 – 7000 Wohnungen pro Jahr, plus 200.000 m2 Büroflächen und einiges an frei finanzierten Bereichen - räumlich verwaltet, und in den Einzelbereichen muss eine Kapazitätsvorsorge getroffen werden, und diese Abstimmungen sind übergreifend und müssen in den Budgetplänen ihren Niederschlag finden, und der Bezug von Wohnungen und Wohnbereichen erfordert auch Kindergärten, Schulen, Straßen, Kanalanschluss usw. Das heißt, diese Qualitätssicherung, die Infrastrukturkommission ist zentral angesiedelt und ich finde das auch sehr wichtig, nachdem das ressortübergreifend betrachtet werden muss, und den Brückenschlag zu anderen Querschnittsmaterien und der Finanzseite, der Budgetseite herstellt.

Zum Übrigen haben wir innerhalb der verschiedenen Planverfahren durchaus auch qualitätssichernde Momente: Das eine ist die öffentliche Diskussion, das andere die Diskussion innerhalb des eingesetzten Fachbeirates. Im § 3 der Wiener Bauordnung ist ein 12-köpfiges Gremium vorgegeben, dem sämtliche Flächenwidmungs- und Bebauungsplanentwürfe zwingend vorgelegt werden, das aber natürlich auch vorbereitende Planungen macht und Mitspracherechte ausfüllt. Vorbereitende Planungen sind Stadtteilplanungen, Vorbereitung heißt auch Zielformulierungen bei städtebaulichen Wettbewerben, die in der Regel auch von unabhängigen Fachexperten, dazu zählen auch Architekten, vorbesprochen und begutachtet werden. Man arbeitet hier unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Dieser Fachbeirat ist interdisziplinär zusammengesetzt, ein unabhängiges Gremium, das zu ¾ von unabhängigen Institutionen wie der Universität und der Ingenieurkammer gestellt wird, und nicht von der Stadt. Es ist ein unpolitisches Instrument, das die unvoreingenommene fachliche Meinungsäußerung gewährleistet. Der Fachbeirat hat als Funktion außerdem die Begutachtung sensibler architektonischer Projekte. Wenn z.B. im Museumsquartier, in denkmalgeschützten oder Weltkulturerbezonen gebaut wird, werden auch Dachgeschoßausbauten und ähnliche Dinge im Rahmen des Bauverfahrens durch die MA 19 dem Fachbeirat vorgelegt und begutachtet. Diese Gestaltungsbeiratsfunktion läuft etwas leichter, wenn nicht nur Architekten am Tisch sitzen. Im Fachbeirat sind auch eine Fachfrau für Denkmalwesen, Ökologen, Raumplaner, eine Ärztin für Volkshygiene, Kammervertreter und Wirtschaftsvertreter vertreten. Dieses Gremium hat eine ehrenamtliche Tätigkeit, aber derzeit sehr viel Arbeit. Derzeit, oder eigentlich die letzten 15 Jahre bereits, herrscht wieder Planungskonjunktur, und das hat mehrere Gründe: Seit 1989 hat Wien ein leichtes Bevölkerungswachstum, plus Wohlstandswachstum und doch auch eine wirtschaftliche Dynamik, d.h. die Nachfrage nach Bauinvestitionen oder Flächen dafür, nach Standorten, ist durchaus gegeben, und die Architekten wissen das durchaus zu schätzen.

Der Stadtentwicklungsplan ist ebenfalls in Vorbereitung. Es ist ein 10-jähriges Ereignis. Natürlich sind sehr viele Kollegen und Kolleginnen damit beschäftigt. Der Stadtentwicklungsplan ist kein rechtsverbindliches Instrument und altert in manchen Punkten relativ rasch. Es beschäftigen sich mit der Verfassung des Stadtentwicklungsplanes Arbeitsgruppen von 50, 60 Leuten, die zusammenfassen, strukturieren, verfeinern und auf Plausibilitätsbrüche untersuchen. D.h. dieser 2-jährige Hürdenlauf ist derzeit im Gange und umfasst sämtliche Interessensgruppen. Es sind breite Diskussionsprozesse, weil es auch darum geht, dass die zentralen Ziele der Stadtentwicklung nicht nur in die Köpfe oder auf das Papier der Planer Eingang finden, sondern in die Köpfe der Akteure und Entscheidungsträger. Die müssen ihn täglich umsetzen, und die Chancen, die zentralen Ziele zu kennen, ist sehr wichtig für die Bauträger, Projektentwickler, die sich in ihren Dispositionen daran orientieren können.

Die operative Seite der strategischen Stadtentwicklungsplanung findet in der Stadtteilplanung statt. Das sind jene Planungen, die sehr oft mit hochrangigen Infrastrukturinvestitionen Hand in Hand gehen und längerfristig, oft auf 10-Jahreshorizonte, disponiert werden. Das sind in der Regel Begleitplanungen für U-Bahnausbau, für Straßenausbau, für die Restrukturierung größerer Stadtteil,e wie z.B. ablesbar im Bereich des Schlachthofes, auch an der U3-Achse Richtung Osten, wo ein Wirtschaftsbereich auf Grund sich ändernder Wirtschaftsstrukturen neue Chancen und neue Entwicklungschancen erhält, oder die U2-Verlängerung, die derzeit in Bau ist, im Bereich des Schottenringes durch den 2. Bezirk, Praterstern, weiter in Richtung Messe und über die Donau hinweg, wo z.B. schon die neue Wiener Messe ein exemplarisches Beispiel darstellt.

Diese Komponente der Planung möchte ich nicht allzu breit ausführen, weil es für Graz wenig Relevanz hat. Allerdings möchte ich zu den zahlreichen Fragen, die mir per Mail zugegangen sind, Stellung nehmen. Dass Entwicklungsprozesse jedenfalls einer Steuerung bedürfen, und zwar dort, wo die unterschiedlichen Informationen zusammen laufen. Der Planer hat nicht die Aufgabe, die politische Entscheidung zu ersetzen, sondern den Support für den Entscheidungsträger vorzubereiten, der auch die Verantwortung dafür trägt. Des Weiteren ist es eine fachorientierte Planung, aber sicher nicht ein zusätzliches politisches Instrument.

Zur schrumpfenden Kernstadt: Wir hatten in Wien nicht nur seit 1918 durchwegs eine Verringerung der Bevölkerungszahl bis 1989, als es wieder einen Zuwachs gab, sondern wir haben noch immer Stadtgebiete, die eher Bevölkerungsverluste haben auf Grund der veralteten Strukturen, und gleichzeitig haben wir eine sehr dynamische Bevölkerungsentwicklung, d.h. wir haben innerhalb der Stadt unterschiedliche Strategien zu entwickeln und meinen dazu, dass auch schrumpfende kleinere Städte einer Strategie bedürfen. Ein Beispiel: Viele Schulen, zur Hälfte ausgelastet, sind relativ teuer im Betrieb. Hier gilt es, durch sanfte Restrukturierung auch für die Stadt ökonomische Situationen zu schaffen, Schulbetriebe zusammenzulegen und leerfallende Schulbetriebe einer anderen sinnvollen Nutzung zuzuführen.

Das heißt, eine Entwicklung im positiven wie im negativen Bereich bedarf eines Managements.

Wir haben auch ähnliche Situationen gehabt wie Graz nun mit Seiersberg hat, mit der Entwicklung eines Einkaufszentrums knapp vor der Stadtgrenze. Wir haben nun die SCS seit gut 20 Jahren, und da sag ich, welche Strategie hat da eine Stadt? Die Verantwortung liegt da eher weniger bei der Stadt- als vielmehr bei der Landesplanung, und bei der Schnittstelle, dass es ein sinnvolles Strukturkonzept für den Zentralbereich gibt, die beide über die Stadtgrenzen hinausreichen. Ich denke auch, dass die regionale Entwicklung der Siedlungsstruktur sehr wohl sehr wichtig ist für Graz, weil es eine funktionale Einheit ist, und Pendlerströme usw. sind in Graz sicher nicht unbekannt. Das sind Wechselwirkungen, die die Stadt alleine nicht bewältigen kann, die man nur in Kooperation bewältigen kann, und wo natürliche Planungsgemeinschaften und Planungsverbände mit zusätzlichem Stellenwert ausgestattet werden sollten, allerdings haben wir da mit Wien und der Planungsgemeinschaft Ost auch unsere Probleme, allerdings ist die Stadtgrenze gleichzeitig auch Planungsgrenze.

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