19/02/2024

Grundsätzlich sollte, laut Programm der Grazer Regierungskoalition und untermauert durch einen einstimmigen Gemeinderatsbeschluss, der Klimaschutz bei allen Planungen der Stadt oberste Priorität haben. Das sollte auch für das 4.08 Änderungspaket des Flächenwidmungsplans gelten. 56 Änderungspunkte und dennoch keine mutigen Antworten auf die brennenden Probleme in Graz! Das ist keine nachhaltige Reform, sondern eine vertane Chance. 

19/02/2024

/screenshot/GIS/Magistrat Graz

©: GIS Steiermark

Änderungspunkt 33, FläWi Graz 4.08: Vorbehaltsfläche Kommunaler Wohnbau am Acker

©: Stadt Graz - Magistratsdirektion

Städtische Grundstücke in Triestersiedlung mit zu niedriger Dichte

©: Stadt Graz - Magistratsdirektion

Locker verbaute Triestersiedlung, Luftbild Stadt Graz

Dichtepotenzial Fasangartengasse, google Luftbild

Zur Erinnerung: Nach dem Wahlkampf 2021, in dem Bauwut, Versiegelung und Leerstand heiße Themen waren, reagierte die neugewählte Regierung mit dem Regierungsprogramm Gemeinsam für ein Neues Graz – Sozial. Klimafreundlich. Demokratisch:

DAS KLIMAFREUNDLICHE GRAZ Die Klimakrise ist die größte Herausforderung unserer Zeit. Sie ist nicht nur eine ökologische, sondern auch eine soziale Frage. Sie bestimmt die Lebensqualität vor unserer Haustüre, beeinflusst unsere Wirtschaft und gefährdet die Zukunft unserer Kinder. Wir wollen dem in Graz etwas entgegensetzen. Mit einem Arbeitsprogramm für mehr Grünraum und Bäume, weniger Autoverkehr, mit einer nachhaltigen Stadtentwicklung und der Förderung der Kreislaufwirtschaft wollen wir bis 2040 in Graz klimaneutral sein und haben den Klimaschutz zur besonderen Priorität in der Stadt erklärt.

DAS DEMOKRATISCHE GRAZ Wir wollen die Grazer:innen vermehrt zur Teilnahme an den demokratischen politischen Prozessen bewegen. Voraussetzungen dafür sind die größtmögliche Transparenz bei Entscheidungsfindungen sowie bei Strukturen und Finanzen im gesamten Haus Graz, ebenso auf Bezirks-, Gemeinderats- und Stadtsenatsebene. Selbstverständlich sind dazu auch die unmittelbaren Beteiligungsmöglichkeiten auszubauen.

Die Reform der Stadtplanungsinstrumente wurde als ein Schwerpunkt im Arbeitsprogramm definiert:

STADTPLANUNG UND ÖFFENTLICHER RAUM Graz ist eine wachsende Stadt. Das erfordert eine sorgsame und nachhaltige Stadtentwicklung, sensibles, ökologisches Bauen und die Garantie, dass alle Bewohner:innen dieser Stadt ausreichend Freiräume und infrastrukturelle Versorgung vorfinden. Wir wollen dafür Bestehendes nutzen, Neuerrichtungen im Sinne der Grazer:innen steuern und Sorge dafür tragen, dass der gemeinsame öffentliche Raum ein neuer Aufenthaltsort wird, der von allen erlebt und genutzt werden kann.

Das Bekenntnis zu einer neuen Planungs- und Baukultur machte den Grazer*innen Hoffnung, dass es nach der Ära Nagl endlich anders weitergeht. Sie hofften auf mehr Klimaschutz, auf Rückgang der Zubetoniererei ganzer Stadtviertel, auf Stopp der Zersiedlung, auf effektiven Schutz wertvoller, historischer Bauten und stadtteilprägender Gebäudeensembles und auf mehr Mitsprache.

Die für Stadtplanung zuständige Vizebürgermeisterin Judith Schwentner und Baudirektor Bertram Werle versprachen dem Klimaschutz oberste Priorität einzuräumen und zogen sogar Rückwidmung von Bauland in gewissen Gebieten aus Klimaschutzgründen in Betracht. Dazu wurde eine Studie bei der TU Wien beauftragt.

Die 4.08 Änderung des Flächenwidmungsplans stellt sich als herbe Enttäuschung dar. Die als Reform angekündigte Änderung stellt sich bei genauer Betrachtung als eine Ansammlung von Peanuts dar. Bürger*innen, die auf Veränderung hofften, wurden geblufft. Man könnte das durchaus als Totalversagen der Politik bezeichnen. Nicht einmal die Leitbilder „Klimafreundliches Graz und Demokratischen Graz“ aus dem Regierungsprogramm wurden umgesetzt. Der Klimaschutz hatte keine Priorität und vom versprochenen Ausbau von Beteiligungsmöglichkeiten keine Spur. Die Stadt wollte sogar auf eine Informationsveranstaltung verzichten und begründete dies so: „Es ist, wie auch bei zwischenzeitlichen Änderungen üblich, keine Bürger:inneninformationsveranstaltung geplant“.

Einige Bürger*innen protestierten daraufhin und knappe fünf Stunden später wurde doch noch ein Informationsnachmittag, jedoch ohne öffentliche Diskussionsmöglichkeit, angeboten. Aktivbürger*innen kritisieren dies als mangelhafte Information der Bevölkerung. Unverständlich ist auch die verfrühte Auflage des Änderungspakets, denn das übergeordnete Stadtentwicklungskonzept STEK 4.08 ist bislang nicht einmal beschlossen.

Reparatur statt Reform – keine Priorität für den Klimaschutz

Viele Änderungspunkte betreffen die Behebung vormaliger Widmungsfehler (sehr viel Bauland im Grüngürtel stellte sich als nicht vollwertiges Bauland heraus und wird nun in Aufschließungsgebiet rückgeführt), das Ersichtlichmachen von Gefahrenzonen, Wasserschutz- und schongebieten, Naturdenkmälern oder neuer Altstadtschutzzonen, geringfügige Änderung bei Landes- oder Bundesstraßen, und das Nachziehen der Flächenwidmung im Falle bereits vorab beschlossener Projekte, wie dem TU-Campus Inffeld und der Verbauung am Ostbahnhof.

Die angekündigte Bebauungsplanpflicht wurde etwas ausgeweitet. Sie betrifft vor allem große nicht verbaute Gebiete im Grüngürtel, die man im Sinne des Klima- und Naturschutzes eigentlich vor jeglicher Verbauung freihalten sollte, und einige Kerngebietsbereiche. Die Sinnhaftigkeit der Bebauungsplanpflicht für Kerngebiete wie Karlau (?) und die bereits voll verbauten Areale des Elisabethinenspitals und der Geriatrischen Gesundheitszentren ist zu hinterfragen. Gleichzeitig aber wird die bestehende Bebauungsplanpflicht zum Schutz der Innenhöfe stark aufgeweicht. So werde Bauvorhaben, die nicht länger als 40 m sind und nicht mehr als 2500 m2 Bruttogeschossfläche haben (das entspricht ca. 30-40 Wohnungen) von einer Bebauungsplanpflicht ausgenommen.

Warum macht die Stadt das und verzichtet auf eines der wichtigsten Stadtplanungsinstrumente? Diese Ausnahme dient ausschließlich Investoren, die sich immer stärker auf Grundstücke in Gründerzeitvierteln stürzen. Nun werden ihnen zeitaufwendige Bebauungsplanverfahren erspart und sie erhalten auch garantierten Anspruch auf die höchsten Bebauungsdichten. Bis dato waren sie auf das Wohlwollen der Bau- und Anlagenbehörde betreffend der Auslegung eines Lückenschlusses angewiesen. Interessanterweise stellt der Leiter des Stadtplanungsamts, Bernhard Inninger, diese Änderung als große Verbesserung dar. Auf welcher Seite steht er da?

In Aussicht gestellte Rückwidmungen von Bauland gibt es nicht. Ob die bereits abgeschlossene Studie der TU Wien damit zu tun hat, ist unbekannt, da diese leider nicht veröffentlicht wurde. Auch wurde die versprochene Leerstandserhebung bisher nicht gemacht, die eine Rückwidmung ebenfalls legitimieren würde.

„Ich will weg vom Schlagwort Smart City zu einer grünen und sozialen Stadt für alle Menschen und mehr Flächen für sozialen Wohnbau und Grünraum“, sagt Vizebürgermeisterin Judith Schwentner in einem Interview im Magazin architektur.aktuell. Wie reagiert der FLÄWI 4.08 darauf?

Zusätzliche Vorbehaltsflächen für Parks oder Spielplätze wurden zwar ausgewiesen, sind im Verhältnis zum eklatanten Grünraummangel aber viel zu wenig und oftmals theoretischer Natur, weil in absehbarer Zeit gar nicht realisierbar. Für den kommunalen Wohnbau wurde überhaupt nur eine neue Vorbehaltsfläche für 88 Wohnungen ausgewiesen. (siehe Änderungspunkt 33) Diese Fläche östlich vom Brauquartier an der Ecke Herrgottwiesgasse-Markusgasse ist derzeit als Freiland mit Nachfolgenutzung Wohnen gewidmet und wird als Acker genutzt. Mit dieser Ausweisung widerspricht die Stadt ihrem Prinzip der Innenentwicklung, wonach kein zusätzliches Bauland ausgewiesen werden soll. Die Begründung, es würden keine geeigneten Flächen zur Verfügung stehen, und daher müsse man diese nicht in der Baulandbilanz enthaltene Fläche heranziehen, ist einfach unglaublich!
Denn die Stadt besitzt mit den eigenen Grundstücken in der Triestersiedlung ein enormes Nachverdichtungspotenzial, das sie nur ausschöpfen müsste. Dieses Gebiet liegt zentral und sollte im Sinne der Innenentwicklung dringend nachverdichte werden. Die derzeitige Höchstdichte 0,8 ist hinsichtlich der Lage viel zu niedrig und derzeit nur zu ca. 60 % ausgeschöpft. Am Beispiel Fasangartengasse stell sich das so dar. Die Bestandsbebauung auf 13.630 m² Grundstücksfläche weist eine Bestandsdichte von 0,42 auf. Bei einer Nachverdichtung auf 1,2 Dichte könnten der Bestand von 66 WE auf 210 WE erhöht werden. Die Stadt könnte in der Triestersiedlung, wo in mehrfacher Hinsicht Handlungsbedarf besteht, 144 zusätzliche leistbare Wohnungen errichten, ohne nur einen Cent für Grundstücksankäufe investieren zu müssen. Das wäre ein Beispiel für soziale, nachhaltige, klimaorientierte und auch ökonomisch sinnvolle Flächenwidmung, die dem Regierungsleitbild entsprechen würde.

Gegen das aktuelle Änderungspaket 4.08 des Flächenwidmungsplans kann man noch bis 8. März Einwendungen einbringen. Auch grundsätzliche Kritik ist möglich.

Dipl. Dolm. Peter Laukhardt

Da bin ich als Laie - mit nur 50 Jahren Erfahrung als Aktiv-Bürger in Stadtplanung - schön auf die Ankündigung hereingefallen. Ich glaubte, einen neuen Flächenwidmungsplan vorgesetzt zu bekommen und habe mich durch die 56 Punkte gearbeitet (am Wochenende vor der Info-Veranstaltung leider ohne online-Zugang zum alten Fläwi). Ich hatte mich ja noch gewundert, sind doch meine im Herbst eingereichten Einwendungen zum 4.08 STEK noch nicht einmal behandelt worden. Jetzt ist die Katze aus dem Sack, wie Elisabeth Lechner ausführlich dargelegt hat: es sind eigentlich nur Korrekturen. Diese aber gekonnt gemixt mit leicht übersehbaren grundlegenden Änderungen bei einem der wichtigsten Planwerke, den Bebauungsplänen. Nach den bei der Info-Veranstaltung mündlich gegebenen Erklärungen der Planungsverantwortlichen hat es mir aber dann "die Red verschlagen". Es wäre wohl völlig klar gewesen, dass 4.08 nur Zwischenänderungen seien, ein wirklich neuer Fläwi würde ja die Nr. 5.0 erhalten!
Jetzt muss ich ernste Fragen an die Grazer Stadtregierung richten: Wann endlich werden die versprochenen Verbesserungen endlich in den Planwerken vorgelegt werden? Wie lautete der dezidierte Auftrag an die Stadtplanung? Hat man einen Termin gesetzt? Wenn in zwei Jahren nicht mehr herausgekommen ist, also das bisher der Bürgerschaft vorgestellte, dann müsste man sich eigentlich an den Kopf greifen.

Mo. 19/02/2024 21:57 Permalink
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