14/11/2005
14/11/2005

LR Kurt Flecker

Mit Unterbrechung in den Jahren 1995 bis 2000 durch Peter Schachner-Blazizek war das Kulturressort des Landes in 60 Jahren steirischer Nachkriegsgeschichte von der Volkspartei dominiert. Am 7. November des Jahres übernahm der zweite Landeshauptmann-Stellvertreter und Landesrat Kurt Flecker von der SPÖ zu seinen bisherigen Agenden Arbeit und Soziales auch die Kultur in der Steiermark. Christian Stenner und Wenzel Mraček sprachen mit LR Kurt Flecker.

Herr LR, als Sie das Kulturressort übernommen haben, blieb ein weiteres Mal die Volkskultur davon ausgeschlossen, wobei gerade die Einbindung der Volkskultur eine Forderung der Kulturinitiativen war. Sind Sie damit zufrieden?

K. F.: Mir ist die Unsinnigkeit dieser Trennung durchaus bewusst. Andererseits bin ich der Meinung, man kann zwar von einem Politiker verlangen, sich selbst total zurückzunehmen und seinen persönlichen Neigungen kein Gehör zu schenken – das findet aber grundsätzlich nicht statt. Aus dieser Sicht bin ich nicht sehr traurig. Ich habe mich zwar gefragt, ob ich hier nicht ungerecht bin, allerdings hat man mir einen Gewissenskonflikt erspart. Ich war jedenfalls nicht der Urheber dieser Konstellation.

Die IG-Kultur verlangt in einer Resolution aus dem Vorjahr, über einen Vergleich mit Salzburg, eine Anhebung des Kulturanteils am Landesbudget von derzeit 1,7 Prozent auf 3,5 Prozent.

K. F.: Es handelt sich hierbei um das operative Budget ohne den berühmten Rundfunkschilling. Die Anhebung hätte ich natürlich auch gerne und natürlich werde ich ein Kämpfer um die Mittel sein. Wenn ich aber sehe, was auf uns zukommt – ich bin auch der Finanzsprecher unserer Fraktion – dann sehe die Chancen, zusätzliche Mittel zu bekommen, eher problematisch. Es wird allerdings notwendig sein nachzusehen, wo ich das Budget bereinigen kann. Ich denke, die derzeitige Form der Landesausstellungen in jedem Jahr wird’s sicher nicht spielen; damit wird eigentlich auch niemandem etwas abgehen. Es kann nicht Sinn und Zweck sein, jedes Jahr Landesausstellungen als Ziel für Schüler- und Seniorenausflüge zu gestalten, während Inhalte und Qualität solcher Ausstellungen nachgereiht werden.

Was hat Sie an den vergangenen Landesausstellungen interessiert?

Flecker: Wahnsinnig interessiert hat mich „Jugend und Jugendkultur“ in Radkersburg. Es hat eine Top-Eröffnung stattgefunden und ich habe mir gedacht, das ist eine gute G’schicht. Dann bin ich in die Ausstellung gegangen, die sich – wieso auch immer – um die Zeit der 1960er-Jahre gedreht hat. Diese Ausstellung aber war in einem derartigen Ausmaß dilettantisch, dass ich mir gesagt habe, hier ist jeder Schilling zuviel ausgegeben. Ich kenne diese Zeit und habe sie mitgelebt – dort habe ich sie sicher nicht wiedergefunden.

Das heißt, Sie werden den avisierten Zweijahresrhythmus der Landesausstellungen verwirklichen?

Flecker: Vor allem habe ich eine Vorstellung von künftigen Landesausstellungen, nach der beispielsweise entsprechend einem Arbeitstitel Kunstausstellungen nicht in Graz, sondern am Ort der LA stattfinden und im Umkreis regionale Initiativen in ein Programm einbinden und damit die regionale Bevölkerung. Die müssen wissen, da ist etwas los. Natürlich hat es einen Sinn, Orte zu verschönern, dafür sind aber andere zuständig und nicht ich.

Im Kulturressort wurden gewisse Parallelstrukturen aufgebaut wie die Kulturservice-GmbH. Am Beispiel der Bewerbung der diesjährigen Landesausstellung zeigte sich, dass das Land die KSG beauftragt hat, die beauftragte einen ehemaligen Journalisten, der wiederum eine Agentur beauftragt hat. Ursprünglich sollte der Zweck der KSG zur kostensparenden Verkürzung solcher Delegierungen führen, was man sich hier nur schwer vorstellen kann.

Flecker: Die KSG an sich will ich außer Streit stellen, weil ich nicht als der politische Racheengel durch die Welt fahren will. Mir geht es darum, die KSG auf das zu reduzieren, wofür sie gegründet wurde. Die KSG hat die Aufgabe, als Dienstleister Kunst und Kultur zu bewerben. Das betrifft auch die so genannte freie Szene. Ich verstehe nicht, warum ein Thema „Paradies“ – wie ich höre – eine von der KSG ausgegebene Leitlinie für 2006 sein soll.

Das entspricht dem heuer praktizierten Carmen-Schwerpunkt mit Joanneums-Ausstellung rund um die Operninszenierung von Harnoncourt.

Flecker: Die KSG wird sicher nicht die Inhalte der Kulturpolitik eines Jahres vorgeben. Vielleicht muss man die Diskussion auch einmal in die Richtung führen: Was darf ein Kulturpolitiker und was soll er? Ich will Kulturpolitik nicht als Zensor machen, kann mir aber durchaus vorstellen, dass man Schwerpunktsetzungen aus gemeinsamer Arbeit mit Einrichtungen wie dem Kulturbeirat auch als politische Entscheidung versteht. – Aber dass der Herr Rinner [Geschäftsführer KSG] so etwas macht, befremdet mich.

Sie haben sich in einem kürzlich veröffentlichten Interview nicht als großer Freund des Kulturbeirates [d.i. der nach Kulturförderungsgesetz eingesetzte Förderungsbeirat, bestehend aus mindestens acht Mitgliedern, der zur Entscheidungsfindung Fachbeiräte heranziehen kann] gezeigt, der sei „auf Leute zugeschnitten, die sich auf andere ausreden wollen“ [Zit. Flecker, Kleine Zeitung].

Flecker: Es hängt von Typus des Kulturpolitikers, oder damals der Kulturpolitikerin, ab, wie ich damit umgehe. Unter Klasnic hat sich die politische Intention insofern getroffen, als sich einerseits viele einbringen wollten, um selbst mitgestalten zu können, andererseits hat die sich die Kulturreferentin froh gezeigt, dass andere die Verantwortung übernommen haben. Das will ich nicht. Ich will die Verantwortung übernehmen und ich sehe es als Herausforderung, mit dem Beirat als Dialogpartner zu arbeiten. Die Letztentscheidung muss und wird aber bei mir liegen. Der Förderbeirat stellt aber auch eine Verbürokratisierung der Kulturpolitik dar. Wir werden aber natürlich das Kulturförderungsgesetz vollziehen, wir müssen aber sehen, wer im Beirat sitzt. Dort darf sich nicht das Match der Unvereinbarkeit abspielen.

Wie wollen Sie mit der List-Halle und dem Steirischen Herbst umgehen?

Flecker: Ich bin mit der List-Halle als Aufsichtsrat des alten Herbst, der die Halle vermarktet, konfrontiert. Ich halte aber nichts davon, von einer Tasche in die andere zu bezahlen, indem ich den neuen Herbst verpflichte, dem alten Herbst für 60 Tage eine Hallenbenützung zu bezahlen. Wenn die Intendantin die Halle aber benützen will, hätte das Sinn. Man müsste die List-Halle in erster Linie als Tempel hinterfragen. Ich halte die Überlegung mit der Punk-Szene [Parties zu feiern] für einen notwendigen Schritt der Entweihung.

Als Konzerthalle ist sie aber erwiesenermaßen hervorragend.

Flecker: Ich kann nicht die ganzen europäischen Spitzenorchester nach Graz holen, damit die List-Halle bespielt wird. Mir ist durch die stattgefundenen Veranstaltungen aufgefallen, dass dort zwar Musik, nicht aber Sprechtheater in entsprechender Qualität aufgeführt werden kann. Wie komme ich auf 150 Tage Musiktheater im Jahr? Das ist ein Erbe einer verfehlten Politik.

Herbst-Intendantin Veronika Kaup-Hasler hat in einem öffentlichen Gespräch vom „politischen Willen“ gesprochen, nach dem sie gehalten sei, die Halle zu bespielen. Ist dieser politische Wille also Vergangenheit?

Flecker: Das Korsett, du musst die Halle 60 Tage nehmen, ist gefallen. Ich halte es für idiotisch, einer Intendantin den Veranstaltungsraum zu oktroyieren.

Themenwechsel: Durch den Fall des Kommod-Hauses vor zwei Jahren und einigen anderen Problemobjekten seither sind Stimmen wieder deutlicher geworden, die ein Landesgesetz fordern, nach dem Expertisen seitens der Altstadtsachverständigen-Kommission für Entscheidungen zu Bauvorhaben bindend werden sollen.

Flecker: In Vorgesprächen zur Regierungsbildung hat es in diesem Sinn auch Gespräche mit den Kommunisten gegeben, die das sehr vehement eingebracht haben. Ich glaube auch, dass die Grünen in diese Richtung gehen und wir haben überhaupt kein Problem damit, wir werden das sicher forcieren. Ich halte den Umgang der Investoren mit betroffenen Objekten für unsittlich.

Wie stehen Sie zur Organisation des Landesmuseums?

Flecker: Ich habe mir jetzt das Organigramm angesehen: Das jemand Geschäftsführer ist, für Außenbeziehungen und Kundenbindungen zuständig ist, und dann noch Departmentleiter für den Kunstbereich ist und im Kunstbereich noch zwei Häusern vorsteht, dann verstehe ich die Welt nicht. Übrigens ist es sehr interessant, wenn Sie das Organigramm lesen, so gibt es ein Department Kunst und daneben gibt es das Department Kultur. Man möge mir diese Teilung erklären. Das scheint mir doch sehr laizistisch zu sein. Ich möchte doch dafür sorgen, dass wir Allmacht nicht zulassen. Ich will hier aber niemandem etwas ausrichten, ich setze auf das vernünftige Gespräch.

Viele im Kulturbereich Beschäftigte sind gezwungen, unter McJob-Bedingungen zu arbeiten, weil durch das Kulturbudget im Grunde nur Projektförderungen unterstützt werden. Die Betroffenen brauchen sozial abgesicherte Beschäftigungsverhältnisse.

Flecker: Ich möchte hier ähnlich vorgehen wie im Sozialbereich, dass für bestimmte Einrichtungen dreijährige Basissubventionen vorgesehen werden, die nicht an ein Projekt sondern an den Betrieb einer Einrichtung gebunden sind.

Verfasser/in:
Christian Stenner und Wenzel Mracek sprachen mit LR Kurt Flecker
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